© Walt Disney Pictures/Pixar
WALL·E (WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf, USA 2008, 98 min)
Originalstimmen: Ben Burtt, Elissa Knight, Jeff Garlin, Fred Willard, John Ratzenberger, Kathy Najimy, Sigourney Weaver und das Programm MacInTalk von Apple
Musik: Thomas Newman
Drehbuch: Andrew Stanton & Jim Reardon
Regie: Andrew Stanton
Wall·e ist ein kleiner, knuffiger Roboter, der den ganzen Müll der Erde zu kleinen Würfeln presst und daraus riesige Berge stapelt. Die Menschen haben die Erde vor hunderten von Jahren verlassen; sie haben es sich inzwischen in einem Raumschiff gemütlich gemacht, bis die ganzen wuseligen Roboter, die sie gebaut haben, ihren Planeten wieder aufgeräumt haben. Leider war der Plan nicht ganz ausgereift – die Menschen sitzen immer noch gemütlich im Raumschiff und haben völlig vergessen, dass sie irgendwann mal wieder „nach Hause“ fliegen wollten. Und auf der Erde ist nur noch Wall·e damit beschäftigt, Ordnung zu schaffen.
Das macht er aber sehr menschlich: Er geht morgens mit seiner kleinen Box zur Arbeit, presst Müll, sammelt nebenbei Kram ein, den er zu faszinierend findet, um ihn zu würfeln und guckt abends Hello, Dolly auf einer schraddeligen Videokassette. Sein kleines Heim – ein alter Müllwagen – ist mit Lichterketten geschmückt, und eine Kakerlake leistet ihm Gesellschaft. Und natürlich hat er im Laufe der Jahrhunderte Gefühle entwickelt. Sonst wäre der Film ziemlich doof bzw. könnte gar nicht anfangen.
Denn eines Tages landet ein Raumschiff auf der Erde, dem ein weiblicher Roboter entfliegt: Eve. Überirdisch schön, glatt und weiß – und gut bewaffnet, wie Wall·e schnell erfahren muss. Er selbst ist ein rostiger Klumpen auf rumpeligen Ketten, aber wie jeder Kerl, der über optische Mängel verfügt, weiß er sich zu helfen: Die Mädels müssen anderweitig beeindruckt werden. So gucken die beiden gemeinsam romantisch ins Feuer (das Eve gelegt hat, als sie – wie immer sehr fix mit der Knarre – aus Versehen ein paar alte Öltanker in Brand gesetzt hat), schauen sich Wall·es skurrile Sammlung an menschlichem Müll an und amüsieren sich anscheinend ganz prächtig, bis Wall·e Eve eine kleine, zarte Pflanze zeigt, die er gerade ein paar Tage vorher gefunden hat. Anscheinend die erste Pflanze, die Wall·e jemals gesehen hat.
Daraufhin verwandelt sich Eve in pures Pflichtbewusstsein: Aus dem flirtenden Roboter wird eine weiße Kapsel, die die Pflanze schützt und von ihrem Raumschiff wieder abgeholt wird. Und das kann Wall·e natürlich nicht einfach so geschehen lassen, jetzt, wo er endlich jemanden gefunden hat, mit dem er fernsehen kann und der ihm seinen Zauberwürfel löst.
Die Geschichte von Wall·e und Eve geht dann im Weltraum weiter. Bis eben waren sie nur auf der schrottigen Erde – und alles, was sie gesagt haben, war „Wall·e“ und „Eve“. Die komplette erste Hälfte des Films funktioniert ohne Dialoge, und sie funktioniert hervorragend. Sie ist wundervoller Slapstick, durchbrochen mit herzigen Momenten und lebt natürlich von den Pixar-typischen Charakteren, die kurz vor diabeteszuckersüß sind und die man alle sofort mit nach Hause nehmen möchte. Das weiß man aber vorher, und wer sich in einem Pixar-Film darüber aufregt, wie niedlich und vermenschlicht alles ist, der sollte weiter Rambo gucken. Alle Teile.
Ich glaube, ich sitze in jedem Pixar-Film wie ein Kind, mit offenem Mund auf die Leinwand starrend, lächelnd und staunend. (Und ich glaube, ich schreibe das auch in jede Kritik; ich guck gleich mal nach.) WALL·E ist genauso. Ich war wie immer begeistert von Einfallsreichtum der Szenerie, den vielen liebevollen Details und den kleinen versteckten Witzen, wie z.B. das Geräusch, das Wall·e macht, wenn er seine Solarzellen aufgefüllt hat; dann klingt er nämlich wie der Startton eines Macs. Schade, dass dieser Witz am Großteil der Kinobesucher vorbeigeht. (Buy a Mac! BUY A MAC!)
Der Flug durch den Weltraum war dann eher was für die Taschentücher. Wall·e klammert sich außen am Raumschiff fest, in dem Eve ist. So hat er nicht nur die Gelegenheit, mit seinem Quadratschädel an Satelliten hängenzubleiben, sondern auch mit seinen Fingern durch Sternenstaub zu fassen und sich seinen Planeten mal von oben anzuschauen. Hier nimmt sich der Film ein paar Momente der Ruhe, während er vorher ein irrsinniges Tempo vorgelegt hat, das im Folgenden auch wieder aufgenommen wird. Denn mit dem Andockmanöver am Riesenraumschiff der Menschen ist die Rührseligkeit wieder vorbei. Hier haben die Menschen zwar im Prinzip das Sagen, aber die komplette Arbeit wird von Robotern erledigt: surrenden, quietschenden, piepsenden, gleitenden, fliegenden, rollenden, röhrenden, schlauen, dumpfbackigen, eindimensionalen, HAL-ähnlichen, unglaublich klasse aussehenden Robotern. Die Maschinen haben mehr Charaktere als die Menschen, und alle von ihnen sind so vielschichtig und faszinierend, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt.
Das beginnt beim Identifizieren des Raumschiffinhalts – ist da Dreck mitgekommen, der nicht an Bord gehört? Kein Problem, die Putzbrigade steht bereit. Allen voran der kleine wuselige M·o, der mit einer rotierenden Bürste alles abputzt, was nicht schnell genug von ihm wegkommt. Auch Wall·e macht mit ihm Bekanntschaft, und diese kurze Sequenz war eine meiner liebsten im Film. Wie der knarrende, gutherzige – und dreckige – Würfelpresser mit dem wieselflinken Streber aneinandergerät, ist so voller blitzschneller Pointen, das ich mir kaum eine merken konnte. Ich war aber auch viel zu sehr mit Lachen beschäftigt. (Danke, YouTube.)
M·o bleibt natürlich nicht der einzige Roboter, mit dem Wall·e unfreiwillig Bekanntschaft macht. Da sind noch die ganzen schrägen Roboter, die repariert werden müssen, der Autopilot des gesamten Raumschiffs, Polizeiroboter, Wall·es große Verwandte, die sich an Bord um den Müll kümmern … und ein paar Menschen trifft er auch. Und bei ihnen hinterlässt er mehr Eindruck, als er sich hätte träumen lassen. Wenn er träumen kann, was ich inzwischen glaube. Wahrscheinlich sind die Traumsequenzen auch mit Apple-Systemtönen ausgestattet.
Der ganze Film fühlt sich trotz seiner modernen Oberfläche ganz altmodisch an. Der komische Kauz in der Großstadt, der naive Tor, der allen intelligenten Menschen – und Maschinen – zeigt, was ihnen fehlt, das gute Herz gegen das starre Programm. Alles total kitschige Versatzstücke, die aber in WALL·E so knuffig dargeboten werden, dass man sogar über die allzu offensichtliche Moral hinwegsieht. Ja, klar, wir sollten dem Götzen Konsum weniger huldigen (lustig, das ausgerechnet von Disney zu hören), ja, klar, wir müssen uns mehr um unseren Planeten kümmern, ist ja gut. War mir nach dem Film, ehrlich gesagt, nicht viel wichtiger als vorher, weil ich die Roboter viel zu toll fand, um mir über die doofen Menschen Gedanken zu machen.
Ich hatte in einigen Pro-Fat-Weblogs gelesen, dass viele mit der Darstellung der Menschen Probleme gehabt hätten. Denn nach hunderten von Jahren, in denen Maschinen alles machen, sind die Menschen nur noch damit beschäftigt, in Hoover Chairs durch die Gegend zu zoomen, über Bildschirme zu kommunizieren und fett zu werden. Ich bin ziemlich sensibel, wenn es um die Darstellung von Dicken in Filmen geht und reagiere sehr kratzbürstig, wenn die Dicken mal wieder die Idioten sind und nichts gebacken kriegen. So gibt es in WALL·E eine Szene, in der ein Mensch aus seinem fliegenden Stuhl fällt, wie eine blöde Qualle auf dem Rücken liegt und von Robotern zurück in sein Stühlchen gehoben werden muss. Unterschwellige Botschaft ist klar: Wenn wir schlank wären, könnte uns das nicht passieren. Mal abgesehen davon, dass auch schlanke Menschen sich was brechen können und dann ebenso unfähig rumliegen, war das aber auch so ziemlich die einzige Szene, bei der ich dachte, näh, da hättest du drauf verzichten können. Denn im Endeffekt sorgen die Menschen für ihre eigene Rettung; Wall·e ist „nur“ der Gedankenanstoß.
Ich merke beim Schreiben gerade, dass ich kaum mehr mache, als den Film nachzuerzählen, was ich eigentlich gar nicht will. Aber WALL·E ist mal wieder einer dieser Filme, aus denen man rauskommt und dann sofort mit allen Freunden die Lieblingsszenen nochmal durchkauen will, so gut hat man sich amüsiert, so verstohlen hat man das Taschentuch gezückt und so sehnsüchtig wartet man jetzt auf die DVD. Man = ich. Aber sowas von.
PS: Außerdem will ich jetzt sofort alle Roboter in Lebensgröße haben, ganz egal, ob sie irgendwas können. Vor allem Eve würde ich mir einfach in die Zimmerecke stellen und sie den ganzen Tag anschauen, weil sie so wunderschön ist. Ich frag mich gerade, ob das total frauenfeindlich ist, weil ich die Plastikdame damit nur auf ihr Äußeres reduziere, ich Chauvi.