Tagebuch Sonntag, 9. Dezember 2018 – Vormittags-, Mittags-, Nachmittagsschlaf
Den Morgen vergammelten wir gemeinsam im Bett, bis F. leider los musste. Ich räumte den Rest der Samstagabendfeier auf oder weg, spülte ein paar Gläser nach, die dem Geschirrspüler anscheinend zu anstrengend gewesen waren, schüttelte die Tischdecke auf dem Balkon aus und machte aus dem Esszimmer wieder ein Arbeitszimmer.
Dann nahm ich mir vor, auf dem Sofa zu lesen, nickte aber quasi weg, sobald mein Hintern eine weiche Unterlage hatte. Nachmittags arbeitete ich ein bisschen, genoss den kleinen Rest der Kürbissuppe von vorgestern und dachte, dann geh ich halt jetzt lesen – und schlief wieder ein. Abends wollte ich dann die Salatreste verputzen, die noch ohne Dressing rumstanden. Dazu wollte ich mir wieder eine Mayonnaise anrühren, denn das hatte ich ja jetzt perfekt drauf.
Nachdem ich vor ein paar Tagen triumphierend von meiner ersten selbstgerührten Majo nach Samin Nosrat schrieb, https://t.co/tqBR9K6ofk, kann ich nun berichten, dass auch ihr Tipp für geronnene Majo super funktioniert. Ähem. pic.twitter.com/6L2nkomYbm
— Anke Gröner (@ankegroener) 9. Dezember 2018
Etwas später als gedacht, aber mit totalem Lerneffekt, genoss ich dann mal wieder Caesar Salad. Zum Lesen hatte ich jetzt keine Lust mehr, also gammelte ich vor Amazon Primes Videoladen rum und ging zeitig ins Bett, wo ich noch anderthalb Seiten schaffte, bevor mir die Augen zufielen.
Aber jetzt kann ich endlich ein Zitat aus dem zweiten Kapitel meiner derzeitigen Lektüre anbringen, über das ich seit Tagen grinse, weil es so spezifisch ist: „Als junger Wissenschaftler hatte [Sigmund] Freud sich ganz der experimentellen, empirischen Arbeit gewidmet. Sein Spezialgebiet waren die Hoden von Aalen.“
(Aus: Philipp Blom: Der taumelnde Kontinent: Europa 1900–1914, München 2009, S. 74.)
—
Es war noch nie so aufregend, einfach und billig, einen Einstieg in die klassische Musik zu finden
Gabriel Yoran schreibt darüber, wie er als Kind nölig den Klavierunterricht aufgegeben hat und sich als Erwachsener nun Klassik per Streaming neu erschließt. Das ganze ist eine Serie bei den Krautreportern, dieser Artikel ist (heute noch?) kostenlos zum Anfixen lesbar. Hat bei mir funktioniert, ich habe mir mal einen Probemonat gegönnt.
„Ist Klassik nicht das, was einem schon als Kind im Musikunterricht ausgetrieben wird? Peter und der Wolf, Peter und der Wolf, noch ein Peter, noch ein Wolf. Klassik ist auf jeden Fall das, wo man nicht weiß, ob man klatschen darf oder nicht. Klassikkonzerte sind schweineteuer, und die Musik ist völlig überholt. Außerdem hab ich keine passenden Klamotten. Und dies sind nur einige wenige der Ressentiments, auf die ich gestoßen bin, als ich mich für diesen Beitrag umgehört habe.
Die Klassikszene ist nicht ganz unschuldig an dieser Wahrnehmung, aber elitäres Gehabe ist kein Spezialproblem der Klassik. Frag mal jemanden, der sich damit auskennt, ob dies oder das noch Hip-Hop ist oder schon Pop, der wird dir auch was erzählen. Die Grenzen zwischen den Genres werden überall streng bewacht. Das Kennergehabe ist im Techno mindestens so schlimm wie in der Klassik, und die Türpolitik ist im Berghain strenger als in der Philharmonie.
Dennoch ist die Klassik kein Breitensport. Klassikhörer haben höhere Bildungsabschlüsse und verdienen im Schnitt mehr als der Durchschnitt. Der Zusammenhang ist relativ klar: Klassik hören kostet Zeit. Man kann es schlecht nebenher machen, zumindest nicht so richtig. Wer also kaum Freizeit hat, weil Arbeit und Familie einen voll in Anspruch nehmen, wer also keine Muße aufbringen kann, für den wird es schwer mit der Klassik.“
Im zweiten Teil seiner Serie (hinter der Paywall, glaube ich) hört Yoran dann auf mit der Theorie und verlinkt einen Zweiminüter von Chopin, den man sich bitte zweimal anhören soll. Warum, erklärt er auch:
„Denn wenn du einen etwas anderen Weg in die klassische Musik suchst, gibt es mehr Angebote denn je, zum Beispiel die Veranstaltungen professioneller Musikvermittler wie Arno Lücker. Lücker moderierte acht Jahre lang die Reihe „Zwei mal hören“ am Konzerthaus Berlin. Dort werden Stücke zwei Mal gespielt und dazwischen eine knappe halbe Stunde darüber gesprochen. Lücker sagt, man sieht dem Publikum die gesteigerte Intensität beim zweiten Mal Anhören förmlich an. Und genau darum geht es: die Intensität des Zuhörens zu vergrößern.“
Das war ein ganzer Sack voll Groschen, die bei mir gefallen sind. Klar kenne ich auch genug klassische Stücke, die ich mehrfach gehört habe und immer wieder höre, hauptsächlich Opern, jahrelang Wagner, inzwischen düfte Puccinis Turandot mein meistgehörtes Stück sein, vor allem der erste Akt mit seinen fetten Chören und der schönsten Arie aller Zeiten (das hier ist die Aufnahme, die in meinem iTunes-Ordner liegt). Aber auf die Idee, neue Stücke mehrfach zu hören, komme ich selten. Ganz schön doof, denn ich weiß aus der Malerei natürlich, dass sich ein Werk einem immer mehr öffnet oder sich erschließt, wenn man mehrfach draufguckt. Ich bin gespannt auf Yorans weitere Vorschläge.