Tagebuch Freitag bis Sonntag, 15. bis 17. Februar 2019 – 2:3, Kunst, Blümchen und langes Wachbleiben

Am Freitag war Bundesliga: Um 20.30 Uhr begann das Spiel vom FC Augsburg gegen Bayern München, was erstens bedeutete, dass wir abends statt gemütlich nachmittags in einen Regionalzug klettern mussten, der zweitens voller Bayernfans war. Die meisten waren zwar schon früher angereist, aber auch um 18 Uhr waren noch genug unterwegs und mischten sich mit den gewöhnlichen Pendler*innen, die sich zu ihrem Feierabend vermutlich auch was Netteres vorstellen können als einen recht vollen Zug. Bundesliga abends ist zum Kotzen, auch in der eigenen Stadt. Trotzdem ist es für mich jedesmal wieder überraschend zu merken, dass ich für ein Spiel in Augsburg insgesamt immer ungefähr sechs Stunden unterwegs bin anstatt mal eben in 20 Minuten zur Allianz Arena rauszufahren.

Augsburg hatte im DFB-Pokal mit mehr Glück als Verstand mit 1:0 gegen Kiel gewonnen und war letzten Sonntag in Bremen brutal mit 0:4 untergegangen, daher hätte ich mir eigentlich mehr Sorgen machen müssen, aber ich fuhr mit einem eigentümlich guten Gefühl in die Fuggerstadt. F. war schon zwei Stunden vor dem Spiel in konzentriertem Fanmodus, das heißt, er war nicht mehr so recht ansprechbar, was okay ist, denn ich hatte ja ein Buch dabei, wie sich’s gehört.

Der Weg zum Stadion war okay, ich keuchte weniger als erwartet, meine Erkältung fühlte sich eigentlich durch an, aber ich ging trotzdem brav langsam, um mich nicht zu überanstrengen. Ich hatte auch ebenso brav wieder vier Lagen an, Decke, Mütze und Handschuhe dabei, um bloß nicht zu frieren, und das war auch alles richtig so.

Am Einlass musste ich mich wieder über die sinnlose Schikane am Fraueneinlass ärgern. Seit ein paar Spielen gibt es ernsthaft zwei Schlangen für Frauen mit Handtaschen, während nebenan sechs (?) Einlässe frei sind für diejenigen, die keine Tasche dabei haben. Ich hatte zwar keine Handtasche dabei, sondern nur eine Stofftasche, in der sich eine Decke befand, war aber letztes Mal schon in die andere Schlange geschickt worden und wollte dieses Mal nicht mehr diskutieren. Es regnete netterweise auch nicht und so war ich nur halb pissig und nicht komplett verärgert in der langen Schlange, die sich immer mehr hinzog, weil halt viele Frauen Taschen dabeihaben, während nebenan sechs (?) Einlässe leer waren, durch die alle 30 Sekunden mal eine Dame huschte, während die Abtasterinnen sonst nichts zu tun hatten, uns aber natürlich auch nicht rüberwinkten, es muss ja alles seine Ordnung haben.

Ich werde wohl eine nölige Mail an den Verein schreiben. Wenn Klamottenhersteller es irgendwann hinkriegen, Taschen an Frauenkleidung so groß zu dimensionieren, dass mehr reinpasst als ein Tampon oder generell Frauenkleidung mit so vielen Taschen auszustatten wie Herrenzeug, so dass man theoretisch genug Platz hat, alles unterzubringen, dann bräuchten wir vielleicht auch keine verdammten Handtaschen mehr, die natürlich einen Augenblick länger zu kontrollieren dauern als das relativ sinnlose Rumpatschen auf unseren Klamotten. Gerade jetzt mit der dicken Winterjacke hätte ich vermutlich ein Kilo Pyro ins Stadion gekriegt, wenn ich es drauf angelegt hätte.

Bei den Herren gibt es übrigens keine Extraschlangen. F. hatte auch eine Stofftasche dabei, die anscheinend keinen gesonderten Einlass benötigte.

(Herrgott, ich ärgere mich beim Aufschreiben schon wieder. Was für ein Quatsch.)

Dafür musste ich mich danach nicht mehr ärgern. Augsburg trat mit einer totalen Rumpfmannschaft an, weil wieder die Hälfte der Jungs verletzt war, und so erwartete man vor allem nach den letzten Ergebnissen eigentlich nicht viel, aber das Spiel begann in der 13. Sekunde mit einem Eigentor der Bayern, zwischendurch führte Augsburg sogar mal mit 2:1, und generell war wieder die alte Biestigkeit der Mannschaft zurück, auf alles draufzugehen, was sich bewegt (weswegen Augsburg auch als Kloppertruppe verschrien ist. Total zu Unrecht *hust*). Das Spiel endete 2:3, was völlig in Ordnung ging, es war sehr gut anzusehen, ich hielt entweder die Luft an (und musste dann husten) oder brüllte mit der Fankurve mit, weswegen ich nach dem Spiel etwas heiser war.

Netterweise wurden F. und ich dieses Mal nach München zurückchauffiert; einer unserer Bayernfan-Bekannten war mit seinem Sohn im Stadion und nahm uns im Auto mit. Das ging ein bisschen schneller als mit der Bahn, denn nachts fahren nicht mehr so viele Regionalzüge wie nach Nachmittagsspielen, weswegen wir immerhin um halb eins und nicht erst um eins wieder zuhause waren.

(Bundesliga abends ist zum Kotzen.)

Samstag morgen wäre ich gerne einfach im Bett geblieben, denn ein bisschen matschig war ich doch. Aber F. hatte sich netterweise bereit erklärt, mir mal wieder eine Lampe anzudübeln und so räumte ich die Küche um, holte Leiter und Staubsauger aus dem Wandschrank, F. dübelte, ich saugte, und weil wir ja inzwischen die Scheißigkeit der Ikea-Lüsterklemmen kennen, ging das alles sehr schnell. Ich habe jetzt LICHT in meiner Küche und nicht mehr nur Licht.

Ich döste ein wenig rum, bis ich mich wieder auf den Weg machen musste, denn wir waren um 14 Uhr in der Sammlung Goetz angemeldet. Der Eintritt dort ist frei, man muss sich aber vorher auf eine bestimmte Uhrzeit festlegen. F. und ich schauten uns den dritten Teil der Generations-Ausstellung an, über den ersten und den zweiten hatten wir im Podcast gesprochen. Im Nachhinein ärgerten wir uns doch ein wenig, dass wir den dritten Teil nicht ausgewählt hatten, denn es waren – natürlich – wieder spannende Positionen zu sehen.

Mir persönlich gefiel eine Arbeit von Lecia Dole-Recio am besten, eine unbetitelte, sehr großformatige Collage von 2005, die für mich so aussah wie eine Landkarte eines Planeten, den ich nicht kannte. Ich stand sehr lange vor dem Werk und verlor mich immer mehr in seinen Spuren.

Ebenfalls ewig saß ich vor einer Videoarbeit von Sam Taylor-Johnson, die in einem Raum angesiedelt war, in dem nur Stillleben hingen: ein circa vierminütiges Video zeigt eine Schale Obst, die im Zeitraffer verrottet. Eine sehr simple, aber sehr effektive Auseinandersetzung mit einem klassischen Sujet der Kunst. Auf YouTube gibt es ein paar Videos davon, die aber beschnitten sind (vor dem Obstkorb liegt noch ein Plastikkugelschreiber, der sich null verändert, während hinter ihm eine Zivilisation von Fliegen entsteht) und unter die ein widerlicher Klavierscore gelegt wurde.

Ich kann mich außerdem nun als Geta-Brătescu-Fangirl bezeichnen; die Dame war mir schon in der ersten Ausstellung aufgefallen und alles, was nun hier von ihr hing, gefiel mir auch.

Auch der Rest war sehr sehenswert. Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. April, bitte einfach mal durchgehen.

Als Abschluss gingen F. und noch zur Galerie Thomas, in der gerade Werke von Günter Haese ausgestellt waren, den wir im letzten Jahr im Sprengel-Museum Hannover entdeckt hatten. Ein Werk mochte ich besonders, das mich an die Hamburger Hafenkräne erinnerte; an ihm klebte schon ein roter Punkt für „verkauft“, was mich total entsetzte. Noch mehr entsetzte mich dann die Preisliste, woraufhin ich sinnlos quengelte, dass ich mir das nicht leisten könne und warum das so teuer sei, woraufhin F. schlau meinte: „Damit du dich nicht ärgerst, dass dein Lieblingswerk schon verkauft ist.“

(FÃœNFUNDSIEBZIGTAUSEND?)

Den Rest des Abends verbrachte ich damit, meinen Balkon auszumessen und mich dann entweder in den aus der Stadtbücherei geliehenen Pflanzenbüchern zu vergraben oder auf Gartencenter-Websites rumzusurfen, um mal zu gucken, wie die Auswahl an Balkonkästen so ist (an hübschen eher klein). Ich stellte außerdem interessiert fest, dass es schon farblich passende Sets für Anfängerinnen wie mich gibt und vorfreute mich aufs Einkaufen. (Nicht so sehr aufs Erdsäckeschleppen.) Und ich gab den ganzen Abend sinnlose Sätze wie „Es gibt ja echt viele schöne Blumen“ von mir.

Dann merkte ich aber langsam die olle Erkältung wieder in den Knochen, ging früh ins Bett und schlief ewig. Schadet ja nie. Auch den Sonntag verdöste ich mehr als dass ich etwas von ihm mitbekam, wechselte zwar morgens brav vom Bett aufs Sofa, nickte da aber dauernd weg, ging um 19 Uhr bereits wieder ins Bett, um dann um 22 Uhr wieder hellwach zu sein. Immerhin konnte ich so The Remains of the Day auslesen und mochte das Buch sehr. Will sofort den nächsten Ishiguro haben.

Aus dem Wikipedia-Artikel lernte ich den schönen Begriff des „unzuverlässigen Erzählers“. Das fand ich mit der Sprache am faszinierendsten am Buch: das Gefühl, dass dir jemand etwas erzählt – der Leser wird des Öfteren direkt angesprochen – und du weißt ganz genau, dass die „Wahrheit“, die dir hier vorgesetzt wird, weitaus mehr Schichten hat als die, die in Worten ausgedrückt wird.