Tagebuch Donnerstag, 28. Februar 2019 – Offiziöses Zeug
Nach der anstrengenden Nachricht abends war ich gestern vormittag froh, nichts auf dem Schreibtisch zu haben. In die Decke gemummelt und gelesen.
Nachmittags einen Notartermin gehabt, eine Unterschrift geleistet, mich vom Herrn komisches Zeug fragen lassen, wieder nach Hause gefahren. Mich im Nachhinein geärgert, nicht das Rad genommen zu haben bei 18 Grad. Hatte aber keine Lust auf Spaziergang.
Einen Brief im Kasten gehabt, der mich sehr erleichtert hat. Ohne jetzt ins Detail zu gehen: Ich durfte vor einiger Zeit einen charmanten Kriminaloberkommissar kennenlernen, bin jetzt aber doch sehr froh, ihn hoffentlich nie wiederzusehen. Praxistipp: Gebt einfach nie eure Postnummer für die Packstation an irgendwen raus und postet sie bitte nicht in euer Blog.
Das Treibhaus ausgelesen und für viersternewürdig befunden. Was ich bei Goodreads schrieb: Es ist sehr anstrengend, die Beschreibung der Frauenfiguren zu ertragen, die entweder Deko, Staffage, nervige Ehefrau oder nur Brüste und Arsch sind – bis auf die verstorbene Ehefrau der Hauptfigur, die immerhin auch nicht zur Heiligen gemacht wird. Das ist natürlich nicht der Hauptzweck des Buchs, Frauenbeschreiben, aber darüber bin ich halt dauernd gestolpert.
Das Treibhaus ist 1953 erschienen, die Hauptfigur ist Abgeordneter des noch jungen Bundestags, es geht um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, aber eigentlich geht es um die noch längst nicht bewältigte NS-Vergangenheit. Ich habe noch nicht viele Bücher gelesen, in denen es so stark spürbar war, dass der Verfasser beide Zeiten mitgemacht hat. Von der angeblichen Stunde Null ist hier nichts zu merken, und das fand ich für ein Buch aus den Fünfzigern schon sehr beachtlich.
Hier noch eine schöne Formulierung daraus.
Folgendes Zitat fand ich auch bemerkenswert, das tippe ich mal ab, das obenstehende hatte ich gestern für Instagram fotografiert:
„Sie kam aus Thüringen und war Mechanikerlehrling. Sie behauptete, Zeugnisse zu haben, daß sie Mechaniker sei und schon als Werkzeugmacher gearbeitet habe. Ihre Familie war mit Lena nach Berlin geflogen, und dann waren sie in den Bund geflogen worden und hatten lange in Lagern gelebt. Lena, der kleine Mechaniker, wollte seine Lehrzeit beenden, und dann wollte er als Werkzeugmacher viel Geld verdienen, und dann wollte er studieren und Ingenieur werden, wie man es ihm im Osten versprochen hatte, aber im Westen lachte man ihn aus und sagte ihm, die Drehbank sei nichts für Mädchen und das Studieren nichts für Arme.“ (S. 140)
Die maskuline Formulierung konterkariert so schön die Aussage, dass Lena hier in Bonn eben keine Ingenieurin werden kann. Fand ich spannend, dass die ungleichen Erwartungshaltungen an Frauen in West und Ost auch schon in den Fünfzigern bekannt waren; das ist mir erst bei der Lektüre des Trümmerfrauenbuchs klargeworden. Und ähnliches haben wir jetzt aktuell ja wieder mit dem Drecksparagrafen 219. In der DDR hatten Frauen es leichter abzutreiben. Diese verkackte Restauration geht mir so an die Substanz.
Erstmal was essen, das hilft ja wenigstens temporär.
Lecker Süppchen gekocht, dazu den Fliegenden Holländer gehört. Eine Folge West Wing, bin schon wieder in Staffel 4 angekommen, ein Gläschen Schaumwein für die Nerven, gemeinsam eingeschlafen.