X2: X-Men United
X2: X-Men United
(X-Men 2, USA 2003)
Darsteller: Patrick Stewart, Hugh Jackman, Ian McKellen, Halle Berry, Famke Janssen, Anna Paquin, Rebecca Romijn-Stamos, Brian Cox, Alan Cumming, James Marsden
Musik: John Ottman
Drehbuch: Daniel P. Harris (nach einer Story von David Hayter, Zak Penn & Bryan Singer)
Kamera: Newton Thomas Sigel
Regie: Bryan Singer
Ach ja, die armen Mutanten. Keiner mag sie, alle haben Angst vor ihnen oder wenigstens ihren Fähigkeiten, jammerjammerjammer. Im ersten Teil von X-Men haben sich nicht nur die Menschen und die Mutanten bekämpft, sondern auch die Mutanten untereinander. Der böse Magneto wanderte zum Schluss in ein Gefängnis aus Plastik, der gute Professor Xavier durfte dagegen eine Schule betreiben, in der kleine Mutantenkinder zusammen groß werden.
Soviel zum ersten Teil, den man aber nicht zwingend gesehen haben muss, um in den zweiten zu gehen. Der erzählt nämlich im Prinzip die gleiche Geschichte nochmal, nur mit ein paar neuen Gesichtern, noch mehr Special Effects und noch weniger Handlung. Nichtsdestotrotz ist ein schönes Popcorn-Filmchen dabei rausgekommen.
Gleich zu Beginn lernen wir einen neuen Mutanten kennen: Kurt Wagner, einen Teleporter, der, kaum ist er irgendwo aufgetaucht, auch schon wieder weg ist. Der Effekt klingt völlig simpel, hat mich aber sehr erfreut, weil er ein bisschen klüger ist als die sonstigen, einfach viel zu schnell geschnittenen Szenen, mit denen unser lahmes Auge überlistet wird. Wagner löst sich nicht einfach auf, sondern verschwindet in einer Art schwarzem Rauch, der aussieht wie Tinte. Unser Auge versucht noch, in diesen Schwaden etwas zu erkennen, da blitzt er plötzlich ganz am Rande unseres Sichtfelds auf und ist – zack – sofort wieder verschwunden.
Außerdem sorgt er für einen charmanten Unterton, den wahrscheinlich nur das hiesige Publikum würdigen kann, denn er ist anscheinend deutschen Ursprungs und erwähnt auch ab und zu den Zirkus in München, in dem er aufgetreten ist. Sein deutscher Akzent hat ausnahmsweise mal nichts Nazi-artiges, und es klingt einfach sehr rührend, wenn er Halle Berrys dahingehauchtes „Thank you“ nach einer Rettungsaktion mit einem verlegenen „Bitteschön“ beantwortet.
Überhaupt haben sämtliche Charaktere bei all ihrer Schablonenhaftigkeit (wir befinden uns schließlich in einer Comicverfilmung) alle ihre kleinen Eigenarten, die aus ihnen mehr machen als bloße Staffage in einem bunten Spektakel. Jeder darf seine Fähigkeiten mehr oder weniger martialisch vorführen: Pyro, ein zündelnder Teenager, jagt die halbe Polizeistaffel in die Luft, während Iceman, dessen Atem alles zufrieren lässt, sein Talent auch gerne mal an einer zu warmen Cola unter Beweis stellt. Dass nun jeder das, was ihn auszeichnet, einmal groß ins Bild rücken darf, bringt allerdings mit sich, dass der Film verdammt lang wird. Es ist zwar schön, dass wir neue Charaktere kennenlernen, aber die ziehen die eh schon dünne Story doch arg in die Länge.
Diese kleineren Einlagen wie die Szene mit der Cola-Flasche dienen nicht nur zum Atemholen, sondern auch, um wenigstens ein bisschen Charakterbildung zwischen die ganzen Action-Szenen zu klemmen. Es bleibt allerdings eher beim Versuch; die Charaktere sind eben relativ simpel gestrickt, werden auf ihre jeweilige Fähigkeit reduziert und sorgen so für einen Effekt nach dem nächsten. Trotzdem ist es genau das, was X2 ausmacht: Er ist, so komisch es klingt, eher ein Ensemble-Film als ein Actionfilm, denn die ganze Geschichte dreht sich eben um die Mutanten und ihre Fähigkeiten. Es wird nicht versucht, eine blöde Rahmenhandlung um die Weltherrschaft oder was auch immer um die Jungs und Mädels herumzustricken. Jede Storyline entsteht aus der ganz simplen Frage: Sind Mutanten eine gute oder eine bösartige Form von Evolution?
Leider wird dieser Story nicht mehr ganz so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie im ersten Teil. Die Effekte in X2 sind sicher besser geworden und sehen nicht mehr ganz so pappkulissig aus, aber dafür leidet leider die Geschichte. In X-Men war ich zum Beispiel sehr gerührt von Rogue, die niemanden anfassen konnte, ohne denjenigen dabei durch ihre spezielle Kraft zu verletzen. In diesem Teil hat sie ihr Herz an Iceman verschenkt und sie versuchen sich näherzukommen, aber – auch hier scheitert sie. Aber anstatt daraus einen Themenstrang zu machen, wird die ganze Storyline einfach fallengelassen. Nichts mehr von ihren Seelenqualen, sich niemandem nähern zu können, nichts mehr von ihrer gerade aufkeimenden Zuneigung – wenn’s nicht geht, dann geht’s eben nicht, weiter im Text, wir müssen schließlich noch über zwei Stunden Film vollkriegen.
Die einzigen, die immerhin einen Hauch von Wahrhaftigkeit in das bunte Spektakel bringen, sind (natürlich) Patrick Stewart als Professor und (natürlich) Ian McKellen als Magneto. Auch ihre beiden Rollen geben eigentlich nicht mehr her als ein paar Standardsprüche aus dem Drehbuchbaukasten, aber die beiden haben einfach eine solche Leinwandpräsenz, dass sie ihre Rollen durchaus mit Ernsthaftigkeit und sogar einer gewissen Würde ausspielen. Während der Rest der Truppe theatralisch-verängstigt oder theatralisch-wütend in die Kamera guckt und sich darüber beschwert, dass die Menschen die Mutanten nie verstehen werden, bringen der Professor und Magneto Ruhe in diese verfahrene Situation – natürlich jeder auf seine Weise; der eine gut, der andere böse. Genau wie die beiden einfach erfahrene Schauspieler sind, geben sie hier die erfahrenen Mutanten, die die anderen fast zu nöligen Kleinkindern degradieren. Man wartet beinahe darauf, dass beide dem Jungvolk kurz Einhalt gebieten und den Satz bringen: „Wenn du erstmal in mein Alter kommst …“
Und so wie X2 endet, ahne ich, dass die X-Men alle Chancen haben, noch in das Alter von Professor und Magneto zu kommen. Das Ende bleibt nämlich sehr offen … so offen, dass man kaum glauben kann, jetzt am Schluss angekommen zu sein. Wo ist das obligatorische Schlussbild, wo der Böse noch einen Blick zurück aus dem Fenster des Fluchtfahrzeugs seiner Wahl wirft? Wo ist die große Knutschszene, egal mit wem?
Neinnein, so geht das nicht. Logan muss endlich ein Mädel abkriegen, Storm und Wagner scheinen sich auch ganz gut zu verstehen, und was wird aus der Familie, die den armen Iceman im Stich gelassen hat? Ich glaube, der Countdown zu X3 beginnt genau – jetzt. Wir sehen uns in zwei Jahren im Kino. Aber nun könnt ihr euch erstmal entspannt in diesem Teil zurücklehnen. Für einen gut gelaunten Abend reicht’s allemal. Es ist nicht Matrix – aber es ist auch nicht Rocky 6.
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Anke am 13. March 2005