Tagebuch Samstag/Sonntag, 8./9. Juni 2019 – Pfingstbalkon

Viel Fußball der Frauen-WM geguckt. Hat Spaß gemacht, den Damen zuzusehen. Bisheriges Lieblingsspiel: Australien gegen Italien, bei denen mir anfangs egal war, wer gewinnt. Irgendwann schlug ich mich auf die Seite der biestigen Italienerinnen, die tollerweise in der 95. Minute noch den Siegtreffer erzielten.

Samstag abend das gemacht, von dem mir immer alle erzählt haben, dass es so toll sei: mit einem Buch und einem Glas Wein auf dem Balkon gesessen. Ich ahne, dass spätestens nächstes Jahr hier ein Lounge Chair stehen wird, denn auf meinem rausgetragenen Küchenstühlchen kam ich mir etwas seltsam vor. Aber auch so habe ich es etwas überrascht durchaus genossen, draußen rumzusitzen (natürlich erst, als die Sonne weg war), über das Geländer in den begrünten Hinterhof zu gucken und irgendwann die Lichterkette anzuknipsen. Irritierenderweise hatte ich total Lust auf eine Zigarette, aber glücklicherweise keine in der Nähe.

Den ganzen Samstag über habe ich am Küchenfenster gestanden und von dort auf meine Balkonblumen geschaut. Das war so schön! Hätte ich nicht gedacht, wie glücklich ein paar Farbflecke so machen können. Ich bemühe mich noch, sie nicht alle fünf Minuten zu gießen, und flüstere deutlich zu oft „please don’t die, please don’t die“, aber sie sehen ganz zufrieden aus, sofern Pflanzen zufrieden aussehen können.

Samstag und Sonntag abend waren Rammstein im Olympiastadion. Ich hatte das natürlich erst mitgekriegt, als es längst ausverkauft war. F. hatte mehr Glück und bekam spontan eine Karte. Er und weitere posteten Bilder der Pyroshow aus dem Stadion, während ich seit vorgestern über einen Tweet gackere, der das Stadion dabei von außen zeigt.

Sonntag morgen saß ich dann SCHON WIEDER AUF DEM BALKON! Irgendwas ist mit mir passiert, als ich 50 geworden bin, glaube ich. Ich saß da total instamäßig mit schickem Flat White und frischgepresstem Orangensaft (ernsthaft!), knipste aber stattdessen meine Blümchen. Ich gebe mir noch eine Woche, und dann werden die restlichen Geländermeter mit noch zwei Kästen vollgeballert.

Nach dem Frühstück und ein bisschen Zeitungslektüre dachte ich, und ich konnte das selbst kaum glauben, ach, das ist ja gerade ganz nett, so draußen. Hey, setz dich doch auf dein Fahrrad und fahr irgendwo hin, wo man ein bisschen spazierengehen kann. Und ehe ich mir das selbst wieder ausreden konnte, war ich zum Alten Südfriedhof geradelt, las Grabsteine, instagrammte und spazierte in der Gegend herum. BEI SONNENSCHEIN!


Ich mag das Motiv der abgebrochenen Säule (also die sich nicht fortsetzende Lebenslinie) sehr gern.


Mal wieder dem Grandmaster of Munich Hallo gesagt. Wie ich schon auf Instagram schrieb: Wenn man sich ein bisschen mit der Stadtgeschichte Münchens beschäftigt, was nicht ausbleibt, wenn man hier ein historisches Fach studiert, ist der Alte Südfriedhof ein einziges Namedropping.

Ich lernte aber auch Menschen kennen, die ich vorher nicht kannte: Konrad Maurer zum Beispiel.

Oder Frau Seiler, von der ich einfach mal vermute, dass sie viele Kinder zu Grabe tragen musste und dann nach der Geburt des letzten mit gerade mal 32 selbst verstarb. Während der Herr Malzfabrikant neu heiratete und selbst seine zweite Frau überlebte und ich reg mich hier gerade 100 Jahre zu spät auf.



Ich kann kein Griechisch, aber hat der Stein irgendwas mit der bayerisch-griechischen Geschichte zu tun?

(Edit: Richtig geraten, danke, @Annealenaplurabelle auf Instagram: „Der Stein mit der griechischen Inschrift ist das Grab von Ilias Mavromichalis, Neffe des Petrobey, begleitete den König (Otto I) nach München und starb dort an Cholera. Laut Wikipedia gibt es sogar ein Grablied. / Ich zitiere:
„Da liegt er nun, der große Held,
Alt sechs und dreissig Jahre,
Und eine schwere Thräne fällt
Auf seine Todtenbahre
Von König Ottos Aug herab,
Das unterm Thränenflor sich ab
Von seinem Liebling wendet.“ (Klar auch, dass es für Therese Seiler kein Grablied gibt.)“

Nachmittags Fußball, abends dann mit F. auf dem Balkon … ähem. Caesar Salad mit Hähnchen, Knoblauchbaguette und ein äußerst unspektakulärer Riesling.