Tagebuch Freitag, 1. März 2019 – Not today, motherfucker!

Gemeinsam aufgewacht. Und gemeinsam wieder weggedöst. Ähem. Der Mann kam trotzdem rechtzeitig zur Arbeit und ich hatte eh keinen Termin am Schreibtisch. Stattdessen daddelte ich ein bisschen in der Wohnung rum, irgendwas ist ja immer, bis sich ein Briefing ankündigte, auf das ich leider vergeblich wartete. Schade, den Job hätte ich gerne gleich gestern erledigt, denn am Montag wollte ich Punkt 9 im ZI sitzen, um die Lücken im Exposé zu füllen, die sich beim Schreiben auftaten. Also keine richtigen Wissenslücken, sondern eher Beleglücken. Ich konnte formulieren, was ich sagen wollte, wusste auch, wo die Belege zu finden waren, hatte sie aber schlicht nicht als perfekt formulierte Fußnote parat. So werde ich zwar Montag trotzdem um 9 im ZI sitzen, aber die ganze Zeit auf mein Mailfach schielen müssen, ob da ein Job wartet. Dann werde ich das Exposé zur Diss notgedrungen auch mal wieder öffnen müssen, was ich seit dem Schreiben am Mittwoch nicht mehr gemacht habe, aus Angst, nur Quatsch getippt zu haben.

Käsebrot zu Mittag, nicht richtig Appetit auf irgendwas, das Abendspiel in Augsburg lag mir etwas im Magen.

Um halb sechs auf den Weg zum Bahnhof gemacht, bockig ohne Deckentasche, weil ich keine Lust auf die Einlassschikane hatte, und bei sechs, sieben Grad müsste es auch nur mit Thermotights und Jeans auszuhalten sein, die letzten Tage waren ja warm gewesen.

Im Zug war schon ein bisschen Dortmunder Schwarzgelb zu sehen, aber nicht so üppig wie erwartet. Mir fiel zum ersten Mal auf, wie unterschiedlich gelaunt die beiden Fangruppen waren, die sich die Tram zur Arena teilten: Die Dortmunder waren sehr gut drauf und vorfreudig, die Augsburger ergeben eher so „Als 15. im Abstiegskampf gegen den Tabellenersten spielen, yay. Nicht“. Ohne Taschenschlange war ich in einer Minute durch die Kontrolle, auf den Klos war noch nichts los, auch das Anstehen, um die Fresskarte mit frischem Geld aufzuladen, hielt sich sehr in Grenzen. Nach dem obligatorischen FCA-Knacker („rote Bratwurst im Laugenspitz“, wie der Kiosk es formuliert) und einer Apfelschorle war ich fürs Spiel gerüstet. Eine richtig fiese Klatsche erwartete ich nicht, die holen wir uns ja lieber gegen gleichwertige Gegner wie beim ekligen 1:5 gegen Freiburg (fucking FREIBURG HERRGOTTNOCHMAL), aber dass wir verlieren, war ziemlich sicher. Ich tippte innerlich ein 2:2, weil ich halt nicht gegen den eigenen Verein tippe, auch wenn ich selbst nicht an das Ergebnis glaube.

Die Kurve machte Krach wie immer, der Gästeblock eh, Dortmund ist irre laut (Frankfurt auch), aber sobald der Kasper auf der Leinwand war, war auch von dort Ruhe, was ich immer sehr putzig finde. Wenn eine Marionette spricht, halten echt alle mal kurz die Klappe. Nie wirklich lange, weil die Holznase schwer zu verstehen ist (Dialekt, Lautstärke), aber immerhin. Auch beim Rundgang des Kids Club winkten wieder alle freundlich, wie sich das gehört, und ich mag das jedesmal wieder gerne.

Das Spiel selbst … ach, das sollen andere beschreiben. Es war kein herausragendes Spiel wie das Hinspiel in Dortmund, wo Augsburg erst in der letzten Minute der Nachspielzeit geschlagen wurde und bis dorthin, wenn ich mich richtig erinnere, ebenbürtig gewesen war. Es war eher das übliche giftige Spielzerstören des Gegners, was Augsburg halt als einziges halbwegs kann. Das sehe ich aber inzwischen wirklich gerne und habe deswegen sehr viel geklatscht und gebrüllt. Zwischendurch stand es unglaubliche 2:0 für Augsburg, wir riefen den Namen des Torschützen gleich zweimal in die Nacht, das einzige Gegentor war doof, aber nicht unerwartet, aber die letzten fünfzehn Minuten waren großartig.

Nicht nur die Kurve, sondern auch der Rest des Stadtions stand und schrie und klatschte die Mannschaft dazu, das Ergebnis verfickt nochmal zu halten. Und: Selbst die beiden obernervigen Pappköpfe hinter uns waren dabei. Die Herren sitzen sonst blasiert-humorig rum und kommentieren das ganze Spiel, jedes Spiel, je.des ver.damm.te Spiel ironisch und distanziert. Ich frage mich jedesmal, wieso sie überhaupt im Stadion sind, wenn ihnen das alles egal ist, das Sofa ist echt bequemer. Niederlagen werden spöttisch mit „Mei, Augschburg hoid“ kommentiert, Siege mit „Des war etzt Glück, gell“ (oder wie immer das in diesem seltsamen Augsburger Schwäbisch heißt, ich scheitere daran immer noch, sturmfest und erdverwachsen), die Jungs sind nie sauer oder euphorisch, sondern immer hübsch distanziert. Gestern nicht. Gestern standen sie wie alle anderen und brüllten in einer Tour.

Nach dem grandiosen 2:1-Endstand feierte das Stadion einfach weiter, was ich so zum ersten Mal miterleben konnte. Die Jungs gehen nach jedem Spiel in Richtung Kurve, klar, machen alle Mannschaften, aber dieses Mal saßen sie rum, Ji wurde persönlich beklatscht, dann wurde der Torwart Kobel auf den Zaun gerufen, der den Sieg noch mehr festgehalten hatte als die anderen, und Kurve und Tribüne klatschen und brüllten, ich habe heute schmerzende Hände und bin heiser und das muss so. Für dieses Spiel und diese Atmosphäre habe ich gefühlt 80 Grützkicks geguckt und auch das war in Ordnung. Aber dieser Sieg war unglaublich – und fühlte sich auch erst kurz vor Schluss gefährdet an, weswegen halt alle mithalfen, so gut es ging. Not today, motherfucker. Not today.

Wir waren erst um halb zwei zuhause, aber das war’s wert. Der arme F. musste heute früh aufstehen, weswegen wir getrennt schliefen. Ich konnte ausschlafen, weswegen der Blogeintrag viel zu spät online ist, aber den wollte ich gestern wirklich nicht vorformulieren. Und jetzt geh ich immer noch siegestrunken frühstücken. Mimosas für alle!