Mittwoch, 3. März 2021 – Unerwarteter Muskelzuwachs

Die Ergotherapeutin, die mich seit November nicht mehr gesehen hatte, fragte, ob ich abgenommen hätte. Ich weiß inzwischen schon gar nicht mehr, wie ich auf diese Frage reagieren soll, weil ich mich von Menschen, die sowas fragen, sehr weit entfernt halte. Ich verneinte wie schon tausendmal in meinem Leben, woraufhin sie meinte, vielleicht wären die Klamotten gerade sehr schmeichelnd.

Ich trage hier im Norden die ältesten Shirts und Hosen, die ich habe, weil ich hier den halben Tag rumlaufe, koche, schwitze und Zeug mache, was ich zuhause nicht in diesem Tempo erledige bzw. da eher am Schreibtisch sitze. Gekocht wird zuhause in Rumschlumpfklamotten, denen es egal ist, ob sie Tomatensauce abkriegen; mit Schürzen bin ich nie zurecht gekommen, ich suche immer noch eine, die mich nicht wahnsinnig macht, zum Beispiel durch Bänder im Nacken. Vielleicht sollte ich mal eine Art Dirndlschürze ausprobieren, ich kleckere sowieso eher unterhalb der Gürtellinie rum bzw. will meine Hände irgendwo abwischen, weswegen ich beim Kochen immer ein Leinentuch über der Schulter habe.

Was ich sagen wollte: An den Klamotten dürfte der anscheinend positive Gesamteindruck nicht gelegen haben. Dann fiel mir ein, dass F. ja auch mal meinte, ich würde mich anders anfühlen nach den launigen Sportprogrammen. Gestern bat mich das Mütterchen um Hilfe beim Abtauen der Truhe, was wir im letzten Jahr schon einmal gemeinsam erledigt hatten. Und dabei merkte ich dann auch, wofür die ganzen seltsamen Ausfallschritte, das Balancieren, Dehnen, die Planks, Liegestütze, die weiteren Bauchmuskelübungen und das Rumgezerre an Therabändern gut gewesen waren. Ich beugte mich ständig nach vorne, um aus den Tiefen der Truhe Zeug zu holen, was meinem Rücken völlig egal war. Danach schleppte ich wannenweise Gefrorenes in die Garage, wo es zwischenlagerte, wobei ich auf einem Bein stehend die Türen öffnete, ohne dabei umzufallen (das war nett). Nach dem Abtauen wischte ich die Truhe mit Handtüchern trocken, und auch dabei zickte der Rücken nicht ein einziges Mal, während ich erneut auf einem Bein stehend kopfüber in der Truhe steckte. In die Truhe hatten wir zwei Eimer mit heißem Wasser gestellt, um das Abtauen zu beschleunigen. Die hob ich nun wieder hinaus, wrang ein Dutzend Handtücher mit dem Abtauwasser in ihnen aus, was sie noch schwerer machte – und trug dann beide gleichzeitig und innerlich achselzuckend, weil piece of cake, aus dem Keller.

So anstrengend die Zeit hier auch immer ist und so sehr mein Knie die ganzen Treppen hasst – das fand ich ausgesprochen schön zu merken, dass ich anscheinend wirklich an Kraft, Stabilität und Mobilität zugelegt hatte, ohne es wirklich mitzukriegen.

Und eben beim Frühstück guckte ich einer keckernden Elster zu und einem Eichhörnchen auf seinem lustig gehüpften Weg über zehn Bäume, die hier halt rumstehen. Das war auch schön.