Was schön war, Dienstag, 10. Dezember 2019 – Reich beschenkt

Der morgendliche DM-Dialog zwischen F. und mir:

– Moin.
– MOIN! Off to the Archiv we go!

Und damit war die Tageslaune dann gesetzt.

Ich hatte mir im Staatsarchiv ein paar Bestände ausheben lassen, von denen ich mir gar nicht so viel versprach, die waren eher aus der Ecke „Dann haste da auch mal reingeguckt“. Und wie es dann halt gerne kommt: Ich fand eine Quelle, mit der ich überhaupt nicht mehr gerechnet hatte.

Seitdem ich mich mit dem Thema Autobahnmalerei befasse, habe ich eine Frage an eine bestimmte Ausstellung im Hinterkopf (die ich hier mal ausspare). In der kompletten Literatur zum Thema, und ich behaupte, ich habe inzwischen alles gelesen, was es dazu gibt, wenn das möglich ist, steht stets eine irgendwie grundlegende Antwort, aber ich mit meinem lustigen Spezialinteresse war damit nicht zufrieden. Weil ich aber alles dazu gelesen hatte, war ich der Meinung, dass es dann wohl keine genauere Antwort gibt, denn sonst hätte sie ja schon jemand gefunden.

Und dann blätterte ich gestern so launig vor mich hin, notierte dies, grinste über das, und plötzlich lagen fünf Seiten vor mir, die mir genau die Antwort gaben, die ich seit ungefähr zwei Jahren gesucht hatte. Einfach so. Die lagen da einfach so rum! Ich machte die Beckerfaust, die ich ab sofort Archivfaust nennen werde, schrieb F. eine hektische DM, twitterte natürlich, Chronistinnenpflicht, Sie kennen das, und las und notierte mit roten Bäckchen weiter.

Worum es genau geht, lasse ich hier weg. F. meinte irgendwann mal, ich solle meine schönen Ergebnisse vielleicht nicht ganz so sorglos raushauen. Damit hat der Herr natürlich recht, aber da ich alleine vor mich hinpromoviere, kann ich meine Freude über solche Erkenntnisse nie mit jemandem teilen! Außer mit F., der das alles interessiert begleitet. Sehr wahrscheinlich wird kaum eine meiner Leserinnen sich meine 300 Seiten dicke Dissertation vornehmen, also schreibe ich auf Twitter oder hier über Dinge, die mir so richtig den Tag machen konnten und hoffe, dass ihr euch mitfreuen könnt. Auch wenn ich inzwischen etwas vager bleibe.

(WAS TOTAL DOOF IST, WEIL ICH JETZT SO SPANNENDE SACHEN WEISS, aber na gut.)

Die restlichen Bestände gaben dann nur noch eine Fußnote her, die ich vermutlich im letzten Korrekturgang rausschmeißen werde, aber das war alles wurst, denn ich konnte eine wirklich zentrale Frage für meine persönliche Forschung beantworten und freue mich gerade beim Aufschreiben nochmal.

Aber der Tag war noch nicht rum, nein, nein, wenn ein Archiv gut zu dir ist, dann ist es meist RICHTIG gut zu dir.

Ich erwähnte vor ein paar Tagen, dass ich vom Archiv eine Mail bekommen hatte, mich doch bitte an einen gewissen Herrn zu wenden, der wüsste noch mehr zu den für mich interessanten Beständen. Unter anderem vielleicht was über ein paar Gemälde. Und ich so innerlich, naja, das werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine Protzens sein, sondern irgendwelche Autobahnen, aber egal, angucken ist immer super.

Und dann saß ich neben dem Herrn an seinem riesigen Monitor, er rief irgendein Außendepot auf, scrollte und scrollte an lustigen Autobahnmodellen vorbei – und blieb bei einem Bild stehen.

Ich so: „Das ist kein Protzen, oder?“ (Ich sollte dazu sagen, dass ich wegen der nicht ganz vollständigen Fotoalben im Nachlass nicht alle seine Werke vor Augen habe, und vorsichtig ausgedrückt hat der Mann nicht unbedingt in einem Stil produziert, den ich als unverkennbar bezeichnen würde. Eher so das Gegenteil.)

Er so: *scrollt ein Bild weiter, wo die Bildrückseite abfotografiert wurde und ich den mir sehr bekannten Adressstempel des Herrn mit Bildtitel und Werknummer sah* „Doch, scho.“

Ich so: (stundenlang zusammengerissen im Archiv, nur Beckerfäuste gemacht, keine Geräusche, aber jetzt dann:) „WAAAHH! … Entschuldigung.“

Er so: *scrollt zu drei weiteren Protzens, die ich sofort erkenne*

Ich so: „Oh, Kaiserslautern! OH, KÖLN! (Von dem Bild wusste ich nicht, wo es abgeblieben war.) Und … äh … ist das von einer GDK? Ach ja, ich seh den Einreichkleber.“ *notiert hektisch Werknummern*

Dann schnackten wir noch über eventuelle weitere Fundorte und dass da im Depot vielleicht sogar noch mehr von ihm sein könnte und mehr weiß ich nicht mehr, weil ich die ganze Zeit nur dachte: HIER LIEGEN VIER PROTZENS IN MEINER NÄHE!

Trockene DM von F.: „Wirst du die Aura der Originale spüren können?“

Das weiß ich leider noch nicht, ich warte auf eine dementsprechende Mail oder einen Anruf. WAAAHH!

Den Stabi-Aufenthalt nach dem Archiv überspringe ich jetzt mal, obwohl ich da auch noch was Hübsches gefunden habe, weil ich im Kopf nur weiterhin denken konnte: HIER LIEGEN VIER PROTZENS IN MEINER NÄHE! Ich erwähnte bereits, dass eine meiner Schwierigkeiten mit diesem Thema ist, dass Bilder, die eindeutig systemkonforme NS-Kunst sind, logischerweise nirgends öffentlich rumhängen. Ich kann immerhin in die Pinakothek der Moderne gehen, wo seine meiner Meinung nach schickste Autobahn hängt, auch wenn die da natürlich als fieses Beispiel für Nazikram ausgestellt ist, SCHON GUT, aber ansonsten kenne ich die wenigsten Werke von ihm im Original, von den Ölgemälden nämlich nur drei. Deswegen fiepse ich seit gestern hysterisch rum und hoffe, dass ich mal ins Archivdepot darf.

Als Rausschmeißer des guten Tags lag zuhause ein Espressopäckchen einer Leserin, anscheinend persönlich geröstet oder immerhin als persönliche Mischung bestellt. Vielen Dank dafür, ich bin schon sehr gespannt. (Auch danke für den Beipackzettel.)

Mit F. unseren traditionellen heißgeräucherten Dezemberlachs verspeist, mit Kartoffelbrei, weil Kartoffelbrei total unterschätzt wird, und dazu Champagner, denn wenn nicht heute, wann dann.

Nachtrag, zwei Minuten, nachdem ich auf Publish geklickt hatte, Mail aus dem Archiv:

„Sehr geehrte Frau Gröner,

die Autobahndirektion hat sich zurück gemeldet und Sie können die Bilder und die Modelle anschauen.“

WAAAAAAAAAAAAAAHHHHH!