Tagebuch Montag, 11. Januar 2021 – Mit der kleinen Machete
Schreibtischtag. Die neue Anordnung der Diss steht und funktioniert bis jetzt gut. Anstatt wie bisher chronologisch vorzugehen, gibt es jetzt Themenblöcke – das war auch die Anordnung, mit der ich den Schreibprozess begann, bis ich der Meinung war, dass ich chronologisch mehr aufarbeiten könne. Mit dem nötigen Abstand zu Arbeit und Subjekt ahne ich aber nun, dass vieles von dem, was ich äußerst spannend fand, sehr wahrscheinlich nur für mich, die Suchende, spannend war und nicht für diejenige, die später mal mein Buch aus dem Bibliotheksregal ziehen soll. Das Inhaltsverzeichnis, was quasi aus einer Ausstellung nach der anderen bestand, hat mich bis zum Schluss genervt in seiner Aussagelosigkeit, aber mir fiel schlicht nichts Besseres ein. Jetzt schon, weil ich inzwischen gewillt bin, von einem Großteil meiner Arbeit wieder Abschied zu nehmen, es hilft ja nichts.
Daher ging ich gestern weiter mit der kleinen Machete durch meine Zeilen (die große kommt noch), schrieb einen biografischen Teil und eine Werkübersicht und werde daran heute weiterarbeiten, mal sehen, wie die beiden die Nacht überstanden haben in ihrem Buchstabenbiwak.
Zum Mittag gab’s mal wieder Pasta. Durch das Leeressen der Tiefkühlfächer fiel mir dauernd die Tüte mit den TK-Erbsen in die Hand, die nie alle werden darf, und daher warf ich gestern Speck in die Pfanne (aka Bacon), machte aus den Erbsen Püree und gönnte mir die guten Orecchiette (hier genauer notiert).
Abends Sport gemacht, gelesen, „Cobra Kai“ geguckt, das übliche. Beim Crossword erst zwei Worte vor Schluss den Autocheck angemacht, mit dem man bei der Eingabe sieht, ob der Buchstabe stimmt. Das hat noch nie geklappt, dass ich das ganze Rätsel ohne Autocheck löse, aber so kurz vor Schluss war eine Premiere. Dafür gnadenlos bei der Spelling Bee versagt, nicht mal das Pangram gefunden (das ist das Wort, in dem alle angebotenen Buchstaben vorkommen). Ach, und die Arte-Sendung über Entnazifizierung geschaut, die ich gestern schon im Blog empfohlen hatte. Mir wurde der DDR-Sozialismus viel zu sehr in die Ecke der Nationalsozialisten gerückt und natürlich bleibt die Sendung sehr an der Oberfläche, aber ich fand sie trotzdem sehenswert.
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— Librarianshipwreck (@libshipwreck) January 11, 2021
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Ein moralisches Komplettversagen – Über die Rezeption von Leni Riefenstahl
Christina Dongowski rezensiert auf 54books Nina Gladitz’ Monografie über Leni Riefenstahl, Leni Riefenstahl: Karriere einer Täterin, und beschwert sich zu Recht über die sehr milde Berichterstattung der Bundesrepublik über die Regisseurin. Ich hatte schon mehrere Rezensionen über das Buch gelesen und bin mir immer noch nicht sicher, ob ich es dringend lesen möchte, weil mir schon die Leseprobe zu wenig Distanz zum Subjekt hat. Aber vielleicht ist sie genau deshalb lesenswert.
Mir hat an der Rezension gefallen, dass sich Dongowski generell mit der Auseinandersetzung mit NS-Täter:innen befasst, was für mich selbst auch nicht ganz unwichtig ist. Ich musste mir jedenfalls im Text des Öfteren an die Nase fassen.
„Gladitz macht die Funktion etlicher, scheinbar rein ästhetischer Argumente für die Verwischung und Normalisierung von Täterschaft im Kulturbetrieb der Nazi-Zeit und danach explizit zu einem der zentralen Themen des Buches. Diskutiert wurde die Biographie in den Feuilletons so aber nicht. Die Reaktion auf das Buch war trotzdem in gewissem Sinne einschlägig, hat es doch zu erstaunlichen (sozial)medialen Erkenntnisschüben geführt: Die Lieblingsregisseurin Adolf Hitlers und Regisseurin der wichtigsten und erfolgreichsten NSDAP-Propagandafilme war eine Nazi-Täterin. No shit, Sherlock! könnte man meinen. Bloß gehört die schlichte Erkenntnis, dass Leute, die freiwillig Nazi-Kunst machen, auch Nazis sind, eben noch immer nicht zu den Basics deutscher Debatten. Genauso wenig verbreitet ist das Wissen, dass man Menschen in Lager sperren und sie dort ermorden (lassen) und gleichzeitig Künstler:innen oder unglaublich belesen und gebildet sein kann. Mit dem Kunst-Bonus kommt der Persilschein. Immer noch. […]
Für die Karriere Riefenstahls als Lieblingskulturnazi des BRD- und später gesamtdeutschen Feuilletons war das Bekanntwerden ihres persönlichen Beitrags zum Porajmos, nun auch gerichtsfest, komplett folgenlos. Ihre 1987 bei Knaus erschienenen Memoiren wurden ein Bestseller und sind eine Meisterleistung des Herumdoktorns an der eigenen und der kollektiven Erinnerung und an der historischen Wahrheit. Auch international: Liberale und konservative französische, amerikanische und britische Kulturbetriebsmitglieder konnten ihre Faszination für den Faschismus und für seine elitäre, alles Gewöhnliche, Normale, Alltägliche, Kleinteilige, Hinfällige und Diffuse verachtende und ausmerzende Ästhetik ausleben. In verschämt-intellektuellen Essays wurde über die doch irgendwie Avantgarde-gewesen-seiende Riefenstahlsche Kamera- und Schnitttechnik geschrieben und sich dafür auf Walter Benjamin und Susan Sontag berufen. In Grafik, Photographie und Kunst wurde sich Riefenstahls Ästhetik bis hin zu konkreten Bildfindungen für die eigenen werblichen oder popkulturellen Bemühungen einfach direkt angeeignet. Peter Savilles Cover für Flesh + Blood von Roxy Music, bereits 1980 erschienen, kann wenigstens für sich in Anspruch nehmen, ein echtes Zeichen der Zeit gewesen zu sein: Der Canary in the Coal Mine, der anzeigt, dass die queeren, gender-fluiden, kollektiv-ekstatischen 70er vorbei sind und ab jetzt das Kraft durch Freude-gestählte, sich permanent selbst-optimierende Individuum der kapitalistische Leistungsgesellschaft gefragt sein wird. Die Endmoränen dieser Verpoppung der Ästhetik für einen Staat von Massenmörder:innen lassen sich in der Klamauk-Version der Blut-Boden-Brauchtum-Sitte-Ästhetik bewundern, mit denen heute Rammstein und andere Maskulinitäts-Performance-Künstler und Deutsch-Humor-Künstler:innen Fans und Feuilleton regalieren. Aber, natürlich!, „ironisch“!“
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Six hours of paralysis: Inside Trump’s failure to act after a mob stormed the Capitol
Keine Einleitung nötig. (Evtl. €)
„Hiding from the rioters in a secret location away from the Capitol, House Minority Leader Kevin McCarthy (R-Calif.) appealed to Jared Kushner, President Trump’s son-in-law and senior adviser. Sen. Lindsey O. Graham (R-S.C.) phoned Ivanka Trump, the president’s daughter. And Kellyanne Conway, a longtime Trump confidante and former White House senior adviser, called an aide who she knew was standing at the president’s side.
But as senators and House members trapped inside the U.S. Capitol on Wednesday begged for immediate help during the siege, they struggled to get through to the president, who — safely ensconced in the West Wing — was too busy watching fiery TV images of the crisis unfolding around them to act or even bother to hear their pleas.
“He was hard to reach, and you know why? Because it was live TV,” said one close Trump adviser. “If it’s TiVo, he just hits pause and takes the calls. If it’s live TV, he watches it, and he was just watching it all unfold.”“
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The Attack on the Capitol Was Even Worse Than It Looked
Der TV-Kritiker der NYT über den Sturm auf das Kapitol, zu dem immer mehr Videos auftauchen. (Evtl. €) Aus bildwissenschaftlicher Sicht nicht uninteressant, dass eben nicht die ersten, unmittelbaren Bilder die bleiben, an die wir uns möglicherweise noch länger erinnern, sondern die, die erst später auftauchen.
„Wednesday’s insurrection was one of the rare live-TV atrocities that grew only more sickening, more terrifying, more infuriating as more days passed. What we remember of the 9/11 attacks, for instance, is largely what we saw in the first few hours: the planes hitting, the towers collapsing, the pedestrians fleeing. Terror attacks, mass shootings — the shock hits us up front, and then we process it.
But last Wednesday seemed to last for days. New smartphone videos of violence came out one by one. The horror came in waves, the attack revealed with every image as more bloodthirsty and deplorable.
Watching the stunning coverage on Wednesday, I kept noticing all the flags waving in the crowd. In a video that aired on CNN this weekend, the flag becomes a weapon. An assailant outside an entrance beats a prostrate police officer with the pole of an American flag while others hurl them at defenders like javelins, the kind of too-perfect metaphor that only reality can get away with.“