Tagebuch Freitag bis Sonntag, 28. bis 30. Juni 2019 – Durch das schöne Niedersachsen
Warum ich mir ausgerechnet das heißeste Wochenende bisher in diesem Jahr für den Besuch bei Papa in der Reha ausgesucht habe, weiß ich nicht mehr.
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Am Bahnhof in München fragte mich eine Dame, ob sie ihren Rucksack kurz auf meinen Rollkoffer abstellen könnte – „dann kriege ich ihn vielleicht endlich zu“. Natürlich. Gutes Karma gemacht, denn die Fahrt nach Hannover verlief ereignislos-entspannt, die Klimaanlage funktionierte tadellos und wir kamen pünktlich an. Einziger Nervscheiß: Der Stream vom Bachmannpreis lief nicht, ohne alle zehn Minuten abzustürzen, trotz Bord-W-LAN, weder auf Handy noch iPad. Ich las die Geschichten abends auf dem iPhone als pdf und hörte auch ein, zwei Jurydiskussionen nach, aber das Live-Erlebnis hatte ich leider nicht.
In Hannover stieg ich in die S-Bahn in Richtung Heimatdörfchen, die überraschend voll war. Kurz liebäugelte ich mit der ersten Klasse, die fast leer war, blieb dann aber brav in der zweiten zwischen zwei Quengelkindern und ihrer gestressten Mutter sowie zwei älteren Damen, die sich über ihre Krankheiten austauschten, sitzen. Alles richtig gemacht, denn es wurde kontrolliert.
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Zuhause holte mich mein Mütterchen vom Bahnhof ab. Sie lässt sich gern von mir bekochen, wenn ich da bin, weil sie das selbst nicht so mag. Wir hatten uns vorher auf Gemüsepfanne geeinigt, wofür sie eingekauft hatte, aber mir war im Zug noch Gemüsecurry eingefallen. Meine Mutter hat jetzt Thai-Currypaste in der Küche und wird sie vermutlich nie aufbrauchen. Aber es hat ihr gut geschmeckt.
Merken: Der Dorfsupermarkt hat keinen frischen Koriander.
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Samstag dann mit Schwester und Mutter in Richung Norden gefahren. Erst eine Stunde über die Dörfer, um den allgegenwärtigen Stau auf der A7 zu vermeiden, was sehr schön war. Wenn man nicht überall ein Auto brauchen würde, würde ich da sofort wieder hinziehen, ein Fachwerkhaus nach dem nächsten. Dort hätte ich mal fotografieren sollen, aber in der Zeit habe ich nur ein bisschen wehmütig rumgeguckt.
Letzte Stunde dann Autobahn, super Foto. Guckt mal, KEINE BERGE! Da hinten ist quasi schon Sylt.
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Papa nach vier Wochen wiedergesehen. Der Unterschied zum Krankenhaus war recht groß, aber der Weg für ihn ist noch sehr weit. Er weiß den Geburtstag meiner Schwester (gerade?) nicht, kann aber fehlerfrei den Radetzkymarsch pfeifen und benennen. Das muss hier an Details reichen.
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Schwesterherz fuhr mich nach drei Stunden ins nächste Dorf, von wo mich ein klimatisierter Metronom nach Hamburg brachte. Bei den letzten Hamburg-Terminen im vergangenen Jahr war ich immer froh, wieder dort wegzukönnen, weil es nicht mehr Zuhause ist. Jetzt war es deutlich besser, so ein komisches sehnsuchtsvolles „Das war mal ich“. Ich fühlte mich trotz 32 Grad wohl, vom Schwitzen abgesehen, aber ich freute mich über den lauten Bahnhof, die muffigen U-Bahn-Tunnel und die vielen Menschen. Und halt, dass ich wieder in Hamburch war. Am Bahnhof Buchholz hatte eine ältere Dame mit mir Smalltalk gemacht und ich dachte die ganze Zeit, yay, ich verstehe ältere Damen wieder! In München nicke ich immer nur und piepse ab und zu „gell?“ oder „mei!“
Im Hotel die zweite Dusche des Tages. Das ist echt das einzig richtig Gute am Sommer: Duschen ist nie so toll wie in dem Augenblick, wenn man völlig verschwitzt von draußen reinkommt.
Dann bereitete ich mich auf das Viertelfinalspiel der Damen vor. Ich hatte keine Lust gehabt, den Rechner mitzuschleppen, aber wie erwähnt, iPad und Handy dabei. Ich gucke Streams eh lieber auf dem iPad, weil es seltsamerweise stabiler läuft als mein Laptop. Aber wie schon beim Bachmann-Stream wollte das dusselige Ding partout nichts abspielen. Ich richtete mich seelisch schon auf Fuppes auf dem Handy ein, bis mir Schlaubergerchen einfiel: Du bist im Hotel. Da sind Fernseher! Und so konnte ich auf 32 Zoll in HD dabei zugucken, wie die deutschen Damen leider gegen Schweden verloren.
Die Noch-Teamkolleginnen bei Bayern. Sara Däbritz geht nächste Saison nach Paris, bei Rolfö weiß ich es gerade selbst nicht. Sven?
Ich habe mich sehr gefreut, dass die mediale Aufmerksamkeit für die Frauen-WM größer war als gefühlt jemals zuvor. Auch in meiner Bubble guckten mehr Leute einfach mal zu und fanden das wohl ganz okay. Daher ist es doppelt schade, dass es nur zum Viertelfinale gereicht hat. Wobei: Wie weit sind noch mal die Herren letztes Jahr in ihrer WM gekommen?
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Abends war ich verabredet und musste nochmal in die heiße Wand raus, aber dafür konnte ich mit einer meiner liebsten Hamburger Damen schnacken und Salat essen und Wein trinken und zwar in dem Laden, in dem wir das jahrelang regelmäßig gemacht haben. Ich war traurig und glücklich gleichzeitig.
Gegen ein Uhr wieder im Hotel gewesen und zum dritten Mal geduscht. Ein Hoch auf die Erfinderin dieses Dingsis!
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F. hatte eine DM geschickt, dass er meine Blumen gegossen hätte. Hatte ich auch noch nie: Menschen, die ich darum bitten muss, meine Blumen zu gießen.
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Sonntag morgen, ICE von Hamburg nach München. Der Blick auf die Anzeigentafel ließ mich wimmern. Um den Abschiedsschmerz vom Norden zu lindern, hatte ich großflächig Franzbrötchen eingekauft. Nein, erzählt mir nicht, wo es in München gute Franzbrötchen gibt, es gibt nur in Hamburg gute Franzbrötchen, don’t @ me.
Dieses Mal war die Klimaanlage nicht ganz so mein Freund. Draußen waren es irgendwann 35 Grad, aber die freundliche Kühle der Hinfahrt wollte sich nie recht einstellen. Für mich fühlte es sich so an, als ob die Klimaanlage zwar angeschaltet sei, aber nur gerade so, dass man sie merkt. Mein Kreislauf, dem es die ganze Zeit hervorragend gegangen war, maulte ab Nürnberg etwas rum. Auch aufstehen und rumlaufen half nicht. Ich bat um eine Flasche Wasser aus dem Bordrestaurant – meine eigenen anderthalb Liter hatte ich schon ausgetrunken – und fächelte mir Luft zu. (Fächer immer dabei.) Trotzdem war ich sehr froh darüber, kurz nach halb vier endlich in München zu sein. Auch weil nicht mehr so recht für mein leibliches Wohl gesorgt war!
Würzburg. Franzbrötchen-Proviant geht zur Neige. Moral kann nur durch Aussicht auf Laugengebäck aufrecht erhalten werden. #ICEvonHHnachM
— Anke Gröner (@ankegroener) 30. Juni 2019
Ich lenkte mich mit Dvořáks 9. Sinfonie ab („Aus der neuen Welt“), die echt jedesmal besser wird. Mit dem dritten Satz stand ich bis jetzt irgendwie auf Kriegsfuß, aber gestern war der fast so toll wie der vierte. Nichts geht über den vierten. Der fühlt sich für mich immer so an, als ob dich die ganze Zeit etwas beim Kragen hat; es lässt manchmal locker, wabert aber immer im Untergrund herum, und irgendwann haut es dir alles um die Ohren.
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Die ganze Zeit auf mein Lieblingsbrot beim Lieblingsbäcker am Hauptbahnhof gefreut. Ausverkauft. Frustbrezn besorgt.
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Zuhause in eine recht kühle Wohnung gekommen, weil alles verrammelt und abgedunkelt gewesen war. Nur halbherzig ausgepackt, weil erschöpft von det Janze.
Später beantwortete ich auf Twitter launig eine Frage von Herrn Braun richtig und fragte spaßeshalber, ob ich jetzt zwei Karten für seine Tannhäuser-Generalprobe in Bayreuth gewonnen hätte. Und dann passierte das:
Ja gut dann. (OMFUCKINGGOD!) Endlich mal wieder Bayreuth. Auch wenn man inzwischen keine Kissen mehr mitbringen darf. Und auf einer Probe war ich auch noch nie! Wie ich gestern schon twitterte: Ich schrie vor Freude gleich mal mein Handy an, ganz erwachsen und damenhaft.
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Abends noch die Preisverleihung bei der Frau Bachmann nachgeguckt. Ich bin immer noch überrascht davon, dass ich den Text Kenn ich nicht von Yannic Han Biao Federer beim Zuhören so banal und nach der Jurydiskussion total toll fand. Auch er bekam einen Preis, der Hauptpreis ging aber an Birgit Birnbacher, deren Text Der Schrank mir auch als pdf sehr gefallen hatte.