Was schön war, Sonntag, 13. Januar 2019 – Kulturtag
Klingt beknackt, weil ich ja des Öfteren Musik höre und lese, aber gestern war das mal eine bewusste Entschleunigung – und auch eine bewusste Entscheidung dafür, endlich mal keine Serienfolge zu gucken, die mir allmählich doch mehr Lebenszeit klauen als nötig. Das sollen sie zwar, sie sind ja dafür da, um mir die Zeit zu vertreiben, aber manchmal möchte ich dann doch lieber etwas Neues selbst erleben oder erfahren oder mir erlesen, als mich berieseln zu lassen, auch wenn letzteres bequemer ist.
—
Morgens lag leider niemand neben mir, mit dem man in den Sonntag hätte reingammeln können. Daher saß ich am Schreibtisch und guckte, was man so tun könne mit der Zeit. Plan Y war, mal wieder in die Kirche zu gehen, was ich hier selten schaffe, weil die Gottesdienste in meiner Kirche ernsthaft erst um 11 Uhr anfangen. Da esse ich doch schon zu Mittag! Das ist so eine dusselige Zeit, die den ganzen Vormittag zerreißt. Meinen jedenfalls. Also: Was hat München denn vielleicht als Alternative? Schnell man den Veranstaltungskalender angeklickt.
Gleich der erste Eintrag, der etwas mit Musik zu tun hatte, war ein Volltreffer: ein Kammerkonzert am Gärtnerplatztheater um 11 (scheint eine beliebte Zeit zu sein). Warum Volltreffer? Weil neben einer Serenade von Ernst von Dohnányi und einem Klavierquartett von Dvořák ein Sextett für Flöte, Oboe, Klarinette, zwei Fagotte und Klavier gegeben wurde. Das sind zwar bis auf das Klavier alles Instrumente, die mir egal sind, aber es war von Bohuslav Martinů, dem ich ja neuerdings völlig verfallen bin.
Online sah ich, dass noch drei Tickets für die kleine Veranstaltung verfügbar waren; das Konzert fand nicht im großen Haus statt, sondern im Foyer in einem der Ränge, es schienen so um die 100 Plätze vorhanden zu sein. Einen davon klickte ich jetzt frohgemut an und wollte mich neu anmelden, als mir das System sagte, ich sei schon angemeldet. Da ich mein Passwort nicht wusste und ich damals bei der Anmeldung garantiert noch keine Passwortverwaltung benutzt hatte (wie jetzt brav seit Längerem, ich empfehle LastPass), bat ich um die Zusendung desselben, ahnte aber schon, dass das ewig dauern würde, da ist mein Server recht zickig.
Ich kleines Clevere öffnete also einen neuen Browser und wollte mich mit meiner Wegwerf-Mailadresse anmelden, aber während ich das tat, meldete das System, dass die Veranstaltung jetzt ausverkauft sei. Waaahh! Mein Martinů!
Nölig klickte ich wieder in den Veranstaltungskalender und fand einen schönen Plan B: Schubert im Herkulessaal der Residenz mit den Münchner Symphonikern, auch um 11. Der Saal ließ sich zwar online überhaupt nicht anklicken, aber ich war mir sicher, dass er mit seiner Größe nicht ausverkauft sein werde. Ich quengelte F. per DM voll, woraufhin der Mann meinte, sein Mütterchen ginge auch oft alleine und spontan in Konzerte und wäre noch nie draußen geblieben – eine Karte gebe es immer.
Und so stand ich um kurz nach 10, als die Tageskasse öffnete, am Gärtnerplatz und fragte, ob es vielleicht noch ein Kärtchen gäbe. Gab es. Angeblich die allerletzte. Sorry, Symphoniker! Nächstes Mal.
Ich habe es sehr genossen, recht spontan Musik zu hören – und zu sehen. Mir ist erst bei dieser Veranstaltung mal wieder aufgefallen, woher der Name Kammerkonzert kommt – oder wie wir modern crazy people heute sagen: Wohnzimmerkonzert. Man spielt eben nicht vor 800 Leuten in einem Saal, sondern vor weitaus weniger Menschen in einer intimeren Atmosphäre. Es fühlte sich fast privat an, wir paar Hanseln und die zunächst nur drei Musiker*innen auf der Bühne. Das war schlicht schön, und ich habe mich zwei Stunden lang einfach darüber gefreut, dass ich noch eine Karte bekommen hatte, meinen musikalischen Horizont erweitern konnte und mich begabte Menschen an ihrem Talent teilhaben lassen (für entspannte 18 Euro).
Der von Dohnányi gefiel mir sehr gut; falls ihr keine Zeit für die ganze Serenade habt, hört mal in den 2. Satz sein, das ist sehr lauschig (ab 2:09), oder den 3., der ist äußerst unterhaltsam (ab 5:34). Den Martinů hören wir uns natürlich alle komplett an, der dauert ja bloß 20 Minuten. Der Dvořák war dann ein schöner Rausschmeißer, wenn er mir auch fast ein wenig zu konventionell klang nach dem bluesigen Sextett (schon klar, früher komponiert, jaja).
—
Zuhause klickte ich einfach mal wieder wild bei Spotify auf Martinů und fand ein weiteres, gerade gut 20 Minuten langes Stück, was ich den Tag und Abend über noch mehrfach hörte, weil es mir so gut gefiel: sein Rhapsody Concerto für Bratsche und Orchester von 1952.
—
Ansonsten las ich die FAZ von Freitag und Samstag, rührte mal wieder eine Knoblauchmajo an, um Brot in sie zu stippen bzw. um sie über Romanasalat zu schütten, bereitete Kaffee in der French Press zu und zerdengelte sie mir beim Abwaschen, weswegen ich heute morgen den guten alten Porzellanfilter rausholte, um am Schreibtisch bei der Arbeit versorgt zu sein; das längere Kaffeetrinken gestern statt Tee hatte mir gut gefallen. In diesem Zusammenhang: ein Hoch auf Thermoskannen!
Außerdem las ich weiter in Stefan Zweigs Welt von gestern und freute mich unter anderem darüber, wie er Rilke beim Kofferpacken beschrieb.
—
Ruhiger Tag. Schöner Tag. Hervorragend geschlafen.