Mal wieder verspätetes Tagebuch, weil erkältet, aber immerhin jetzt wieder aktuell, nämlich bis Samstag, 7. Dezember 2019, ha!

Ich konnte meine Erkältung beim Heimatbesuch nicht so recht auskurieren, weswegen ich diese Woche noch etwas memmig am eigenen Schreibtisch saß und dissertierte. Wenigstens der Wille war da, aber mein Kopf dachte an Kochen, jetzt wo ich wieder die heimischen Messer in den Händen hatte und nicht mehr die 70er-Jahre-Stumpfis, an Lesen, weil ich wieder Zeit nur für mich hatte, und an Schlafen, was ich diese Woche trotzdem eher wenig erledigen konnte, weil der Husten mich nicht lässt, der Arsch.

Ausgelesen und hiermit wärmstens weiterempfohlen: Yōko Ogawas The Memory Police. Ich hatte in diesem Eintrag schon mal auf die Rezension beim New Yorker gelinkt, die ich bis heute nicht zuende gelesen habe, um mich nicht spoilern zu lassen. Ich hatte dort auch kurz was zum Inhalt gesagt, bitte mal nachlesen.

Ich fand das Buch irrsinnig ruhig, fast schon spröde und sparsam in seiner Erzählweise. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, auf dünnem, knirschenden Eis zu gehen, weil man als Leserin immer weiß, dass weiterhin Dinge verschwinden, und manche konnten mich durchaus schockieren. Ich möchte zum Inhalt gar nichts sagen, aber ich war von Anfang bis zum Ende von der Sprache fasziniert, fast noch mehr als von der Story. Das erste Buch, bei dem ich mir wünschte, Japanisch lesen zu können. (Englischsprachige Übersetzung von Stephen Snyder.)

Freitag war mein Kopf wieder so halb bei der Sache und ich wühlte mich durch die Online-Findmittel im Münchner Staatsarchiv. Für Dienstag ließ ich mir ein bisschen Zeug der Autobahndirektion Süd ausheben, bevor ich nach Berlin fahre und dort im Bundesarchiv nach Dingen suche, die mir die wenige Sekundärliteratur zu dem Thema verdammt nochmal nicht verraten will. Ich bekam die übliche Bestätigung – und folgende Mail: „Da wir auch mit Dienststellen der Autobahndirektion zu Materialien, darunter Gemälden, in Kontakt stehen, die noch nicht ins Archiv gelangt sind, würde ich Ihnen empfehlen, sich bei Ihrem nächsten Besuch bei Herrn Dr. XX zu melden, der den besten fachlichen Überblick über diese Behördenüberlieferung hat.“

Waah! GEMÄLDE? Ich fiepse seit dem Empfang der Mail etwas rum, denn: Ich weiß immer noch nicht, wo sich einige von Protzens Autobahnbildern heute befinden. Die meisten sind damals an NS-Organisationen verkauft worden, aber eben nicht alle. Ein paar sind im Historischen Museum in Berlin, die habe ich alle schon in der Datenbank zum Central Collecting Point gefunden, aber bei einigen weiß ich nichts über ihren Verbleib. Daher: Waah!

Nebenbei: Mir ist das fast immer sehr bewusst, wenn ich in der Bibliothek des ZI sitze, dass in diesen Räumlichkeiten sowohl die NS-Mitgliederkarteien verwaltet als auch geraubte Meisterwerke gelagert wurden. Das ist schon immer ein besonderes Arbeiten dort. Es liegt vermutlich an meinen Themen, dass es mir dort so geht, aber es erdet trotzdem.

Am Freitag abend waren F. und ich im Broeding, wo wir dieses Jahr noch gar nicht waren und das geht ja nicht. Normalerweise ist das Broeding mein Geburtstagsfestessenort, aber in diesem Jahr hatte ich Irre selbst gekocht, und weil die Reservierung schon länger stand, war auch meine Erkältung egal. Ich konnte alles riechen und schmecken und wie immer exorbitant genießen, aber meine Stimme war danach erstmal weg.

Die Fotos sind von F., weil ich so seltsam saß, dass ich quasi dauernd einen Schatten auf dem Teller gehabt hätte beim Rumknipsen.

Fischiger Wantan mit kleinem Salätchen drunter als Gruß aus der Küche.

Und schon der Lieblingsgang: Gamba mit Schwarzwurzeln und Zuckerschoten. Plus Erdnüsse und ein bisschen scharf.

Romanasalatsuppe mit einem lustigen Käse darin (Salva Cremasco) und weißen Bohnen.

Wolfsbarsch mit Gemüsefrikassee und Sauce béarnaise.

Kronfleisch und flache Schulter mit Karotte und Topinambur als Püree und Chips. Zweitliebster Gang, weil ich Topinambur liebe. Und: Dazu gab’s meinen allerallerliebsten Blaufränkisch, nämlich die Reserve von Moric.

Alpkäse mit Hagebutte und lustigem Kräuterbrot. Wir freuen uns eigentlich ab dem Gruß aus der Küche auf den Käse, weil der immer so toll ist.

Weißes Schoko-Gewürzmousse mit dicken Schokoplocken drin und zuwenig Ananas, alles sehr weihnachtlich gewürzt.

Wie immer sehr zufrieden und glücklich nach Hause gegangen.

Samstag ewig ausgeschlafen, aber dafür endlich mal wieder halbwegs gut. Trotzdem dachte ich, nee, biste brav, bleibste zuhause, gehste nicht ins Stadion nach Augsburg. Die Stimme war wieder da, aber der Husten noch nicht weg, und die Idee, zwei Stunden in der Kälte zu sitzen, war nicht so erfreulich. Ich sagte schweren Herzens bei meinen Mitfahrenden ab, schrieb meinen Einkaufszettel – es sollte Keksiges gebacken werden –, zog mich an, ging vor die Haustür und dachte: He, Moment, das ist ja gar nicht kalt! Und ich huste auch nicht! Schaff ich den Zug noch?

Noch auf dem Zebrastreifen umgekehrt, mich sehr eilig in die Stadionklamotten geworfen und zum Bahnhof aufgemacht. Dabei fiel mir allerdings auf, dass ich mich zu eilig angezogen hatte: An die Thermotights hatte ich gedacht, aber das wärmende Longsleeve vergessen. Am Oberkörper friere ich eigentlich selten, eher an Händen, Knien und Füßen, ich dachte also, egal, wir versuchen das. Eine Mitfahrerin meinte, wenn’s zu schlimm sei, könnte ich mich in die Fußballkneipe direkt am Stadion setzen, da liefe das Spiel auch. Wie irre wäre das denn bitte. In Sichtweite vom Stadion nicht im Stadion gucken. Aber für Kinder ist das Ganze anscheinend eine gute Idee, wenn es wirklich zu kalt wird.

Ich hatte eine bessere Idee: den Fanshop, in dem es Decken käuflich zu erwerben gab. Ich habe zwar natürlich eine Fleecedecke, Oma Gröner braucht bei null Grad halt was auf den Knien, aber dann habe ich eben noch eine, sogar gebrandet. (F. so: „Jetzt brauchst du für die Bayern-Damen auch noch eine.“ Nooo!) Die Decke wickelte ich mir so kongenial um den Körper, dass sowohl meine Lunge als auch meine Knie warm waren, trug die Jacke darüber und hatte eine hervorragende Zeit. Also bis auf den Fußball, über den wir uns teilweise wieder echauffieren mussten. Egal, 2:1 gewonnen, und bei Siegen leuchtet das Stadion danach in grün.

Ich erwischte in der vollen Stadiontram zurück zum Bahnhof sogar einen Sitzplatz, aber der kam mit einem Preis: Ich saß neben zwei älteren Herren, die 15 Minuten lang möglichst laut ihren Rotz hochzogen, während sie über Finanzen sprachen. Team Taschentücher, herrgottnochmal!

Aber: Weil wir schon gegen 19 Uhr wieder in München waren, konnte ich sogar noch einkaufen und Kekse backen. Jedenfalls zwei der geplanten fünf Sorten.