Tagebuch Mittwoch, 17. Juli 2019 – Tippeditipp
Schreibtischtag, unterbrochen von Besorgungen zur Mittagspause und der üblichen Episode Masterchef Australia. Nur noch drei Folgen!
Ich habe gestern die bisherigen ersten beiden Kapitel nochmal komplett überarbeitet. Das erste Kapitel geht von 1887 bis 1925, also von der Zeit von Protzens Geburt in Pommern, Schul- und Lehrzeit in Leipzsch, seiner Zeit als Modezeichner in Paris und als Zivilgefangener auf Korsika bis zu seinem Abschluss an der Akademie der bildenden Künste hier in München. Ich ahne, dass ich das noch unterteilen werde, aber momentan weiß ich noch nicht genau, wo oder wie. Das zweite Kapitel, das bisher längste, geht von 1926 bis einschließlich 1933; ich mache also keinen Schnitt zwischen der Weimarer Republik und der NS-Zeit, denn das hat die bürgerlich akzeptierte Kunst auch nicht gemacht. Heute beginne ich mit dem mit Abstand wichtigsten Kapitel: 1934 bis 1940, denn in dieser Zeit hat der Mann die Gemälde der Reichsautobahn produziert, die Dreh- und Angelpunkt meiner ganzen Dissertation sind. Und dazu noch ungefähr 200 andere Bilder, die ich vermutlich auch in Teilen erwähnen werde.
Wenn ich mir angucke, wie lange ich an den ersten Kapiteln (plus angerissener Quellenlage und Forschungsstand) gesessen habe, nämlich seit Anfang März, rechne ich optimistisch mit zwei bis drei Monaten Schreibzeit für diesen Textblock. Wenn alle Archive geöffnet sind, ich immer reinkann und mir vielleicht noch nebenbei ein paar Quellen in den Schoß fallen. Vielleicht kann ich den Protzen-Teil dann sogar bis Ende dieses Jahres abschließen und mich 2020 um die Aufarbeitung systemkonformer Kunst im NS in der Bundesrepublik kümmern, was der zweite Teil der Arbeit sein wird. Die interne Deadline September 2020, das Ende meiner Studienzeit, steht noch!
Bei der gestrigen Überarbeitung habe ich zum ersten Mal einen Modus gefunden, wie die Kapitel keine reine Aufzählung von Daten und Bildernamen sein könnten, sondern wie ich ein Narrativ entwickele, das (hoffentlich) durch die gesamte Arbeit trägt. Das fühlte sich exorbitant gut an, und ich habe bis fast 20 Uhr am Rechner gesessen, denn wir wissen ja alle: never leave a hot keyboard. Mit diversen Streichungen, aber gleichzeitig noch vielen Anmerkungen im Text (CHECKEN! KUNSTARCHIV? STADTMUSEUM! LENBACHHAUS!) bin ich jetzt bei 68 Seiten Text aka 122.000 Zeichen aka meiner Master-Arbeit. UND ICH BIN ERST BEI 1933! *wimmer*, aber ein irre motiviertes und deutlich optimistischeres *wimmer* als noch vor wenigen Wochen.
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Zum Mittach gab’s wieder Ottolenghi, den herrlichen scharfen Tofu, vermutlich mein Lieblingsrezept von ihm, gestern schwarz wie die Nacht (das ist die Sauce!). Weil gestern die Frage nach dem Berg an Knoblauch kam, der laut Rezept rein soll: Das passt schon, die Sojasauce kleistert eh alles zu. Bei der Butter darf man aber gerne sparen, da nehme ich nie die angegebene Menge.
Das häuft sich neuerdings, dass Leute über mich und Otti twittern. Ich fühle mich geschmeichelt.
Ich besitze 2 Ottolenghi-Kochbücher. Sie stehen gut sichtbar im Regal. Aber es muss immer erst @ankegroener in meiner TL vorbeikommen, eh ich mir eins rausnehme und ein Rezept daraus koche 😋 pic.twitter.com/4jPllfYC2q
— SofaMiri (@SofaMiri) July 17, 2019
Und ich dachte immer, die wären alle ganz einfach, weil @ankegroener die so einfach aussehen lässt.
— sowieso (@rotesnichts) July 14, 2019
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Notre-Dame came far closer to collapsing than people knew. This is how it was saved.
Großartiges Stück der New York Times: sinnvoll bebildert, gut grafisch aufgemacht, sehr verständlich. Zwischendurch ne Runde Pathos, aber das ist bei Kathedralen in Ordnung. Ich erinnerte mich beim Lesen an meine Furcht, als ich die Flammen im Nordturm sah. Ich wusste nicht, wie gefährlich sie waren.
„About 7:50, almost an hour into the fight, a deafening blast engulfed her. It was, she said, like “a giant bulldozer dropping dozens of stones into a dumpster.” The 750-ton spire of the cathedral, wrought of heavy oak and lead, had collapsed. The blast was so powerful it slammed all the doors of the cathedral shut. The showering debris broke several stone vaults of the nave. Corporal Chudzinski and other firefighters happened to be behind a wall when a fireball hurtled through the attic. It probably saved them. “I felt useless, ridiculously small,” she said. “I was just powerless.” […]
Before the blast, Corporal Chudzinski and her colleagues had made a critical observation: The flames were endangering the northern tower. The realization would change the course of the fight. Inside that tower, eight giant bells hung precariously on wooden beams that were threatening to burn. If the beams collapsed, firefighters feared, the falling bells could act like wrecking balls and destroy the tower. If the northern tower fell, firefighters believed, it could bring down the south tower, and the cathedral with it.“
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Die FAZ sehr informativ und einordnend über den BDS.
„Ausgeblendet bleibt in der Debatte die geopolitische und historische Dimension des Konflikts. Dass es im Nahen Osten, anders als der BDS nahelegt, nicht Gut (Palästina) und Böse (Israel) gibt, ist schon deshalb so, weil in den Konflikt die Interessen einer Reihe von arabischen Staaten hineinspielen, von denen einige Israel (und die Juden) ganz offiziell vernichten wollen.
Angesichts des eliminatorischen Eifers, mit dem der BDS den palästinensischen Befreiungskampf feiert und dafür, wie die BDS-Aktivistin Jasbir Puar, selbst Terror meint rechtfertigen zu müssen, ist an einige historische Tatsachen zu erinnern: etwa, dass der Zionismus keine Entscheidung aus freien Stücken war, sondern die Reaktion auf Pogrome gegen Juden in aller Welt; dass der palästinensische Großmufti Jerusalems mit dem NS-Staat kollaborierte, was der Jerusalem-Ausstellung am Jüdischen Museum keinen Hinweis wert war; dass der auf den UN-Teilungsplan zurückgehenden israelischen Unabhängigkeitserklärung noch am selben Tag die Kriegserklärung von sechs arabischen Staaten folgte; dass die Aggression vor dem Sechs-Tage-Krieg nicht von Israel, sondern von Ägypten ausging; dass die palästinensischen Flüchtlinge von 1948 in den arabischen Staaten nicht etwa bereitwillig empfangen wurden, sondern teils bis heute in Flüchtlingslagern unter beklagenswerten Umständen leben; dass die Terrororganisation Hamas, mit der die BDS-Bewegung offen sympathisiert, jede ernsthafte Friedensverhandlung als sinnloses Geschwätz abtut. Und warum stört sich der BDS eigentlich nicht an der südlichen Blockade des Gazastreifens durch Ägypten?
Das alles entwaffnet nicht Kritik an der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik und dem nationalistischen Kurs der aktuellen Regierung. Aber von ernstzunehmender Kritik ist zu erwarten, dass sie den Blick nach beiden Seiten richtet.“