Nachtrag: Tagebuch Montag, 17. September 2018 – Schlüsselübergabe
Um 16 Uhr halte ich die neuen Wohnungsschlüssel in der Hand. Der Holzfußboden wurde abgeschliffen und ist schön matt statt glänzend wie oben und nicht mehr ganz so bernsteinfarben. Außerdem wurden die Türen nochmal schick weiß lackiert, die vorher schon etwas gelblich waren. Mir wurde außerdem eine neue Klobrille spendiert; ich hatte mich schon damit abgefunden, selbst die doofe aus Holz durch eine weiße zu ersetzen, aber da ist sie schon.
Ich stelle fest, dass ich die fiesen Dekofliesen im Bad total falsch in Erinnerung hatte. Ich hatte die Wohnung nur einmal besichtigt und bräsigerweise keine Fotos gemacht. In meinem Kopf sahen sie aus wie aus blauen Mosaiksteinen. So sehen sie aber gar nicht aus.
Okay, macht es nicht besser, aber ein bisschen erträglicher.
Mein Bad oben war in Grün dekoriert (Handtücher, Seifenspender, Fußmatten), aber das passt hier unten überhaupt nicht mehr. Es passt auch überhaupt nicht zum gesamten Farbkonzept der Wohnung, über das ich mir erstmals anständig Gedanken gemacht habe. Nicht nur Raum für Raum, sondern als Gesamtheit. Die Küche bleibt (vorerst) weiß, der Flur vermutlich immer, die Bibliothek wird hellgrau, das Schlafzimmer kaschmirbeige und das Arbeitszimmer richtig schön dunkelblau. Meine Möbel sind alle buchenfarben, weiß oder in wenigen Fällen schwarz. Das Bad tanzt total aus der Reihe mit seinem Quietschigbunt. Ich werde hier wohl auf Hellblau gehen, damit es zur Restwohnung passt – und weil das vermutlich die einzige Farbe ist, die so halbwegs zu allen Farbverläufen passt. Auch wenn ich Blau für eine Badeinrichtung ein wenig schnarchig finde.
Nach wenigen Tagen stelle ich fest, dass ich die Kacheln schon prima ignorieren kann. Oder nein, noch besser: Ich umarme sie mit meinem Sachverstand. Mein Bad heißt nur noch „Salle de bain de Seurat“, und wenn ich richtig funky drauf bin, hänge ich noch ein Pointilismusposter auf. Soll keiner sagen, dass Kunst nicht bei der Alltagsbewältigung hilft.
Ich beginne mit den Malerarbeiten in der unteren Wohnung und fange im Schlafzimmer an, denn dort können nach dem Anstrich die ersten Möbel aufgebaut werden, die jetzt noch im Keller lagern. Mein Bett musste ja meinem Schlafsofa aus Hamburg weichen und darf nun wieder nach oben. Dafür muss aber erstmal Farbe an die Wand.
Das Kaschmirbeige heißt „Chelsea Walk“, ist von Schöner Wohnen und lässt sich scheiße streichen. Normalerweise war ich mit den SW-Farben immer zufrieden, aber die hier deckt eher mies. Und sie sieht vor allem nicht so aus wie auf der Farbkarte im Baumarkt und dem Eimer selbst. Ich weiß natürlich, dass trockene Farbe anders aussieht als nasse, streiche also mit gerunzelter Stirn weiter – und freue mich am nächsten Morgen über ein koalagraues Zimmer. Hm. Ich denke kurz darüber nach, alles neu zu streichen, kenne aber meinen engen Zeitplan und fange mit dem Arbeitszimmer an.
Dafür hat F. netterweise Montag abend noch die Decken abgeklebt, was der Job ist, den ich am allerwenigsten bei Umzügen mag. Mit meinem Wackelfuß stehe ich sehr ungern auf Leitern, und ich bin gefühlt zwei Zentimeter zu klein, um vernünftig an die Decke zu kommen oder zehn Zentimeter zu groß für die nächste Stufe, wo ich schon mit den Schultern an die Decke gelange. Dementsprechend … äh … rustikal sehen auch die Farbkanten im Schlafzimmer aus. Aber: Ich habe erstmals total erwachsen Steckdosen und Lichtschalter nicht abgeklebt, sondern abgeschraubt, und ich habe brav alle Kanten mit Weiß vorgestrichen, damit die Farbe nicht durchsuppt. Ich habe jetzt also gerade Kanten, wo der Klebestreifen durchging und lustige Sprünge, wo ich ein neues Stück Klebeband angefangen habe. Egal. Es sieht trotzdem besser aus als alles, was ich bisher an die Wand gehauen habe und daher bin ich zufrieden.
Außerdem freuen sich meine Hände wieder darüber, puschelige Farbrollen unter fließendem Wasser zu reinigen. Ich mag das Gefühl, dauernd über diese Flokatistruktur zu streichen und zu warten, bis das bunte Wasser wieder farblos wird.