Verschwende deine Jugend

Verschwende deine Jugend
(D, 2003)

Darsteller: Tom Schilling, Robert Stadlober, Jessica Schwarz, Marlon Kittel, Dieter Landuris, Christian Ulmen
Kamera: David Schultz
Musik: Lee Buddah
Drehbuch: Kathrin Richter & Ralf Hertwig
Regie: Benjamin Quabeck

Verschwende deine Jugend spielt 1980 und versucht, den Anfängen der Neuen Deutschen Welle nachzuspüren. Also den Anfängen mit DAF und nicht dem Kinderkram mit UKW oder Hubert Kah. Es geht um die Nachwuchsband Apollo Schwabing, deren „Manager“ Harry Pritzel (Tom Schilling) eigentlich Bankazubi ist, der aber alles daran setzt, die Jungs als Vorgruppe von DAF in den Zirkus Krone zu kriegen. Und das ist im Prinzip schon der ganze Film.

Die Story selber ist nicht sonderlich aufregend oder überraschend, die Darsteller dagegen recht ordentlich, die Dialoge sind nett, tun aber auch niemandem weh, und der Ausstattung merkt man an, wieviele Menschen in meinem Alter hinter den Kulissen rumgewuselt haben: alles da von Zauberwürfel bis Senso, von Computerspielen bis zu fiesen LP-Covern, von spitzen Schuhen bis zur grellen Neon-Bar-Beleuchtung. Ich hab mich nicht gelangweilt, ich fand’s aber auch nicht umwerfend.

Was mir trotzdem an dem Film gefallen hat, war das Gefühl, mit dem ich aus dem Kino kam: das Gefühl, noch einmal diese wunderbare Naivität genossen zu haben, mit der scheinbar alle damals durch die Gegend gerannt sind. Und mit „damals“ meine ich nicht unbedingt die Zeit der 80er, sondern die Zeit, in der jeder für sich jung war. Die Zeit, in der man das Gefühl hatte, unsterblich zu sein und in der jeder Augenblick der beste war, den man je hatte. Wo man nie weiter als bis übermorgen gedacht hat, wo man mit absoluter Gewissheit sagen konnte, dass man immer nur das machen würde, was man wollte und wo das Wort „Konsequenzen“ irgendwas war, was man im Lexikon nachschlagen musste. Die Zeit, in der die richtige Musik wichtiger war als die große Weltpolitik. Eben die Zeit, in der wir alle sehr, sehr seltsame Prioritäten hatten – und das in der vollen Überzeugung, die einzigen zu sein, die eben diese Prioritäten kennen. Das gab uns dieses einzigartige Gefühl der Überlegenheit der Jugend; die Überlegenheit gegenüber den Erwachsenen, die anscheinend nicht mehr wussten, was wichtig ist.

Am Ende des Films muss sich Harry eingestehen, dass so ziemlich alle seine Pläne grandios in die Hose gegangen sind. Und trotzdem spricht er davon, dass ihn das nicht einmal störe, denn das sei eben die Quittung für das Geilste, was er je gemacht habe.

Was ist, bitteschön, so geil daran, eine Menge Kohle in den Sand zu setzen? Was ist an einer Niederlage so geil? Was?

Ganz einfach: das Gefühl, etwas erlebt zu haben. Das Gefühl, einen Unterschied gemacht zu haben. Ich war da. Ihr habt es alle gesehen. Okay, ich bin gescheitert. Aber ich hab’s versucht. Das war es wert. Und jetzt mach ich das nächste große Ding.

Verschwende deine Jugend versteht es, einen auf eine ganz widerliche Art sentimental zu machen. Man will gar nicht die ganzen seltsamen Klamotten und Frisuren wiederhaben. Aber auf einmal will man dieses Gefühl wiederhaben, dieses: Ich will auch noch mal den Wunsch verspüren, einen Unterschied zu machen. Ich will mich wieder nach völlig irrationalen Dingen sehnen wie der nächsten Platte einer obskuren Band anstatt nach der nächsten geregelten Gehaltsüberweisung. Ich will auch wieder Dinge tun, ohne darüber nachdenken zu müssen, welche Konsequenzen sie haben. Ich will mir wieder zugestehen, völligen Blödsinn im Brustton der Überzeugung von mir zu geben. Und vielleicht will ich auch einfach nur wieder das Gefühl haben, mein Leben sei unendlich und alle Türen stünden mir offen.

Ich sag’s ja: widerlich. Aber irgendwie auch schön. Also los. Ins Kino gehen. Ein bisschen Jugend (oder Alter) verschwenden. Den Mussolini tanzen. Passt schon.

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