Tagebuch Dienstag, 31. März 2020 – Schaddoneh statt Semesterticket

Eigentlich hätte ich gestern mein neues – letztes, wimmer – Semesterticket gekauft. Eigentlich wäre ich zur Uni gefahren und hätte meine LMU-Card fürs nächste – letzte, wimmer – Semester aktualisiert. Eigentlich wäre ich vermutlich in irgendeinem Archiv ohne Mundschutz gewesen, zu dem ich gut gelaunt geradelt wäre, aber ach.

Ich weiß gar nicht, ob ich das Semesterticket überhaupt brauchen werde. Vor Ende April, vermutlich eher Ende Mai wird hier vermutlich nichts gehen, und im Sommer fahre ich eh dauernd Fahrrad. Ich hatte mir zwar vorgenommen, nach acht Jahren Uni endlich mal für lau zum Tegernsee zu gondeln, wenn ich das schon darf, aber ihr wisst ja. Dass meine LMU-Card nicht aktuell ist, ist auch irgendwie wurst, denn im Moment muss ich sie ja nicht in Bibliotheken zum Ausleihen verwenden. Die Termine bleiben trotzdem im Kalender stehen, weil es das letzte Mal ist, dass ich es erledigt hätte. (Und jetzt heule ich ein bisschen beim Tippen. Gleich mal für das nächste Orchideenfach immatrikulieren.)

Statt draußen rumzulaufen, saß ich also wieder brav am Schreibtisch, lauschte der Bibliothek in Oxford und kämpfte mich durch meinen eigenen Text über die Jahre 1934 und 1935. Das hatte ich vorgestern zunächst falsch im Blogeintrag notiert und im Laufe des Tages korrigiert – ich war mit 1934 noch nicht fertig, das erledigte ich vormittags, und nachmittags kam dann 1935. Damit wurde ich aber auch wieder nicht fertig, weil da auch der Brocken am Ende des Jahres kommt. Meine Güte, habe ich viel geschrieben.

Late Lunch: Spätzle aus der Tüte, Röstzwiebeln frisch aus der Pfanne und ein paar Schinken- und Käserestchen, die noch wegmussten. Immer wenn ich Zwiebeln für dieses Gericht schneide, denke ich „viel zu viele Zwiebeln“, und immer, wenn ich sie dann goldbraun in die Auflaufform fülle, denke ich „viel zu wenig Zwiebeln“.

Abends dann, total aufregend, mein erster Google Hangout und zwar mit den beiden Hamburger Damen. Meine komplette Twitter-Timeline scheint nur noch in virtuellen Konferenzschaltungen rumzuhängen, wobei ich nie mitreden konnte und alle Memes nicht verstanden habe, aber jetzt bin ich im Thema! Unser Hangout war allerdings kein Arbeitstermin, sondern Weinchentrinken und Witzemachen und das tat sehr gut. Memo to me: nächstes Mal ruhig eine ganze Flasche Wein an den Rechner stellen und nicht nur die restliche halbe, die seit einer Woche im Kühlschrank rumstand.

Auch im Hangout gab es gute Tipps, wie mit Corona umzugehen sei. Einfach auf alte Hamburger hören, die über Grippe reden. Vor allem auf die Dame am Schluss.

Mich nachts vom RIAS Kammerchor in den Schlaf singen lassen.

This Is Not the Apocalypse You Were Looking For

Laurie Penny mäandert sehr lesenswert um das Thema Ende der Welt vs. Ende des Kapitalismus herum und warum ersteres für viele eher vorstellbar ist.

„Covid-19 changed everything. Suddenly, the immense and frightening upheaval, the cataclysm that means nothing can go back to normal, is here, and it’s so different from what we imagined. I was expecting Half-Life. I was expecting World War Z. I’ve been dressing like I’m in The Matrix since 2003. I was not expecting to be facing this sort of thing in snuggly socks and a dressing gown, thousands of miles from home, trying not to panic and craving a proper cup of tea. This apocalypse is less Danny Boyle and more Douglas Adams. […]

Pop culture catastrophism didn’t prepare us for this. “Look, this isn’t a movie,” as one furious Italian mayor, broadcasting from his front room, put it last week. “You are not Will Smith in I Am Legend.” For one thing, it’s so relentlessly social. Most of our collective postapocalyptic visions have in common the fantasy of the world becoming smaller. Our heroes—usually white, straight men with traditional nuclear families to protect—are cut off from the rest of the world; the daydream is of finally shaking off the chains of civilization and becoming the valiant protector and/or tribal warrior they were made to be. And part of that catastrophe fantasy is relief—marauding biker gangs in bondage gear might want to murder you for half a tank of diesel and a sandwich, but at least you don’t have to worry about your credit history anymore. Or your college debt. Or your neighbors.

Instead, the world feels larger, not smaller. Right now, with over a third of the world on some sort of lockdown, with the entire world going through some version of the same crisis at once, we are suddenly frantic to touch one another. It seems more important to reconnect with friends. It seems more important than ever to be sweet and silly. We all know someone who’s stuck in a house by themselves, trying not to go bonkers. We all know someone who’s stuck in a house with someone awful, trying to survive the hotboxing of an already toxic relationship. And many of us, by now, know someone who’s sick.“

(via Vorspeisenplatte)