Tagebuch Montag, 30. März 2020 – Konzentriert in Oxford

Am Wochenende warf mir schon jemand einen Stream in die Twitter-Replys, den ich zwar wahrnahm, aber nicht anklickte. Das erledigte ich erst gestern, als ich ihn noch einmal als Reply hatte, weil ich mich dann doch darüber gefreut habe, dass Leute wissen, was mir gerade fehlt: das Gefühl, in einer Bibliothek zu sitzen. Der Stream ist, unglaublicherweise, eine Tonaufnahme der Bodleian-Bibliothek in Oxford. Man kann zwischen vier Lesesälen wählen, deren Geräuschen man dann gefühlt stundenlang zuhört. Ich bin mir sicher, dass sich dieser eine Huster und dieser andere Handyton da irgendwann wiederholt haben, aber es war mir egal. Ich klickte den Stream morgens an, als ich die Diss geöffnet hatte und saß dann in einem eher halligen Riesenraum oder einem gedämpfteren kleineren Saal und hörte diesen Orten gnadenlos bis zum Feierabend zu. Das transportierte mich so dermaßen in den Flow, dass ich sogar Igor und sein Hauskonzert vergessen habe.

Anfangs verglich ich noch mit den Geräuschen, die ich in meinem liebsten Lesesaal im ZI so höre: allen voran die sich öffnende und schließende Fahrstuhltür, denn aus diesem Lesesaal kommt man in die anderen vier Stockwerke voller Bücher. Der Saal hat zwei Ausgänge, beide mit recht schweren Türen, das hört man auch, dass die nicht ganz gleichmäßig und federleicht aufgehen. Manchmal klappen die zwei weiteren Türen, die zu den Wendeltreppen in den fünften Stock führen, dessen eine Wand sich in den Lesesaal im vierten Stock öffnet, in dem ich so gerne sitze. Da hört man ab und zu Menschen langsam vor den Regalen umhergehen, teilweise einmal um den ganzen Lesesaal herum, bis sie ihr Buch gefunden haben, so wie ich immer, ich weiß da oben nie, wo was ist. Manchmal zieht jemand mit einem leise scharrenden Geräusch die Tritthocker ans Regal, um ans obere Brett zu gelangen. Man hört ab und zu die Starttöne von Macs und PCs, und man hört die fiesen Tastaturen der stationären Rechner, mit denen man auf die arschteuren kunsthistorischen Datenbanken zugreifen kann, für die das ZI eine Lizenz hat. Wenn jemand mittig durch den Lesesaal geht, klingt das anders als wenn er oder sie außen an den Tischen vorbeigeht, denn in der Mitte liegt Teppich, der ein bisschen wie Sisal knirscht. Auf dem Holzfußboden hört man die Schritte nur, wenn jemand Sneaker trägt, weil die gerne quietschen. (Erneut: ich.) Ab und zu fällt vorne an der Tür zum Ausgang ein Buch in den Regalen um, in die man die gelesenen Werke ablegen soll; das ist gerne ein besonders dicker und unhandlicher Ausstellungskatalog, der so richtig Krach macht, wenn er umfällt. Eins meiner liebsten Geräusche ist das zwanzigfache Sisaltrapsen der Erstsemester, die eine Bibliotheksführung kriegen und meist stumm im Gänsemarsch jemandem hinterhereilen. Man hört selten ein Stühleschieben, weil alle stundenlang bleiben, und eigentlich nie das Anknipsen der Leselampen, denn die verfügen über einen herrlich filigranen Drahtbügel, den man quasi nur anhauchen muss, bis das Licht angeht.

*seufz*

Sobald ich wieder ins ZI komme, werde ich mein iPhone einfach eine Stunde lang Atmo aufnehmen lassen, man weiß ja nie. Aber bis dahin habe ich jetzt einen guten Ersatz gefunden. Danke an die Hinweisgeberinnen, ich hatte gestern wirklich einen hervorragenden Arbeitstag. Ich fand es sehr lustig, dass mein Gehirn sich anscheinend in den letzten acht Jahren antrainiert hat, bei Bibliotheksgeräuschen einfach konzentriert vor sich hinzudenken. Guter Klumpen.

Mein Tagwerk bestand im Korrekturlesen der Jahre 1929 bis 1934. Das habe ich fast geschafft, 1934 endet in meinem Dokument mit einem recht dicken Textbrocken, den habe ich mir für heute aufgehoben.

Und weil ich in einer Bibliothek saß und nicht zuhause beim Werbetexten, habe ich nicht um 12.30 Mittag gemacht wie im Agenturtakt, sondern wie sonst im ZI: erst dann, als mein Magenknurren lauter war als die Umgebungsgeräusche. Das war, glaube ich, so gegen 15 Uhr, als ich eine Runde Champignons in Mehl, Eier und Panko warf und sie frittierte. Reis dazu, fertig.

Der wurde nach dem Foto noch in hässlichem, aber sehr wohlschmeckendem Ketjap Manis ertränkt. Aber eben erst nach dem Foto.

Astrophysicist gets magnets stuck up nose while inventing coronavirus device

Den Artikel schickte mir F. morgens und ich habe fast meinen Tee über den Rechern gespuckt vor Lachen. Mein Lieblingssatz: “At this point I ran out of magnets.”

„“I had a part that detects magnetic fields. I thought that if I built a circuit that could detect the magnetic field, and we wore magnets on our wrists, then it could set off an alarm if you brought it too close to your face. A bit of boredom in isolation made me think of that.”

However, the academic realised the electronic part he had did the opposite – and would only complete a circuit when there was no magnetic field present.

“I accidentally invented a necklace that buzzes continuously unless you move your hand close to your face,” he said.

“After scrapping that idea, I was still a bit bored, playing with the magnets. It’s the same logic as clipping pegs to your ears – I clipped them to my earlobes and then clipped them to my nostril and things went downhill pretty quickly when I clipped the magnets to my other nostril.”

Reardon said he placed two magnets inside his nostrils, and two on the outside. When he removed the magnets from the outside of his nose, the two inside stuck together. Unfortunately, the researcher then attempted to use his remaining magnets to remove them.“

Und wenn man in kunsthistorischen Datenbanken rumhängt, findet man ja immer was. Hier also noch eine Diss zum Irgendwannlesen: Bierpaläste. Zur Geschichte eines Bautyps.