Was schön war, Freitag, 23. November 2018 – Ungeplantes
Ich ließ mich um 7 vom Wecker wecken, um bloß nicht zu spät zu einem Termin zu kommen, anstatt wie in den letzten Tagen luxuriös einfach irgendwann zwischen 7 und 8 von alleine aufzuwachen. Der morgendliche Flat White war in Teilen hervorragend (Espressobohnen aus dem Wiener Caffé Couture) und in Teilen scheiße (Milch blieb auch nach liebevollstem Schäumen Milch und ließ sich nicht mal zu Fluff überreden). Ich korrigierte den am Abend vorformulierten Blogeintrag und war sehr damit zufrieden. Dann packte ich Exil von Feuchtwanger in meinen Rucksack, in dem ich gestern früh auf Seite 530 von 850 war. Ich bin jetzt in der Ecke des Buchs angekommen, bei der ich sehr deutlich ahne, dass, wenn ich jetzt aufhöre zu lesen, niemandem mehr noch Schlimmeres passiert als bisher passiert ist. Das ist wie mit der West Side Story – wenn ich 20 Minuten vor Schluss aufhöre zu schauen, muss niemand sterben und alles geht gut aus. Logisch.
Diese innere Milchmädchenrechnung erinnert mich immer an meinen Gesangsunterricht. Wenn ich wieder vor Rührung über Liedmelodie oder -text heulend am Notenständer stand und sich meinen Lehrerin freute, dass ich einen so tollen, unmittelbaren Zugang zu meinen Emotionen hätte und ich innerlich nur „FUCK THAT SHIT, ICH KOMME NIE DURCH CHRISTINA AGUILERAS BEAUTIFUL“ wimmerte.
Exil eingepackt und zur U-Bahn gegangen, weil ich zu einem Termin wollte. Schon an meiner Haltestelle zog ich das Buch wieder aus dem Rucksack, las drei Stationen, wartete an der nächsten Haltestelle, las, fuhr drei Stationen, las noch ein bisschen, weil ich zu früh war, und packte das Buch wieder ein, um die letzte Strecke zu Fuß zu gehen. Als ich dann vier Minuten vor der vereinbarten Zeit ankam, stellten meine Gesprächspartnerin und ich fest, dass wir uns verschiedene Uhrzeiten aufgeschrieben hatten. Ich bot an, noch einen Kaffee trinken zu gehen und in einer Stunde wiederzukommen, was gerne angenommen wurde.
So bummelte ich durchs Lehel, wo ich eigentlich nie bin außer wenn ich mir in der Versicherungskammer Ausstellungen anschauen möchte. Ich schlenderte über den St.-Anna-Platz – und blieb grinsend stehen, weil ich an einer Hauswand eine Gedenktafel entdeckte, ausgerechnet für Lion Feuchtwanger, der in einem dort stehenden Haus seine Kindheit verlebt hatte. Das fühlte sich seltsam an, aber auch sehr schön.
(Beim Googeln für diesen Blogeintrag die Wikipedia-Liste für Gedenktafeln in München gefunden.)
Foto gemacht, halbwegs entzerrt – die Tafel hängt recht weit oben –, instagramt, wie sich das halt gehört, dann in ein Café gesetzt, um einen sehr guten Milchkaffee zu genießen und, natürlich, Feuchtwanger zu lesen.
Mit warmem Kaffeebauch und äußerst entspannt ging ich dann wieder zum Termin, der ebenfalls sehr entspannt verlief.
Den Nachmittag verbrachte ich damit, innerlich die DHL-Hotline anzuschreien, Dinge zu kündigen und andere in Angriff zu nehmen. Und dann las ich weiter Exil und fand meine schlimmsten Ahnungen bestätigt, bis es endlich Abend war und ich F. mal wieder zu Gesicht bekam. Wusste schon gar nicht mehr, wie der Mann aussieht.
Zwei Gin Tonics, gemeinsam eingeschlafen.