Tagebuch Freitag, 10. April 2020 – Ein Monat zuhause

Am 10. März war ich, bis auf den Besuch bei meiner Hausärztin zum Impfen am 13. März sowie vier oder fünf Supermarktbesuchen, das letzte Mal mit anderen Menschen in einem anderen Gebäude. Am 9. saß ich im Gasteig und durfte die Wiener Philharmoniker hören, am 10. war ich im Staatsarchiv und buddelte in Akten rum I MISS YOU SO MUCH und am 11. musste ich noch ein Buch in die Unibibliothek zurückbringen. Dabei hat man aber keinen Kontakt zu Menschen, man legt das Buch nur auf ein lustiges kleines Förderband und es verschwindet im Bibnirvana. Hätte ich gewusst, dass wenige Tage später alles geschlossen wird und alle Rückgaben ausgesetzt werden bis auf einen unbestimmten Zeitpunkt, hätte ich das Ding einfach behalten.

In den vergangenen vier Wochen hat es mir mehr und mehr gefehlt, einfach mal ein bisschen Bewegung zu kriegen. Die Riesensportlerin war ich nie, aber ich hatte immerhin die Radfahrten zum ZI oder zu den Bibliotheken, und weil ich so gerne radfahre, bin ich nach dem stundenlangen Rumbrüten am Platz auch gerne mal einen Umweg gefahren. Seit vier Wochen tigere ich nur noch in meiner Wohnung hin und her und ich ahne, dass meine schlechte Laune und Mutlosigkeit und Müdigkeit vom Donnerstag auch daher kamen, dass ich schlicht zu wenig Bewegung bekomme. Zeit hätte ich genug, aber meine derzeitige Panik vor Menschen macht es etwas kompliziert, einfach mal ein Stündchen entspannt spazierenzugehen.

Also nahm ich mir für Freitag morgen vor, direkt nach dem Aufwachen das Fahrrad aus dem Keller zu holen und strunzdumm loszufahren, egal wohin, einfach los. Genau das tat ich dann auch und seitdem geht es mir weitaus besser. Das mache ich morgen, wenn es hoffentlich auch wieder so schön leer ist draußen weil Feiertag und alles geschlossen, gleich nochmal.

Ich fuhr nicht lange und auch nicht irre schnell, ganz im Gegenteil. Ich konnte mich gar nicht sattsehen und -hören an der leeren, leisen Stadt. Wenn ich über große Kreuzungen fuhr, an denen kein einziges Auto stand und kein einziger Fußgänger wartete, rollte ich im Schritttempo über sie rüber, um den Anblick zu genießen. Ich trug auch keine Maske, sondern radelte einfach entspannt durch eine Stadt, die mir völlig unbekannt vorkam. Auch deswegen will ich morgen wieder eine kleine Runde drehen, aber wieder ohne Kamera oder so, einfach nur fahren, ein bisschen an der Luft sein und Bewegung kriegen.

Das Jahr 1938 Korrektur gelesen und vorerst abgeschlossen.

Telephone exchanges click while there’s nobody there
The Martians could land in the car park and no one would care
Closed-circuit cameras in department stores
Shoot the same movie every day
And the stars of these films neither die nor get killed
Just survive constant action replay

And nothing ever happens, nothing happens at all
The needle returns to the start of the song
And we all sing along like before
And we’ll all be lonely tonight and lonely tomorrow.