Tagebuch Montag/Dienstag, 23./24. November 2020 – Toll und traurig
Das Gutachten zur Dissertation ist jetzt auch von meinem Doktorvater angekommen. Nach der Note der Zweitprüferin konnte ich auch von ihm erfreut eine 1,0 entgegennehmen, auf die ich mir durchaus etwas einbilde.
Ich erwähnte im Blogeintrag zur Verteidigung, dass ich das Gefühl gehabt hätte, bei einer Antwort nochmal nachjustieren zu müssen, weil die Frage nicht nur beim Doktorandenkolloquium, sondern eben auch bei der Verteidigung kam: Sollte man einen Künstler, der sich in den Dienst des NS-Systems gestellt hat, genauso aufarbeiten wie jeden anderen? Meine Antwort war ja, solange der Kontext stets deutlich gemacht wird. Im Gegensatz zur Zweitprüferin scheint mein Doktorvater mit mir übereinzustimmen, weswegen ich nun ahne, dass er mir die Frage erneut stellte, damit auch die anderen Prüfer:innen die Antwort hören. Ich zitiere aus dem Gutachten: „Grundsätzlich kann die Arbeitsperspektive der Verf. durch Ernstnehmen charakterisiert werden; diese banale Selbstverständlichkeit ist deshalb der Erwähnung wert, weil das Oeuvre von Protzen – anders als bei Leonardo, Picasso oder Klee – eben nicht einmal ansatz- oder umrissweise als gesichert gelten kann. Das künstlerische Werk muss zunächst in extenso konfiguriert werden, in Entwicklung, Umfang und Dichte.“ Ebent. Danke.
Mein Bildfund, über den ich mich sehr gefreut habe und über den ich leider noch großflächig schweigen muss/will bis zur Veröffentlichung, wurde als „spektakulär“ bezeichnet, und die innere Kommafee errötete zufrieden bei den Sätzen „In formaler Hinsicht ist die Arbeit exzellent. Die Zahl der Tippfehler ist definitiv einstellig. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind makellos. Die Studie ist ausgesprochen sorgfältig.“ Eine Million Korrekturgänge haben sich gelohnt!
Auch hier war natürlich Kritik zu lesen, die ich aber ebenso nachvollziehen kann wie die im anderen Gutachten. Ich freue mich auf die Überarbeitung.
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Aber erstmal ist die alte Heimat wieder sehr aktuell. Aus Gründen, wie es so schön heißt, habe ich mich Sonntag in einen Zug gesetzt. Väterchen baut leider sehr ab, findet Worte nicht, kann sich nicht mitteilen, es ist, als ob die Systeme teilweise langsam runterfahren. Daher kann ich meinen neuen Titel gerade nicht ganz so genießen wie ich gerne möchte, aber, unglaublich, es gibt Wichtigeres.
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Ich durfte wieder das schicke Auto der Eltern fahren und vor allem mal schneller als 30. Jetzt weiß ich auch, wie sich eine automatische Lenkkorrektur anfühlt; verdammtes modernes Zeug! Wenn ich zu weit rechts fahren will, dann will ich zu weit rechts fahren! (Ich scherze.) Und: Ich durfte nach 30 Jahren wieder erfahren, im wahrsten Sinne des Wortes, was es heißt, auf den Land zu wohnen: Man hängt ewig hinter Treckern.
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Papa ist eingeschlafen, während ich ihm die Haare schnitt. Falls das mit der Wissenschaft nichts wird, eröffne ich einen Salon: „Kein Gequatsche, nur Geschnippel.“ Ich sehe eine Marktlücke.