Tagebuch Sonntag, 8. März 2020 – Schreibtischtag
Den ganzen Tag am Schlussteil der Diss gesessen. Zwischendurch Fußball und Saturday Night Live geguckt, Reste des samstäglichen Abendbrots vertilgt, diverse Mails an diverse Archive geschrieben, in denen ich noch rumwühlen will und schon war der Tag rum. Die Zielgerade der kompletten ersten Textfassung bis auf die geplant dreiseitige Einleitung ist da vorne, hinter diesem kleinen Hügel. Mal sehen, ob ich sie noch diese Woche erreiche.
—
Augsburg spielte in München, aber ich hatte mich nicht um eine Karte bemüht. Momentan reizen mich Veranstaltungen mit 75.000 Menschen um mich herum eher nicht so, aber ich ahne, dass meine Chance ähnlich groß ist, mich mit COVID-19 anzustecken, indem ich mit dem Bus ins Archiv fahre oder zwischen jugendlich-leichtsinnigen-sich-unsterblich-fühlenden Studis im Historicum sitze. Trotzdem gut, dass ich zuhause auf dem Sofa war, sonst hätte ich mich noch mehr aufgeregt. Während des Spiels kamen die üblichen „Scheiß-DFB“-Wechselgesänge zwischen den beiden Fankurven wie in so ziemlich jedem Stadion. Sobald sie beendet sind, wird geklatscht und weiter geht’s. Das Operettenpublikum in der Arena entschied sich lieber dafür, ein bisschen zu pfeifen. Und wie üblich war der halbe Unterrang in der 75. Minute schon leer, weil es wichtiger ist, zu den ersten 300 Autos zu gehören, die im Stau am Parkhausausgang stehen als zu gucken, ob aus dem wackeligen 1:0 der Heimmannschaft noch ein Unentschieden wird. (Wurde es leider nicht. Schwein gehabt, Pappnasen.)
Letzten Samstag hatte sich Kai Dittmann als Kommentator völlig vorausgabt, indem er die Fanproteste in einen Topf mit gewissen „dunklen Zeiten“ geworfen hatte; dieses Mal kommentierte Wolff Fuss und war deutlich sachlicher. Die vielen Banner der Südkurve wurden, wenn ich richtig hingeguckt habe, nicht eingeblendet, aber Fuss berichtete von ihrem Vorhandensein und auch ihren Inhalten und meinte, das müsse der Verein aushalten, dass nicht alle glücklich sind über Deals mit fucking Katar, und dass es schon arg albern ist, dass sich die Spieler auf dem Rasen hinter das lächerliche „Rot gegen Rassismus“-Plakat stellen, während Tönnies weiter schön bei Schalke Geld verdient. Überrascht war ich außerdem von der CSU-Bürgermeister-Kandidatin Frank, die vor dem Spiel ein Interview gab. Sie stehe angeblich seit 25 Jahren mit einer Dauerkarte in der Südkurve und sie habe sich sehr über die einseitige Berichterstattung über angeblich hasserfüllte Fans der letzten Woche geärgert. Ich werde sie trotzdem nicht wählen, aber: well played.
—
Und jetzt höre ich die heutige Ausgabe vom wohltuend sachlichen Podcast mit Christian Drosten, dem Leiter der Virologie in der Berliner Charité und empfehle den Beitrag von Lars Fischer, warum Corona dann doch eine andere Hausnummer ist als Grippe.