Was schön war, Dienstag, 14. Januar 2020 – Meilensteinchen und Möhren
Gestern war Stabi-Tag. Leider per Bus und nicht per Fahrrad, denn das hatte überraschend einen platten Vorderreifen, ich keine Lust zum Aufpumpen und daher fuhr ich per Bus ins Paradies. In meinem Lesesaalfach warteten alle Kataloge der Großen Deutschen Kunstausstellung auf mich, die irritierenderweise nicht im Zentralinstitut für Kunstgeschichte stehen. Die kann man natürlich auch online durchblättern, aber wenn mich etwas wahnsinnig macht, dann Bücher zum digitalen Durchblättern, bei denen das Blättern viel länger dauert als das in Papierform, wo man deutlich komfortabler mal eben zum Buchstaben P wie Protzen kommt.
Kleine Anmerkung zu den Ergänzungsbänden im Link: Die Kunstwerke der GDK wurden nach einigen Monaten ausgetauscht bzw. einige wurden entnommen und durch andere ersetzt. Das Ganze war eine Verkaufsschau, und daher war neue Ware immer super. Deswegen gab es Ergänzungskataloge. Und noch eine Anmerkung zum Wikipedia-Artikel, an den ich mich irgendwann mal ransetzen werde: Die drei Zeilen zu von Hitler angekauften Werken kann man total knicken. Hitler bzw. NS-Organisationen waren die größten Käufer der Ausstellung und machten dafür auch richtig Geld locker, deswegen wollten die Künstler dort ja ausstellen – die Chance zu verkaufen, war recht hoch, und da die Künstler die Preise selbst festlegen durften, waren die Erlöse auch deutlich höher als auf anderen Ausstellungen. Nochmal zum Wiki-Eintrag: Sätze wie „Der ‚Führer‘ und Reichskanzler kaufte mehrere Werke während der Ausstellung an“ sind eher albern, weil sie die Größenordnung verkennen. Hitler hatte Vorkaufsrecht vor Ausstellungsbeginn und kaufte zwischen 1937 und 1944 1324 Exponate im Wert von 6,8 Millionen RM. (Quelle: Brantl, Sabine: Haus der Kunst, München. Ein Ort und seine Geschichte im Nationalsozialismus, München 2015, 2. vollständig überarbeitete und verbesserte Auflage, S. 102.)
Zurück in die Stabi und zu den Originalkatalogen, in denen ich jetzt guckte, wer denn in welchem Jahr zwischen 1937 und 1944 was zum Thema Autobahn gemalt hatte. Das kann ich natürlich auch online machen – Stichwortsuche „Autobahn“ –, aber ich gucke halt lieber nochmal selbst. Und ich fand auch eine Lücke in meiner liebsten Datenbank. Ausgerechnet das Bild „Limburg“ von Oskar Graf, das neben Protzens „Straßen des Führers“ in Frankfurt 1974 hing, in der ersten großen Ausstellung von sogenannter NS-Kunst in der Bundesrepublik, war nicht mit „Autobahn“ getaggt. Und für sowas blättert man halt Kataloge durch.
Das dauerte alles ewig lange, totale Überraschung, und ich jammerte F. per DM voll, mimimi, lange, viel, worauf der kleine Schlaumeier kommentierte: „Sonst hätte sie ja Kleine Deutsche Kunstausstellung geheißen.“ Mpf.
(Mimimi: 1941 – 1889 Kunstwerke! MI! MI! MI!)
Genau wegen Katalogen mit eintausendachthundertneunundachtzig Kunstwerken (PLUS ERGÄNZUNGSKATALOG!) hatte ich mich bis jetzt um die GDK gedrückt. Die arbeitete ich jetzt aber ab, machte gegen 14 Uhr Mittagspause und fuhr nach Hause.
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Dort kochte ich dieses Rezept von Julia nach, allerdings ohne Granatapfel und Minze und noch irgendwas fehlte auch, also im Prinzip gab es bei mir Linsen, mit Thymian und Lorbeerblatt gekocht und mit Apfelessig und Zitronensaft abgeschmeckt, und dazu herrliche Ofenkarotten, die ich in Ras-el-Hanout gewälzt hatte. Die schmorte ich aus Versehen deutlich länger als ich sonst Möhren im Ofen lasse, denn eigentlich mag ich sie bissfest, aber so mummelig weich und toll gewürzt werde ich sie jetzt öfter machen. Das Foto, was ich gestern auf Insta postete, finde ich heute doof, und deswegen steht es hier auch nicht.
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Den restlichen Nachmittag verbrachte ich wieder am Schreibtisch, nutzte nun die digitalen Ergänzungskataloge, denn die hatten wir leider nicht auf Papier in der Stabi, und schaffte es bis gegen 20 Uhr bis ins Jahr 1944.
Mir fehlen jetzt noch ein paar Ausstellungen, zu denen ich in München keine Kataloge gefunden habe, daher kommt nun eine Fernleihebestellung, die ich bewusst bis zum Ende aufgehoben hatte. Die landet nämlich im Lesesaal der Uni-Bibliothek, der von allen Lesesälen am langweiligsten, altmodischsten sowie luft- und akustikunfreundlichsten ist und daher meide ich ihn, wo ich kann.
Dann fehlen mir noch Informationen zu einigen Anmerkungen Protzens im Werkverzeichnis – ich weiß immer noch nicht, welche Ausstellung er mit „38 Wien“ gemeint hat zum Beispiel. Darüber grübele ich noch ein bisschen, aber wenn diese Lücken auch geschlossen sind, habe ich endlich alle Ausstellungen bis zum Ende der NS-Zeit aufgearbeitet, also nicht nur notiert, sondern eingeordnet, Kontext geschaffen, das Werk erläutert, und das ist ein kleines Meilensteinchen. Die Ausstellungen von 1945 bis 1956, seinem Todesjahr, sind mir weitaus egaler und die werde ich auch etwas stiefmütterlicher – aka kürzer – behandeln als die von vor 1945.
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Abends zwei Folgen „Chef’s Table“ geguckt und dabei einen Metzger aus Italien kennengelernt, der from nose to tail arbeitet. Das ist ja eine gute und richtige Idee, auch dass der Mann in seinem kleinen Restaurant den Leuten nicht nur Steaks serviert, sondern gegessen wird, was auf den Tisch kommt, und das sind dann eben auch Kopf und Arsch vom Rind, aber bei mir blieb nach der Folge eher hängen: Ehe ich das esse, esse ich lieber Linsen mit Möhren.