Tagebuch Sonntag, 24. Februar 2019 – Coffee for fifty

Gegen fünf wach geworden, genau wie der Herr neben mir. Gemeinsam ein Stündchen gelesen, dann wieder eingeschlafen. Erst um halb zehn wieder wach gewesen, der Herr neben mir eine halbe Stunde früher. Noch einen Hauch rumgelungert, aber dann rief der Tag, der olle Schreihals.

Ein bisschen gearbeitet, weil ich mit dem Job am Freitag noch nicht so glücklich war. Jetzt schon.

Auf dem Weg vom Arbeitszimmer ins Bad und umgekehrt immer den Kopf zur Küchentür reingesteckt, um zu überprüfen, ob noch alles hübsch ist und wie sich das Licht verändert. Bin seit gestern abend der Meinung, da müsste noch ein drittes Bild neben die zwei. Ich hätte nie mit diesem visuellen Studium anfangen dürfen.

Am Samstag wurde Goodreads auf Twitter erwähnt, wo ich schon ewig nicht mehr war. Jetzt bin ich aber doch wieder neugierig geworden, mal sehen, wie lange das so bleibt.

In ein paar Wochen erwarte ich einige wenige Menschen zu einem kleinen Umtrunk, genauer gesagt, 25, eventuell 27. Das sind zehn bis fünfzehn mehr als ich erwartet hatte, weswegen ich seit einigen Tagen Dinge googele wie „Kochen für Partygäste“ und meine Mutter nach schlimmen Salatrezepten aus den 70ern frage, weil die garantiert schneller zusammenzubauen sind als Ottolenghi. Ich erinnere mich an einen Salat, obwohl ich ihn eigentlich nicht so nennen will, den ich als Kind immer gern gegessen habe; ich glaube, er bestand so gut wie vollständig aus Silberzwiebeln, Gürkchen, Fleischwurst und einer fiesen Barbecuesauce von Aldi. Ein echter Gaumenschmaus also. Der wird gnadenlos gemacht.

Ansonsten werde ich einfach meine zehn Lieblingsrezepte aus dem Blog verdreifachen und mir von allen Nachbarn im Haus Schüsseln leihen, damit das auch alles irgendwo reinpasst.

Gestern ging ich am Kochbuchregal entlang, wo mir ein altes Buch in die Hände fiel, das meine Mutter mal von einer amerikanischen Nachbarin geschenkt bekam, bevor diese Familie wieder in die USA zurückreiste. Es ist, soweit ich weiß, ein Klassiker der amerikanischen Kochbuchgeschichte: Fannie Farmers Boston Cooking School Cookbook. Es wurde 1896 zum ersten Mal aufgelegt, meine Ausgabe ist von 1978. Hier ein Nachruf auf die 1915 verstorbene Köchin aus der NYT.

Ich habe aus dem Buch noch nie etwas gekocht, aber öfter darin gelesen. Daher erinnerte ich mich, dass dort auch große Mengen verarbeitet wurden. Meine Lieblingsseite ist diese hier, wo man entspannt lernt, wie man 100 Leute verköstigt:

Das teile ich durch vier und dann kriegen alle meine Gäste einfach Fleisch mit Kartoffeln, Erbsen und Sahne, fertig. Apfelmus für die Vegetarier*innen.

Ich habe mir das Kapitel zu Kaffee noch einmal durchgelesen und festgestellt, dass es der ganzen Third-Wave-Aufmerksamkeit recht nahe kommt, zumindest was den Respekt vor dem Produkt und die Zubereitung angeht:

„Try different blends to learn which type you like best. Change once in a while, too. […] Buy fresh-roasted coffee in small quantities for the finest flavor. Buy it in the bean or ground according to the way you make it. Some shops sell excellent coffee at a very low price as a special feature, but inexpensive coffee is not always an economy since you may need to use more of it to make coffee as strong as you like it.“ (S. 32.)

Na gut, sie hat auch nichts gegen Instant-Kaffee, aber der Rat, ganze Bohnen zu kaufen und auf Sorten zu achten, hat mich doch überrascht. In meinem Kopf sind die 60er und 70er Jahre die Convenience-Jahre, wo bewusst verstärkt auf bequeme Produkte zurückgegriffen wurde.

Farmer gibt dann noch den Tipp, Kaffeezubereiter nicht mit Seife auszuwaschen, sondern mit Baking Soda „so there will be no trace of soap to spoil the fine coffee flavor. If the water in your area has a definite taste due to minerals in it, you may prefer to use bottled spring water.“ (S. 32.) Auch ein Tipp, den ich eher ins Zeitalter von Evian und Contrex verortet hätte. Für das Aufgießen möchte sie aber kochendes Wasser, was bei alles Kaffeefans Entsetzensschreie hervorrufen wird; beim Deutschen Kaffeeverband übrigens auch.

Was ich dann auch lustig fand: ihr Rezept für Coffee for fifty. Ich habe das Buch mal bewusst auf mein Notizbuch gelegt, das auf einem weißen Tisch liegt. Es ist halt alt.

Wenn man das Aufkochen am Ende ignoriert, hat man hier ein wunderbares Rezept für Cold Brew, mein sommerliches Lieblingsgetränk. So hip, die Fannie!

Do Not Disturb: How I Ditched My Phone and Unbroke My Brain

Ja, schon wieder ein Artikel über Digital Detox, aber den hier fand ich bemerkenswert einsichtig und gleichzeitig in seinen Lösungsvorschlägen gut. Bis auf die Idee, das Smartphone nicht mehr im Schlafzimmer zu laden – wenn ich das nicht tue, muss ich mir ernsthaft wieder einen Wecker kaufen.

Ich mochte an dem Artikel auch, dass tech columnist Kevin Roose zwar sagt, dass er aus beruflichen Gründen dauernd zum Handy greift, ihm aber durchaus klar ist, dass es auch unterhaltende Gründe hat. Er formuliert das nach seinem halben Entzug so:

„Isn’t it my job to know when news happens? Won’t I be neglecting my duties if it takes me an extra hour to learn that Jeff Bezos is getting divorced, or another YouTuber did something racist? […]

I liked having a constant stream of news at my fingertips, and I wanted to do more of the things I actually like about social media, like keeping tabs on my friends’ babies and maintaining ambient Kardashian awareness.“

„Ambient Kardashian awareness“ brauche ich zwar nicht, aber ich mochte die Aussage, dass man auch kompletten Quatsch online anguckt, weil’s halt Spaß macht. Ich sehe mir gerne anderer Leute Inneneinrichtung an, folge vielen Museen, weil ich da Werke zu sehen bekomme, die ich sonst eher nicht sehe, und nein, es kann nie genug Katzenvideos im Internet geben.

Nochmal Roose mit einem Lösungsvorschlag für übermäßige Handynutzung, den er von der Catherine Price, Autorin des Buchs How to Break Up With Your Phone, erhielt und den ich seitdem im Hinterkopf habe (die Fragen, nicht das Gummiband):

„Catherine encouraged me to set up mental speed bumps so that I would be forced to think for a second before engaging with my phone. I put a rubber band around the device, for example, and changed my lock screen to one that showed three questions to ask myself every time I unlocked my phone: “What for? Why now? What else?”

For the rest of the week, I became acutely aware of the bizarre phone habits I’d developed. I noticed that I reach for my phone every time I brush my teeth or step outside the front door of my apartment building, and that, for some pathological reason, I always check my email during the three-second window between when I insert my credit card into a chip reader at a store and when the card is accepted.

Mostly, I became aware of how profoundly uncomfortable I am with stillness. For years, I’ve used my phone every time I’ve had a spare moment in an elevator or a boring meeting. I listen to podcasts and write emails on the subway. I watch YouTube videos while folding laundry. I even use an app to pretend to meditate.“

Und mir ist, genau wie Roose, klar, dass jeder Artikel über bewusst verringerte Handynutzung genauso nervt wie die Appelle, weniger Fleisch zu essen und mehr Öffis zu nutzen. Obwohl die gar nicht nerven sollten, weil es sinnvolle Vorschläge sind, aber die hören wie ja manchmal nicht so gerne.

„Sadly, there is no way to talk about the benefits of digital disconnection without sounding like a Goop subscriber or a neo-Luddite. Performative wellness is obnoxious, as is reflexive technophobia.“

Leseempfehlung.

Geheimnis der Bilder

Das ZDF kooperiert mit einigen Museen und zeigt Werke aus deren Sammlungen mit kurzen Erklärungen. Ich bin noch nicht ganz überzeugt, aber macht mal.

Hier ein kurzes Video zur Hamburger Kunsthalle, hier das Städel in Frankfurt, dessen wenige ausgewählte Werke auch schon online sind (immerhin ein Leibl dabei). Ich freue mich immer noch über die nun bunten Wände in der Kunsthalle. So viel besser als vor der Renovierung. #hach