Tagebuch Samstag, 25. April 2020 – Rosen und Kerzen (nein, nicht, was ihr jetzt denkt)

Als total sinnvolle Vorbereitung auf den Krankheitsfall aka meine persönliche Beruhigung, IRGENDWAS zu tun, mache ich meine Lungenübungen wieder etwas regelmäßiger. Simpel ausgedrückt: gaaaanz tief durch die Nase einatmen, anhalten und gaaaanz lange durch den Mund ausatmen, noch länger, noch länger, noch länger, noch länger, jedenfalls sind das die Kommandos, die man bei der Lungenärztin immer hört. Sinnbild für die kleine Anke, die mit visuellen Hilfsmitteln besser arbeiten kann, auch wenn sie nur im eigenen Kopf stattfinden: Erst total enthusiastisch an Rosen riechen, dann 100 Kerzen auf meiner Geburtstagstorte auspusten, noch länger, noch länger, noch länger.

Ich hatte Freitag schon begonnen, das Abbildungsverzeichnis der Dissertation zu überarbeiten, das in den letzten Wochen so halbwegs nebenher lief, aber eigentlich war da der Punkt, auf den ich mich konzentrierte, der Text. Jetzt müsste ich mich aber mal so langsam entscheiden, was ich alles für Bilder hinter den Text stellen möchte, damit die interessierte Leserschaft auch weiß, wovon ich die ganze Zeit schreibe. Inzwischen weiß ich ja, wie die Arbeit aufgebaut ist und wie sie aufhört, welche Vergleiche ich anstelle und welche Schlüsse ich ziehe, daher kann ich das jetzt besser eingrenzen. Im Text steht quasi noch hinter jedem zweiten Bild, das ich erwähne, „Abb. x“, aber das ändere ich gerade bzw. grenze ich sehr streng ein. Wir wollen das Ding ja nicht noch länger werden lassen.

Zu diesem Zweck fange ich wieder von vorn in der Arbeit an und lese den ganzen Brocken, den ich in den letzten fünf Wochen einmal durchkorrigiert bzw. finalisiert habe, nochmal durch. Bei jedem „Abb. x“ wird aus dem x eine Nummer, und im Abbildungsverzeichnis notiere ich den anständigen Bildtitel, die kunsthistorisch relevanten Daten und den heutigen Aufbewahrungsort des Gemäldes, falls bekannt. Für mich selbst notiere ich eine Angabe, wo zum Teufel ich eventuell schon mal eine Abbildung in Farbe und guter Qualität gesehen habe – das habe ich meist im Text notiert, damit ich es nicht vergesse –, aber zum allergrößten Teil steht da „Nachlass Nürnberg“. Wenn ich Glück habe, sieht das so aus: Abb. 2: Carl Theodor Protzen: Donaubrücke bei Leipheim, 1936, WV 309, 111 x 130,5 cm, Pinakothek der Moderne München. Bildquelle: pinakothek! farbig? Kat. Ausst. Straßen AH in der Kunst München, als farbige Postkarte. WV heißt Werkverzeichnis, und was hier zum Schluss kursiv ist, ist in meinem Dokument neongelb, damit ich sehe, dass da noch was zu tun ist, meh.

Mit diesem Job beschäftigte ich mich gestern wie auch vorgestern eher halbherzig, aber der zweite Korrekturgang fließt – natürlich – deutlich besser als der erste. Auch weil ich gerade am Ende der Arbeit angekommen war und mir wieder ins Gedächtnis rufen konnte, was ich in den letzten eineinviertel Jahren so aufgeschrieben habe. Deswegen konnte ich gestern in der Einleitung auch gleich Dinge ändern, die ich im Schlussteil anders formuliert hatte: „Diese Arbeit wird zeigen, dass …“ Nee, wird sie nicht, gleich mal wegstreichen.

Ansonsten viel geschlafen, viel Community geguckt, gelesen, GELESEN! ICH LESE WIEDER! Zum Beispiel das Notizbuch des Provinzschriftstellers Oskar Maria Graf (1932), in dem sich ein Kapitelchen mit Künstlerfaschingsfesten in Schwabing beschäftigt, für die Herr Protzen des Öfteren Plakate gestaltete. Da wollte ich einfach mal gucken, ob sich eventuell eine hübsche Fußnote basteln lässt. Stattdessen blieb ich gleich beim Vorwort länger hängen.

Bestes Tagwerk: einen Hefezopf gebacken und Lemon Curd angerührt. Gibt’s gleich beides zum Frühstück. Das war irgendwie beruhigend zu merken, dass ich für manche Lieblingsspeisen auch während einer Pandemie immer alles im Haus habe. Butter, Zucker, eine Zitrone, ein Ei. Und außerdem konnte ich überprüfen, ob Geruchs- und Geschmackssinn in Ordnung sind. Sind sie.