Tagebuch Freitag, 19. Oktober 2018 – Semesterbeginn
Gemeinsam aufgewacht, endlich mal wieder. Das war schön.
Der Herr lungerte noch länger im Bett rum, während ich mit dem ersten Weckerklingeln (aka iPhone-Weckton) aus dem Bett hüpfte, alle Fenster aufriss, die Espressomaschine anschaltete, mich duschte und eincremte, um dann in die Hausklamotten zu schlüpfen (Shirts, in denen ich nicht mehr vor die Tür gehe plus Leggings) und meinen üblichen Cappuccino zubereitete. Fürs interne Tagebuch: perfekter Milchschaum! Dann saß ich, auch schon wie üblich (aka seit vier Wochen) auf meinem Schlafsofa im Arbeitszimmer und guckte über den Balkon ins Grüne, das allmählich herbstbunt wurde.
Als der Herr dann auch endlich mal los musste, setzte ich mich an den Schreibtisch, um einen Text per Mail zu versenden, den ich gerne vormittags loswerden wollte, falls der Kunde seine Korrekturen noch am Nachmittag anbringen wollte. (Wollte er nicht.) Danach fuhr ich zur Hausärztin, um meine regelmäßig einzunehmenden Medikamente abzuholen.
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Im Kopf formulierte ich hier einige launige Bemerkungen zum Altwerden und zu Zipperleins vor, aber die kamen mir schon im Kopf falsch vor. Ja, ich werde älter (netterweise, darf gerne noch ein paar Jahrzehnte weitergehen, danke!), ja, das merke ich auch körperlich. Aber eigentlich wurde mir mal wieder klar, dass ich mich sehr wohl und innerhalb meiner Parameter gesund fühle. Ich freue mich immer noch darüber, dass ich die viele körperliche Arbeit, die mit dem Umzug, der Grundreinigung und dem Streichen von zwei Wohnungen verbunden war, hervorragend weggesteckt habe, wo ich früher Rückenschmerzen hatte, wenn ich nur zwei Bücher zuviel hochgehoben hatte. Ich freue mich auch darüber, dass ich meinen Körper jetzt bewusst wahrnehme, aber ohne ihn fürchterlich zu finden, ganz im Gegenteil. Ich weiß ihn zu würdigen und alles, was er für mich tut. Ich weiß inzwischen auch, was ihm gut tut, und anscheinend ist meine Taktik, auf ihn aufzupassen, ihn halbwegs regelmäßig zu bewegen, aber ansonsten mit Wärmflaschen statt mit Hanteln zu arbeiten, für mich das richtige. (Das mag für dich ganz anders sein.)
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Auf dem Rückweg von der Hausärztin zur U-Bahn-Station kommt man an einer Feuerwache vorbei, wohin gestern gleich mehrere Einsatzfahrzeuge zurückkehrten. Die Tore öffneten sich und ein Mann stand auf dem Gehweg und gestikulierte, weswegen alle Fußgänger*innen inklusive mir automatisch stehenblieben, damit die Fahrzeuge einfahren konnten. Fühlte sich ein bisschen an wie wieder in einem Auto zu sitzen, wo man Notarztfahrzeugen auch Platz macht, nur netter.
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Die U-Bahn fuhr mich zum Schweinchenbau, dem rosa getünchten LMU-Gebäude an der Giselastraße, wo die erste Vorlesung des Semesters auf mich wartete. Der Gastdozent, bei dem ich im Sommer die Eichhörnchenvorlesung so genossen hatte, ist noch ein weiteres Semester bei uns und erzählt dieses Mal etwas über den Beginn der Kunst der Moderne. Ich kopiere mal aus dem Vorlesungsverzeichnis: „Ziel ist es nicht, einen Kanon der ‚wichtigsten‘ Werke zu erstellen oder einen repräsentativen Überblick zu liefern. Vielmehr soll in jeder Sitzung anhand eines Fallbeispiels jeweils ein Thema erörtert werden, das als spezifisch für die Moderne bzw. die moderne Kunst angesehen werden kann, wie z.B. die öffentliche Kunstausstellung, Abstraktion, Materialität, die neuen Medien, die Globalisierung oder die künstlerische Auseinandersetzung mit Krieg und Holocaust.“
Den Hörsaal musste ich erst suchen, den kannte ich noch nicht, ich wusste nicht mal, dass der Schweinchenbau Vorlesungssäle hatte. Wie bereits dutzende Male vorher freute ich mich über den Online-Raumfinder und war auch sofort am richtigen Ort, wo ich allerdings nölig feststellte, dass die üblichen Klappstühle ziemlich unbequem waren. Aus der Einführungssitzung nahm ich ein paar Literaturtipps mit und den für mich neuen Hinweis darauf, dass sich die Bildformate in der Moderne änderten. Wo vorher (also ungefähr vor der Französischen Revolution, damit fangen wir an) der Adel und die Kirche die größten Auftraggeber für Künstler*innen gewesen waren, die auch entsprechend Platz für riesige Bilder hatten, leisteten sich nun auch Bürger*innen Kunst, die aber deutlich geringere Flächen bespielen konnten. Dementsprechend wurde nun viel kleinformatiger gemalt. Der Dozent wies auf den bestverdienendsten Maler des 19. Jahrhunderts hin – „quasi der damalige Gerhard Richter“ –, von dem ich noch nie gehört hatte, Ernest Meissonier, der sich genau auf solche Formate spezialisiert hatte und nun historische Begebenheiten, die eigentlich riesengroß gemalt wurden, im Wohnzimmerformat anbot.
Der Dozent wies auch darauf hin, dass seine Vorlesung eine Einführungsvorlesung sei, höhrere Semester würden das vermutlich alles schon kennen, aber da er ein Fachmann für das Frankreich des 19. Jahrhunderts ist, von dem ich vor Cézanne im Prinzip überhaupt keine Ahnung habe, werde ich vermutlich trotzdem wiederkommen. (Den gestern erwähnten Kostümstreit kannte ich zum Beispiel noch nicht. Zack, schon wieder was gelernt. Toll.) Wenigstens die Sitzung zu Kriegsdenkmälern will ich sehen, denn genau darüber habe ich im Zuge der Masterarbeit einiges gelesen, von dem quasi nichts in der Arbeit gelandet ist, weil es nicht passte. Aber ich fand es sehr interessant zu lernen, wie Kriegstoten nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gedacht wurde – vor allem, weil einige Opfer auch Täter waren. Die Diskussion führen wir heute noch: Wie gedenkt man Wehrmachtsangehörigen?
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Nach der Uni war ich sehr hungrig und warf mir einen Salat zusammen, den ich mit frisch gekauften Butterbrezn genoss. Dabei freute ich mich schon wieder (ich freute mich gestern quasi den ganzen Tag über irgendwas), denn ich durfte feststellen, dass Gemüse in meinem neuen Kühlschrank wirklich deutlich länger frisch bleibt als in meinem alten. Ein guter Kauf!
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Der Nachmittag war dann wieder Schreibtischzeit. Im Kopf vermisste ich eine Art Warentrenner für meine ganzen Tätigkeiten – das Mittagessen hatte nicht ganz gereicht, mein Uni-Hoch zu verscheuchen, aber ich musste mich jetzt einbremsen und wieder brav Dinge texten, die anderen gefallen sollen und nicht mir.
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Abends mit Nutellabrot auf der Couch rumgelungert und die FAZ der letzten Woche teilnachgelesen. Den Politikteil hatte ich jeden Tag geschafft, das Feuilleton wurde jetzt nachgeholt, die Wirtschaft überflogen, Finanzen und Sport kamen gleich ins Altpapier.
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“Massiv geschlampt”: CSU will Landtagswahl teilweise neu auszählen lassen
Der Artikel zeigt ganz gut auf, warum auch meine Wahlnacht deutlich länger war als sie hätte sein müssen.
„Am Donnerstag hatte [der Münchner Stimmkreisleiter und Kreisverwaltungsreferent Thomas] Böhle, nachdem sein Haus zuvor tagelang abgewiegelt hatte, in der Süddeutschen Zeitung eingeräumt, dass es in 40 bis 50 Wahllokalen zu Pannen bei der Übertragung gekommen sei. Deshalb habe die Stadt die fehlenden Daten einzelner Wahllokale geschätzt, und zwar auf Basis der Landtagswahl 2013 und mathematischer Hochrechnungen.
Diese Zahlen gingen in die Schnellmeldungen für das vorläufige Endergebnis ein. Für die entscheidenden amtlichen Zahlen habe man die Schätzungen durch die tatsächlichen Zahlen ersetzt. Das sei auch schon bei anderen Wahlen vorgekommen. Da die Grünen diesmal aber ein außerordentlich gutes Ergebnis erzielten, lagen die Schätzungen ziemlich weit daneben. Das Gesamtergebnis in München veränderte sich um bis zu einen Prozentpunkt nach unten und oben, einzelne Kandidaten verloren oder gewannen mehrere hundert Stimmen.“
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Küchen an die Front! Wie der Lieferessen-Boom die Gastronomie verändert
HolyEats schaut sich an, wie Lieferservices nicht nur Lokale, sondern auch das Stadtbild verändern.
„Bei vielen unabhängigen Gastronomen gehört eine solche Anpassung der Abläufe im Restaurant an die Bedürfnisse zwei grundlegend verschiedener Zielgruppen (Gäste bzw. Kunden) bislang eher zu den Ausnahmen. In der Systemgastronomie etabliert sie sich dagegen in rasantem Tempo als neuer Standard. Um Online-Bestellungen noch effizienter abwickeln zu können hat die amerikanische Mexican-Grill-Kette Chipotle schon vor längerer Zeit so genannte „second make lines“ in ihren Schnellrestaurants getestet – separate Küchenplätze, an denen ausschließlich Bestellungen zubereitet werden, die für Abholung und Lieferung bestimmt sind. Das hat so gut geklappt, dass die Zubereitungsseparées inzwischen in allen Restaurants installiert sind, die dafür Platz bieten.
Auf Bildschirmen über den Küchenplätzen werden die eingehenden Bestellungen automatisch nach ihrer Zubereitungsreihenfolge geordnet. Damit lässt sich auch genau timen, wann die von Kunden per App vorbestellten Essen in die Abholregale („pick-up shelves“) eingestellt werden können, die Chipotle u.a. in New York City in einigen Restaurants testet.
Die deutsche Schnellnudelkette Vapiano ist noch ein Stück konsequenter und baut in ihre Restaurants inzwischen eigene „Take Away“-Schalter ein. Die sind (nicht immer, aber in der Regel) vom klassischen Restaurant getrennt und verfügen über einen separaten Eingang, an den Selbstabholer und Lieferkuriere gelotst werden können – was vor allem zu Stoßzeiten eine deutliche Entlastung des ohnehin schon wuseligen Restaurantbetriebs bedeutet. Wie bei Chipotle werden die Gerichte dort an separaten Kochstationen zubereitet. Sozusagen Showkochen für Lieferando und Foodora.“
(via @Supermarktblog)