Tagebuch, Samstag/Sonntag, 6./7. Oktober 2018 – Zuhause
Während der Vorbereitung auf den Umzug verpackte ich nach und nach meine Küche, so dass es nicht mehr so richtig Spaß machte, in ihr zu kochen. Danach stand hier unten alles ungeordnet rum und ich musste mich um die alte Wohnung kümmern, so dass ich weitere Zeit eher Pizza bestellte oder essen ging. Allmählich steht aber alles an seinem Platz, und so konnte ich Samstag mal wieder die Kochbücher wälzen und am Herd stehen – der übrigens deutlich besser ist als der, den ich oben hatte. Cerankochfeld FTW!
Ich kaufte Süßkartoffeln, Erdnussbutter, eine Limette und Sahne, die ich nicht mehr/noch nicht wieder im Haus hatte, und suchte mir für die Vorräte, die noch da waren, ein weiteres Rezept raus, zu dem nur noch Ziegenfrischkäse fehlte. Dann hobelte ich lustig Kartoffeln und ölte Auflaufformen. Beim ersten richtigen Kochen merkte ich, wie dusselig die Besteckschublade in dieser Küchenzeile angebracht war – nämlich genau am anderen Ende der Arbeitsplatte. Ich werde mir also eine kleine Besteckstation einrichten, damit ich nicht für jeden Tee- oder Esslöffel, den ich brauche, durch die ganze Küche laufen muss. F. hatte einen Alternativvorschlag: „Oder du lässt dein Walken sein und kochst öfter.“
Ich könnte am Samstag auch alleine dadurch Kalorien verbrannt haben, indem ich hysterisch dem Kracherspiel Dortmund – Augsburg auf dem Sofa zuschaute. Hochspannend, von beiden Mannschaften Laufbereitschaft und Einsatz bis zum Abwinken, aber von den sieben Toren schoss Dortmund eben eins mehr und das letzte fieserweise in der sechsten Minute der Nachspielzeit, die eigentlich nur vier Minuten hätte lang sein sollen, weswegen ich doch angefressener war als gedacht. Ich muss mir dauernd sagen: Es ist nur ein Fußballspiel, es ist total egal, es hat mit deinem Leben überhaupt nichts zu tun – aber das hilft leider nur bedingt, wenn man alle zwei Wochen im Stadion ist und ein so großartiges Spiel so hauchdünn verloren wird.
F. ging es noch schlechter, denn der musste danach im Stadion noch eine Bayernniederlage verkraften, und das Spiel war dazu auch noch scheiße anzugucken. Ich hatte die erste Halbzeit (zuhause auf dem Sofa) verpasst, weil mein Mütterchen anrief, um sich nochmal für die schönen Urlaubstage zu bedanken. Das war eindeutig besser als dem Gebolze zuzuschauen.
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Am Sonntag kam F. vorbei und ich buk spontan einen kleinen Apfelkuchen. Als ich die Form aus einer meiner drei Backkisten (aka die Körbe von Ikea, die in alle Ikearegale passen, ja, auch in die, die 25 Jahre alt sind) holen wollte, merkte ich, dass ich beim Umzug eine Zutat anscheinend nicht ordentlich eingepackt hatte:
Den Goldpuder hatte ich mir mal für fancy Pralinenverzierung besorgt und so gut wie nie benutzt. Jetzt war fast die ganze Dose über meine Formen verteilt, so dass ich den Rest auch entsorgte. Aber der Kuchen kam ohne Glitzer aus dem Ofen.
Nachmittags bereitete ich ein Paprikagemüse zu, das ich abkühlen ließ und dann mit Ziegenfrischkäse als eine Art Antipasto auf meinem vorgestern gebackenen Brot genoss. Wo man kocht, ist zuhause.
Ich schrieb das schon mehrfach, aber meine Güte, ist diese Wohnung schön! Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie sehr ich damit gerungen habe, sie zu mieten und dann im Kopf einzurichten. Ich freue mich jeden Tag hier über dusselige Kleinigkeiten, die aber nach drei Jahren in der Studibutze eben keine dusseligen Kleinigkeiten sind.
Von meinem Bett aus schaue ich genau auf den riesigen Baum vor dem Fenster. Eigentlich sollte das Bett an die andere Wand, weil ich es netter finde, dass, wenn Besucher*innen zur Tür reingucken, nicht sofort das private Bett zu sehen ist, sondern die Kommode, vielleicht noch mit Kunst drüber, keine Ahnung, work in progress. Aber als ich dann im Schlafzimmer stand, war klar, dass das Bett genau an die gegenüberliegende Wand muss, und ich freue mich jeden Morgen darüber, auch wenn der Baum schon nicht mehr ganz grün ist. Nachts sind die Jalousien nicht ganz unten, und die Straßenlaternen werfen immer bewegte Schatten der Äste an die Decke, was ich sehr schön finde.
Egal ob ich aus dem Schlafzimmer oder dem Flur ins Arbeitszimmer komme – ich grinse immer innerlich und freue mich über die dunkelblauen Wände, vor denen die weißen Möbel schön strahlen. Ich erfreue mich an Luise in ihrem feudalen Rahmen, die endlich eine ganze Wand für sich alleine hat, am Sessel, der davor steht und in dem ich nichts mache außer zu sitzen und Luise anzuschauen. An den großen Balkonfenstern und dem weiten Blick (wenn ich schlaflos bin, sehe ich den Sonnenaufgang. Heute Nebel! Alles noch sehr aufregend). An den Durchzug, den ich endlich wieder produzieren kann! Durchzug, Kinnings! DURCHZUG! In diesem Sommer hätte ich Geld für ihn bezahlt; stattdessen habe ich oben vor mich hingelitten.
Ich gehe den langen … okay, nicht so langen Flur wie in Hamburg, aber im Vergleich zu den drei Quadratmetern oben echt langen Flur entlang, in dem drei meiner Regale Platz gefunden habe, weswegen ich in der Küche mehr Raum habe, wo ich, ich schrieb es schon, jetzt ernsthaft acht Leute bewirten könnte, wenn ich acht Leute kennen würde. Meine Backzutaten stehen jetzt wieder auf Augenhöhe, weil ich mehr Schränke habe, und ich muss nicht mehr auf Knien auf dem Fußboden vor einem tiefen Fach rumrutschen, um den Vanillezucker zu finden. Meine Vorräte passen so in die breiten Schränke, dass ich sie sehe und auch fast an alle ohne Leiter rankomme. Am Samstag habe ich eine Lichtleiste unter den Oberschränken angebracht und sehe jetzt auch, was ich zubereite. Es gibt ja kaum Dinge, die so befriedigend sind, wie mit Bohrmaschinen Zeug geregelt zu kriegen. (Falls die Lichtleiste noch runterfällt, werde ich euch das selbstverständlich verschweigen.)
Ich stehe in der Bibliothek, die nur aus Sitzmöbeln und Bücherregalen und Lampen besteht und finde es herrlich. Auf der Fensterbank darf auch meine alte Lavalampe endlich wieder vor sich hinblubbern. Es fühlt sich einfach wie eine gute Wohnung an. Es fühlt sich nach mir an und nicht mehr nach Kompromiss und mussja. Ich wiederhole mich jetzt hier vermutlich noch ein paar Wochen, aber ich glaube, das war für das Seelenleben eine äußerst gute Entscheidung, ein bisschen Geld in Farbtöpfe und Möbel zu investieren. Und meine Güte, freue ich mich auf meinen großen Kühlschrank! Noch mehr kochen!
Ich so: „Wir könnten den kleinen Kühlschrank dann in den Keller bringen, dann hätte ich da Platz für Altpapier und so Zeug.“
F. so: „Ein Wort: Getränkekühlschrank.“
Das Altpapier bleibt dann vermutlich in der Ecke, in der es sich jetzt schon breit gemacht hat. Und ich werde ab Mittwoch kiloweise Eiswürfel produzieren und alles einfrieren, was nicht vor mir weglaufen kann.