Tagebuch, Donnerstag bis Sonntag, 14. bis 17. März 2019 – Fifty and fabulous (and some small freakouts)

Donnerstag morgen begann ich mit den Vorbereitungen auf meine Geburtstagsfeier am Samstag. Ich hatte mir erstmals einen Zeitplan gebastelt, um Einkaufen, Kochen und Wohnung besucherfein zu machen koordinieren zu können, ohne wahnsinnig zu werden. Im Nachhinein war das eine meiner besseren Ideen. Die Idee, alleine für 25 Leute zu kochen, würde ich eher unter „Das machen wir vermutlich nie wieder“ ablegen. Aber um das schon mal vorwegzunehmen: Es war eine der besten Partys, auf denen ich je war. Und ich hoffe, dass meine Gäste ähnlich viel Spaß hatten.

Zeitplan für Donnerstag:
– Arbeitszimmer putzen und umräumen
– Silber putzen, Geschirr und Gläser in der Küche bereitstellen
– Wäsche waschen
– Bohnenpüree und Muhammara machen

Morgens musste ich noch einkaufen. Auf dem Rückweg erwischte mich dann eine Kundin am Telefon; wir verabredeten uns für den Freitagvormittag noch mal. Damit war klar: Das Arbeitszimmer konnte noch nicht ganz Party Central werden, weil ich den Schreibtisch noch brauchen würde. Ich konnte ihn aber immerhin schon fast leerräumen, ein paar Stehlampen anders positionieren, damit meine Gäste nicht dauernd in sie reinrennen, und vor allem viele Kabel stolpersicher verstauen. (Ich umkreise sonst Kabel und Lampen. Ja, das muss so.) Ich konnte außerdem schon eine Decke auf den Tisch legen, damit die vermutlich unvermeidbaren Essensflecken nicht auf meiner blütenweißen Tischplatte landeten.

Das Bohnenpüree und der dazugehörige Paprikadip sind aus Ottolenghis „Simple“ und hiermit in die geistige Standardrezeptdatenbank aufgenommen. Geht schnell und einfach und schmeckt. Zum Silberputzen hatte ich natürlich keine Lust und ließ das Alufolie und Salz übernehmen. Gläser und Besteck konnte ich dann doch noch nicht dramatisch drapieren, weil ich die ganzen Flächen noch als Abstellraum brauchte. Aber wir haben ja Zeit, das geht alles bestimmt entspannt noch am Samstag.

(Haha.)

Donnerstag abend war ich verabredet: Der ehemalige Kerl, der inzwischen im Blog Kai heißt, war netterweise in der Stadt, und weil ich ahnte, dass ich am Samstag eh mit jedem Gast nur zwei Minuten würde sprechen können, gingen wir in Ruhe zu zweit ein Schnitzel essen, lungerten dann noch in meiner Küche rum, und ich freute mich, ihn zum Freund zu haben.

Freitag begann dann die ernsthafte Küchenschlacht. Ich hatte viele vegetarische Rezepte rausgesucht, die frisch zubereitet werden sollten, weswegen ich nicht so irre viel früher anfangen konnte als eben einen Tag vor der Party und auch noch am Feiertag selbst genug machen musste.

Zeitplan:
– Hackbällchen machen
– Muffins backen
– Welfenspeise machen
– Bohnentopf machen
– Hühnerbrüste pochieren für indonesischen Salat
– Cashewkerne für Zucchinisalat rösten
– Jogurtsauce für Möhren
– Dressing für Frühlingszwiebelsalat
– Knoblauchbutter machen
– Schlafzimmer, Flur, Bibliothek putzen

Freitagnachmittag:
– Getränke mit F. kaufen
– Bad putzen
– Küche soweit wie möglich putzen

Dass der letzte Punkt totaler Irrsinn ist, wenn man Samstag auch noch kochen will, ist mir netterweise noch eingefallen, aber aus Dokumentationszwecken lasse ich den mal stehen.

Aber dann: Hackbällchen, einmal mit, einmal ohne Petersilie für Menschen, die unfassbarerweise keine Petersilie mögen *hust* F. *hust*. Am Samstag konnte ich interessiert dabei zusehen, wie die Schüssel mit den Petersilienbällchen deutlich schneller leer wurde als die andere. Bei den vielen Schüsseln und Platten, anwesenden Vegetarier*innen und eventuell Menschen mit Unverträglichkeiten dachte ich schlau: Ich schreib einfach kleine Schilder, auf denen Zutaten bzw. Allergene draufstehen. Zwischen den zwei Hackbällchenschüsseln stand nur ein Schild: „< -- mit Petersilie ohne -->“. Funktionierte.

Dann buk ich Muffins, die ich Samstag noch glasieren wollte. An denen stand das Schild: „Zitronenmuffins, aus Zeitgründen unglasiert.“ Ihr seht schon, wo dieser Blogeintrag hingeht.

Dann warf ich die Zutaten für das fleischlose Chili zusammen, pochierte nebenbei Hühnerbrüste und schnitt soweit wie möglich schon Zutaten für den dazugehörigen Salat, mischte Dressings und Saucen, ignorierte die Idee mit der Knoblauchbutter und fand auch, dass Cashewkerne nicht geröstet werden müssten, um wohlschmeckend zu sein.

In einer kleinen Rücken- und Füßchenausruhpause auf dem Sofa sah ich, dass Okwui Enwezor verstorben war, was mich doch etwas mehr mitnahm als erwartet. Enwezor war von 2011 bis 2018 Direktor des Hauses der Kunst gewesen, und seine Postwar-Ausstellung hatte in meinem Kopf viel mehr umgeworfen und neu geordnet als ich vor dem Besuch dachte. Und obwohl man wusste, dass er krank war, dachte ich die ganze Zeit, ich könne vielleicht noch eine weitere Ausstellung von ihm sehen, nicht mehr in München, aber dann eben woanders. Leider nicht. Krebs ist also immer noch ein Arschloch.

Hier Enwezors Fotoserie für „Sagen Sie jetzt nichts“, von der gleich das erste Bild mein Liebling ist (und die 7!), hier der Nachruf in der FAZ, hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Spiegel-Gespräch aus dem vergangenen August, das hinter einer Paywall ist.

Den restlichen Freitag putzte und wuschelte ich so rum und merkte langsam, aber sehr dringlich, dass ich eventuell zu optimistisch an alles rangegangen war, vor allem, was meine Küchenausstattung anging. Ich hatte mir so launig überlegt, hey, du nimmst einfach deine fünf liebsten Salatrezepte, verdreifachst die Mengen und gut ist. Was ich dabei total vergessen hatte: Wenn man dreimal mehr Zutaten nimmt, braucht man auch dreimal so große Schüsseln, und genau daran scheiterte ich diverse Male. Ich hatte genau zwei richtig große Schüsseln und die brauchte ich beide für die Welfenspeise, den besten aller Nachtische, den ich Niedersächsin den vielen Bayer*innen nahebringen wollte. So wurden aus den drei Kilo Möhren, die ich servieren wollte, nur noch zwei, weil die genau in eine Schüssel passten, in der sie bis Samstag im Kühlschrank ausharren konnten, bevor sie aufs Backblech mussten.

Apropos Kühlschrank. In meiner Wohnung gehört ein kleiner Kühlschrank zur Küchenzeile, der aber seit dem Umzug nur noch ausgeschaltet rumsteht, weil ich mir einen größeren gegönnt habe. Jetzt sollte er kongenial zum Getränkekühlschrank werden, weswegen er seit Donnerstag wieder angeschaltet war. Anstatt Freitag abend die erstandenen Bier- und Speziflaschen in ihn zu räumen, parkte ich dort erstmal geschnittenes Gemüse und Dressings in Marmeladegläsern, weil mein normaler Kühlschrank schon mit ungeschnittenem Gemüse voll war.

Flur und Bibliothek wurden entstaubt und gesaugt, das Schlafzimmer immerhin entstaubt, das Bad blieb ungeputzt.

Letzter Tagesordnungspunkt: Weinschaumcreme für die Welfenspeise machen. Die Vanillecreme hatte ich schon angefertigt, die kühlte seit Stunden vor sich hin. Nun schlug ich die zwölf Eigelbe mit Zucker und Weißwein über dem Wasserbad auf, schlug und schlug, bis alles endlich Schaum war und füllte den dann vorsichtig in die Schüssel mit der Vanillecreme. Aber erst, nachdem ich fünf ordentliche Kellen abgenommen hatte, denn sonst hätte nicht alles reingepasst. Ungeplantes Feierabendfutter! Creme und Schaum kamen in den Kühlschrank und ich hoffte darauf, dass Samstag morgen alles fest und hübsch war.

F. war Freitag schon vor Mitternacht eingeschlafen, weswegen ich die ersten Glückwünsche von ihm erst am Samstag morgen bekam. Direkt nach der Freude darüber, Geburtstagsprinzessin zu sein, bekam ich Atemnot ob der neuen Jahresanzahl.

Zeitplan:
– Bett neu beziehen
– Hefeteig für Zwiebel und Lauchtorte ansetzen
– Käse aus dem Kühlschrank holen
– Bäckereibestellung abholen (ab 9)
– Möhren rösten
– Blumenkohl für Salat rösten und abkühlen lassen /andere Zutaten zusammenfügen, erst kurz vor 19 Uhr zusammenwerfen
– Gemüse schneiden, Eiermilch machen für Lauch und Zwiebelkuchen
– Frühlingszwiebelsalat machen
– Nudeln kochen für Salat
– Muffins dekorieren
– Dressing für: Hähnchensalat, Zucchinisalat
– Käseplatte machen
– Chips verteilen, Aschenbecher auf Balkon
– Bohnenpüree verteilen
– Zucchinsalat 18 Uhr?

Die Bäckereibestellung übernahm netterweise F., der eh nach Hause musste, um sich in Fußballklamotten zu werfen, denn der FC Augsburg hatte Heimspiel, das mir leider entging. Ich hatte für einen winzigen Augenblick darüber nachgedacht, hinzufahren – „Ich bereite einfach alles perfekt vor und fange mit der Feier erst um 20 Uhr an, das geht schon“ –, mich aber intelligenterweise selbst davon abgebracht.

Als F. gegangen war, schaute ich als erstes nach der Welfenspeise – und war traurig und muksch. Anstatt zu erstarren, hatte sich der Wein nach unten in die Schüssel verzogen, über ihm schwamm die Vanillecreme und oben drauf war eine hässliche Zuckerschicht. Sah füchterlich aus, aber wenn man einen Löffel durch alles zog, schmeckte es immerhin. Es landete trotzdem im Klo (sorry, Stadtwerke, aber wo soll das denn sonst hin?) und ich überlegte, den ganzen Quatsch zu lassen und Pizza zu bestellen. Klingt bescheuert, aber genau die Welfenspeise wollte ich am dringendsten haben, Rest ist egal, Salat machen ja alle. Dass ausgerechnet die jetzt so danebengegangen war, nervte kolossal. Normalerweise mache ich die Vanillecreme ein paar Stunden vorher und schlage dann den Weinschaum frisch zum Servieren auf. Dazu hatte ich als Gastgeberin natürlich überhaupt keine Zeit und Lust, daher der Versuch mit dem alles auf einmal. Doofer Versuch.

Im Hinterkopf hatte ich aber meinen Schwager, der auch gerne kocht und zudem total hilfsbereit ist; vielleicht würde der sich mal für zehn Minuten an den Herd stellen, während ich weiter die total entspannte und unverschwitzte Gastgeberin gab? Bestimmt! F. kam wieder vorbei, brachte Baguettes und Brezn, und ich bat ihn, noch eine Runde Sahne, Eier und Vanilleschoten zu kaufen, um eine neue Schüssel vorzubereiten.


Das Weinregal wurde professionell gegen durstige Langfinger gesichert.

Immerhin die ersten vier Punkte auf der Liste klappten gut, aber ab den Möhren entglitt dann wieder alles. Die Schüssel hatte ich noch mit ihnen vollbekommen, das Backblech scheiterte aber total. Ich brauchte nämlich zwei Bleche und nicht nur eins, um die Dinger auszubreiten, merkte danach außerdem, dass die Honigmarinade die Bleche trotz Backpapier so richtig schön eingesaut hatte, weswegen ich erstmal spülen musste und der tolle Plan, direkt nach den Möhren entspannt den Blumenkohl in den Ofen zu schieben, gegessen war. Außerdem brauchten die Möhren fast doppelt so lange wie im Rezept angegeben, um nicht mehr steinhart zu sein, aber das war dann auch schon egal. Ich briet Zwiebeln in der Pfanne an, damit sie nicht roh auf den Zwiebelkuchen kamen, verfluchte wieder Lauch und Lauchzwiebeln, weil sie immer dreckig sind und letztere auch noch in den Augen wehtun und superfitzelig zu schälen sind, immerhin war der Hefeteig so richtig geil aufgegangen, was mich sehr freute, ich rollte ihn aus, er passte auf mein allerletztes Backblech, ich verteilte schon Salate auf Platten, denn die Schüsseln brauchte ich ja dauernd, schnitt, spülte ab, räumte dreimal den Geschirrspüler ein und aus, machte in Rekordzeit Pesto und Nudelsalat, schrieb die letzten Schilder, konnte irgendwann endlich mal Gläser und Bestecke verteilen und schließlich mit letzter Kraft auch noch das Bad putzen und die völlig zerstörte Küche wiederherstellen. Der Zucchinisalat besteht bis heute aus acht Zucchinis, die in meinem Gemüsefach liegen (gut, dass ich die Cashews dafür nicht geröstet habe), die Muffins blieben unglasiert, ich vergaß Salz und Pfeffer für die Eiermilch auf dem Zwiebelkuchen, der ein kombinierter Lauch-Zwiebelkuchen wurde, weil ich keine zwei Bleche mehr hatte, warf den Blumenkohlsalat schon zusammen, nix mit „erst kurz bevor die Gäste kommen“, und überhaupt wollte ich in der Halbzeit des Fußballspiels, als ich endlich, endlich mit allem fertig und geduscht war, nur noch den ersten Sekt aufmachen und dann schlafen gehen.

Aber dann, als ich Füße und Rücken wieder ausgeruht, Augsburg 3:1 gewonnen und ich eine Spezi getrunken hatte, ging’s wieder. Schwester und Schwager kamen schon vor 19 Uhr vorbei, brachten noch einen hervorragenden Nudelsalat mit, und Schwagerschatz nickte natürlich sofort, als ich um das Weincremeschäumen bat. Dann klingelten 25 Leute hintereinander, ich stand eigentlich nur an der Tür, immer mit einem frischen Kremang in der Hand, den F. flaschenweise angeschleppt hatte, freute mich über Menschen und Umarmungen und sehr viele Geschenke, obwohl ich nur mit einem Massengeschenk gerechnet hatte. Wenn ich mir den Tisch so ansehe, kann ich die nächsten Monate betrunken literweise Espresso kochen.

Es hatten mich mehrere Gäste im Vorfeld gefragt, ob sie etwas Essbares beisteuern sollten, und obwohl ich natürlich dachte „DAS PASST ALLES NICHT INS KONZEPT!“, war ich im Nachhinein sehr dankbar für das Tiramisu, die Apfelschnecken und natürlich den Geburtstagskuchen, den ich völlig vergessen hätte. Danke dafür! Ich esse gerade das letzte Stück davon. (Das oben im Bild ist die Vanillecreme noch ohne Weinschaum, der wurde wirklich heiß serviert <3)


Das Massengeschenk, von dem ich vorher wusste, war eine Espressomühle, die Sonntag morgen gleich aufgebaut und eingeweiht wurde. Da meine Gästeschnuffis aber irre freigiebig waren, bekam ich dazu noch diverse Kaffeesorten, ein größeres Milchkännchen und, so geil, einen Latte-Art-Kurs, über den ich sehr laut gequietscht habe. Die ersten Dekowünsche wurden bereits angebracht – „die Augsburger Zirbelnuss!“ – und ich freue mich schon sehr vor.

Ich kann gar nicht beschreiben, wie viel Spaß ich an der eigenen Party hatte. Normalerweise bin ich die gestresste Gastgeberin, die bloß keine Flecke auf den weißen Sofas haben und spätestens nach zwei Stunden alle Gäste vor die Tür kärchern will, aber dieses Mal war es einfach schön. Ich habe mich darüber gefreut, dass Leute aus Hamburg und Köln nach München gekommen sind, dass so gut wie alle Eingeladenen auch kamen, dass sich alle hübsch und in wechselnden Formationen in der Wohnung verteilten, dass nicht nur über Fußball geredet wurde, dass es anscheinend allen geschmeckt hat – DIE WELFENSPEISE IST LEER GEWORDEN! –, dass sehr viele recht lange blieben und zwischendurch einfach mal abgespült wurde, weil ich nicht genug Teller und Gläser hatte. Ganz zum Schluss blieb noch ein Gast, der mit F. Omas Goldrandgeschirr abwusch, während ich den Rest der Wohnung schon wieder ansatzweise in den gästefreien Zustand zurückversetzte, und um kurz vor 3 war ich dann sehr glücklich, zufrieden, dankbar und nur ein bisschen angeschickert im Bett.

Und am Sonntag machten F., Schwager, Schwester und ich dann das, was alle Münchner mit Essensresten bei gutem Wetter machen: Man schleppt sie in den Biergarten und holt sich eine Maß dazu. Oma Gröner ruht sich jetzt aus.