Tagebuch Mittwoch, 10. Juli 2019 – Weiterhin dissertieren

Ein weiterer Schreibtischtag, in dem ich erneut gefühlt keine zehn Sätze zu Papier brachte. Was Quatsch ist, weiß ich auch, aber ich fragte mich mehrfach, wieso das alles soooo laaange dauert, bis man geistig zu einem Punkt gekommen ist, an dem man das Ergeistigte aufschreiben möchte.

Gestern klickte ich mich mal wieder durch die hunderte von Fotos, die ich vom Nachlass in Nürnberg gemacht hatte. Das meiste hatte ich schon mehrfach gesehen, aber wie das halt so ist, wenn man Dinge immer und immer wieder anschaut und zwischendurch mehr erfährt, entdeckt und lernt, fallen einem dann doch wieder neue Details auf. So klickte ich mich zwischen diversen Ordnern und Dokumenten hin und her, googelte, übersetzte, schrieb, klickte, verglich, schrieb. Auch wenn ich zeichenzahlmäßig gestern vermutlich nicht so viel vorweisen konnte wie vorgestern, fand ich es sehr befriedigend, plötzlich Dinge zu verstehen, die ich beim blinden Rumknipsen im letzten Jahr noch gar nicht verstehen konnte.

Und jetzt gucke ich auf Zeug drauf und denke, ach guck, ein Plakat vom Künstlerbund, der nicht mehr Feldgrauer Künstlerbund hieß, also ist das Dokument von nach 1927, denn da benannte sich die Vereinigung um. Ach guck, die Todesanzeige, die ich fotografiert habe, weil Protzen sie gestaltete – jetzt weiß ich auch, dass der Verstorbene der ehemalige Vorsitzende der Münchner Künstler-Genossenschaft war, in der Protzen Mitglied bzw. Teil des Vorstands war. Auch guck, hier ist eine französischsprachige Liste seiner Ölgemälde, die er in der Zivilinternierung auf Korsika zwischen 1914 und 1918 erstellt hat – anscheinend hat der Mann ständig Listen für seine Werke geführt, aber erhalten scheint nur eine zu sein, das Werkverzeichnis, das 1976 kopiert und irgendwann gescannt wurde und in dem ich dauernd rumklicke. Ach guck, diese grafische Arbeit für die bayerische Milchwirtschaft kann ich jetzt auch datieren, weil ich ergoogeln konnte, von wann der in der Grafik erwähnte Paragraf 38 des Milchgesetzes ist: August 1930. So was halt. Ich mag diese kleinen Erfolge.

Den Feierabend beging ich mit Kochen, was mich neuerdings wieder mehr entspannt als stresst, telefonierte zwischendurch mit dem Mütterchen, vergaß den Topf auf dem Herd, stellte mich auf verbranntes Essen ein, das aber stattdessen perfekt geworden war und speiste schließlich grüne Bohnen in Tomaten-Knoblauch-Sauce mit geröstetem Knoblauchbrot auf dem Balkon. F. kam hinterher, wir redeten, bis es dunkel war. Guter Tag.


Ihr hättet mir sagen müssen, wie toll Balkone sind! Echt jetzt mal!