Tagebuch Dienstag, 7. Januar 2020 – Archivhumor
Wie gestern im Blogeintrag prophezeit: Ich kann gar keine Blogpause machen, weil ich in Archiven immer was Tolles finde.
Gestern shuttelte ich zum Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Dort war ich für die erste Hausarbeit zu Leo von Welden schon einmal gewesen und hatte mich durch die Einreichbücher zur GDK gewühlt, um zu prüfen, ob Leo neben den Werken, die im Ausstellungskatalog auftauchen, noch weitere eingereicht hatte. Damals musste man nur fünf Minuten warten und bekam dann alles in dem Raum vorgelegt, in dem man das Findmittelbuch durchgeblättert hatte.
Ich erwartete also dasselbe Prozedere, klopfte an irgendeine Tür, um mich anzumelden, da war niemand, aber jemand auf dem Gang fragte nach meinem Begehr und brachte mich nach meinem inzwischen achthundertmal an vielen Orten aufgesagten Sprüchlein „Ich bin Doktorandin der Kunstgeschichte und promoviere zum Maler Carl Theodor Protzen achtzehnsiebenundachtzig bis neunzehnsechsundfünfzig“ zum richtigen Ansprechpartner. Der freundliche Herr führte mich in eben den kleinen Lesesaal, den ich kannte, ich blätterte zum Spaß das Findmittelbuch durch, denn ich hatte online ja schon rausgesucht, was ich haben wollte, füllte nach seinen Anweisungen den Bestellschein aus, und er bat mich zu warten.
Wenige Minuten später kam er wieder und meinte: „Das können Sie dann in drei Wochen einsehen.“
Ich so:
Er so:
„Haha, nur Spaß. Legen wir gleich drüben für Sie im Lesesaal raus. Haha.“
Ich musste mitlachen, weil er sich so freute, mich fies drangekriegt zu haben, diese leichtgläubigen Archivbesucherinnen, haha.
Aber: Ich musste aus der Abteilung V nun rüber in den Lesesaal, den ich noch gar nicht kannte. Ich umschiffte gekonnt die Klippe, in die falsche Tür zum Staatsarchiv München zu gehen, sondern nahm die eine weiter in Bayerische Hauptstaatsarchiv. Ich weiß nicht, wie lange der riesige Wegweiser mit den beiden Namen da schon steht – ich meine, ich bin 2016 noch ins falsche Archiv gelatscht, weil ich nicht wusste, wo jetzt was ist.
Im Staatsarchiv war ich gerade erst vor ein paar Wochen, und dort hatte ich gelernt: Wenn man schon mal da war, auch wenn es drei Jahre her ist und man den kleinen Benutzerausweis längst weggeschmissen hat, ist man noch im System. Das lernte ich, indem ich dort am Empfang sagte, ich hätte keinen Ausweis, dann durfte ich an einem Rechner alles ausfüllen (immerhin nicht mehr per Hand auf einem Bogen, den dann irgendwer abtippen muss), dann bekam ich die Fehlermeldung, dass es mich schon gibt, der Empfangsmensch korrigierte Dinge, druckte alles aus und erstellte meinen neuen Ausweis aus, auf dem nun nicht mehr „Leo von Welden“ steht, sondern „Carl Theodor Protzen“. Bis er den Ausweis ausfüllen konnte, musste er mir aber die Eingabemaske nochmal öffnen, denn wie ich auch gelernt habe: Mit dem Apple-Klammergriff für das @ setzt man die Windows-Maske wieder auf Null.
Daher war ich jetzt bei den Nachbarn im Hauptstaatsarchiv vorbereitet und sagte brav, ich sei schon im System. Wie zu erwarten war, fand man mich hier nicht mehr wieder und ich durfte ein zweites Mal alles eingeben. Dieses Mal ließ ich mir aber vorher zeigen, wie man das @ tippt und bekam ohne Umwege einen zweiten neuen Ausweis. Damit durfte ich dann endlich in den Lesesaal, wo die fünf ausgehobenen Akten schon auf mich warteten, wie nett!
Ich hatte mir Sitzungsprotokolle der Münchner Künstlergenossenschaft ausheben lassen, dazu Korrespondenz bzw. Briefentwürfe zur Ausstellung „Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst“ (1936) und noch ein bisschen Kleinkram. Und weil Archive ja immer super sind, fand ich einiges, das ich eigentlich in Berlin vermutet hatte und noch mehr Dinge, die ich nicht ahnen konnte. Gaaaanz langsam verdichtet sich mein Bild, was den Künstler, sein Engagement im Münchner Kunstleben und die ersten beauftragten Bilder der ollen Autobahnen angeht, und das war ein ganz hervorragender Arbeitstag.
Feierabend um 15 Uhr, weil alles durchgearbeitet.
(Ich bin mir gerade selbst nicht sicher, ob die Minions in einen Blogeintrag gehören, in dem auch Hitler erwähnt wird. Ich hatte das erste Gif nur so dermaßen vor Augen, als ich fassungslos vor dem Archivar rummemmte.)
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Kekspaket zur Post gebracht und nur zehn Minuten in der Warteschlange gestanden. Kein Buch dabeigehabt, daher die Kindle-App auf dem Handy angeworfen.
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Mit leichterem Rucksack nach Hause spaziert, dort alles abgeworfen, die dicke Wolljacke gegen mein geliebtes, bequemeres, leichteres Frühlings- und Herbsthoodie getauscht – wir hatten schließlich satte fünf Grad – und den vertrockneten Weihnachtsbaum 300 Meter weit zur Abgabestelle getragen.
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Abends kam F. von seinem Kurzurlaub zurück und brachte kiloweise Käse mit, wie man das halt macht, wenn man im Allgäu war. Außerdem zwei Bücher des klassischen Kanons, die ich noch nicht gelesen hatte. Gestern abend noch erledigt.