Was schön war, Donnerstag, 19. September 2019 – Käthe Kollwitz
Was überhaupt nicht schön war: die gesamte erste Tageshälfte. Oder genauer gesagt, alles bis 18 Uhr. Großer Selbstzweifeltag auf allen Baustellen, Selbstgeißelung, Selbstvorwürfe, alles scheiße, deine Elli.
Eigentlich wollte ich mich dann unter die Bettdecke verkriechen und einfach warten, bis der Dreckstag rum war, aber F. und ich hatten Karten für eine performance lecture von Käthe Kollwitz, einem der Gründungsmitglieder der Guerilla Girls, im Haus der Kunst. (Dass die Dame nicht wirklich so heißt, ist klar, gell? Ihr seid ja nicht doof.) Und so diskutierte ich mit mir selbst und F., ob jetzt Bettdecke oder lecture besser wären für mein Seelenheil, bis ich mir selbst sagte: Anke. Kind. Die Guerilla Girls! Du ärgerst dich morgen schwarz, wenn du nicht hingegangen bist.
Also zerrte ich um 18 Uhr mein Fahrrad aus dem Keller und radelte geschwind zum Museum, was schon mal der Anfang einer guten Idee war, denn Radeln macht ja immer glücklich. Und die Abendsonne beschien alles gar gülden.
Die performance lecture war dann schlicht ein einstündiger Vortrag, aber eben stilecht in Gorillamaske. Kollwitz zeigte viele der vergangenen Aktionen, Poster, Ausstellungen, fand es gleichzeitig absurd und großartig, dass sie nun selbst als Künstlerinnen in den Häusern vertreten sind, gegen deren Ausstellungspolitik sie seit über 30 Jahren protestieren. Hier ihr vermutlich bekanntestes Werk von 1989 in der Tate: Do women have to be naked to get into the Met Museum? Das Poster gibt es auch mit aktualisierten Zahlen von 2012: Inzwischen sind nur noch, nur noch, haha, 76 Prozent alle Akte im Met weiblich im Gegensatz zu 85 Prozent, aber dafür ist die Zahl der ausgestellten Künstlerinnen sogar noch gesunken: von lausigen 5 Prozent auf noch lausigere 4.
Ich kannte viele der Aktionen, viele andere nicht, und war unerwarteterweise ein bisschen star struck. Auch die anschließende Fragerunde konnte mich erheitern. Als die Mikrofone rumgereicht wurden, bettelte ich innerlich: Bitte keinen Kerl als ersten Fragenden, bitte keinen Kerl. Es fragte dann überhaupt kein Mann irgendwas – die Herren waren im Publikum zahlenmäßig auch weit unterlegen –, aber stattdessen mehrere Frauen, und oh Wunder, frau konnte sich kurz fassen und nicht erstmal ein Spontanreferat halten. Irre. Geht also!
Ich merkte, wie sehr ich diesen Vortrag an genau diesem Scheißtag gebraucht hatte, als Kollwitz zum Abschied ins Publikum rief: „And good luck for all your work!“ Woraufhin ich fast ein bisschen geheult hätte, weil das eben exakt der Pep Talk war, den ich hören musste.
Nach Hause geradelt, Gin Tonic … und dann eine heiße Zitrone getrunken, gemeinsam eingeschlafen, alles wieder gut. Halbwegs.
Der Satz, den ich am schlauesten fand, steht auf einem ihrer neuesten Poster und fasst gut zusammen, was an der derzeitigen Ausstellungspolitik in Museen und Galerien nervt: „If museums don’t show art as diverse as the cultures they claim to represent, tell them they’re not showing the history of art, they are just preserving the history of wealth and power.“
Die NYT von gestern: Female Artists Made Little Progress in Museums Since 2008, Survey Finds.