Tagebuch Montag, 8. November 2021 – Booster Babe
Das Mütterchen wird nächste Woche operiert (eigentlich nichts Wildes), und deswegen werde ich im Zug sitzen und ein paar Tage im Norden sein. Dort werde ich auch Papa wiedersehen, der seit August in einem Pflegeheim lebt, wo ich ihn noch nicht besucht habe. Beides macht mich angemessen nervös, aber noch nervöser machen mich die Inzidenzen, die, total überraschend, damit konnte wirklich niemand rechnen, echt jetzt, seit Wochen durch die Decke gehen und diesen Winter – trotz vorhandenem Impfstoff – vermutlich ähnlich fürchterlich machen werden wie den letzten. I am Jack’s richtig schlechte Laune.
Meine Zweitimpfung war am 20. Mai, ganz schaffe ich es nicht, nach punktgenauem Ablauf der sechs Monate wieder in München zu sein, aber man kann sich ja schon mal um einen Termin im Impfzentrum kümmern. Also klickte ich gestern auf die Seite, auf der meine Daten auch noch vorhanden waren – und warum auch immer, suchte ich kein Datum, sondern guckte einfach, was passierte, wenn ich die Schaltfläche „Nächstmöglicher Termin“ anklicke. Und die sagte zu meiner Überraschung: kannst in vier Stunden vorbeikommen, Hase.
Ich überlegte laut auf Twitter, ob ich das machen sollte, denn eigentlich wäre ich noch nicht dran, aber (siehe oben: schlechte Laune) EIGENTLICH KÖNNTEN AUCH SCHON ALLE GEIMPFT SEIN, aber nein. Was mich wirklich wütend macht: Die Menschen, die lautstark rumquengeln, dass hier Grundrechte außer Kraft gesetzt werden (weil du ne Maske tragen musst? Echt jetzt?), sind diejenigen, wegen derer wir alle Einschränkungen hinnehmen. Daher war ich bockig und so klickte ich auf „Termin annehmen“.
Danach war nicht mehr wirklich an konzentrierte Arbeit zu denken, aber immerhin: Das Buch ist halb durchkorrigiert und ich darf verraten: Es wird wunderschön. Ich freute mich quasi auf jeder fünften Seite über irgendeine kluge Layout-Entscheidung und werde jubilierende Mails an die Produktion schreiben. Und dann vorsichtig auf die 100 Korrekturen hinweisen.
Ich nahm wie immer zwei U-Bahnen zu früh, stieg professionell in den Bus und war dann gespannt, wie sich das Impfzentrum seit Mai verändert hatte. Es gibt keine zwei Eingänge mehr für Erst- und Zweitimpfung, man geht einfach durch, es gibt nur noch eine Halle, nicht mehr eine für die Anmeldung und eine für die Impfung. Die Anmeldung ist jetzt nämlich auch hier – und man muss erstmal sehr lange anstehen. Natürlich hat das Impfzentrum personell sehr abgebaut, WIR SIND JA QUASI SCHON ALLE GEIMPFT, NICHT WAHR, aber dass ich 40 Minuten in der Schlange stand, war dann doch unerwartet und mein Termin im Prinzip egal, weil ich ihn nie pünktlich geschafft hätte, auch mit fünf U-Bahnen zu früh nicht.
Ich hatte den Anamnesebogen vom RKI wieder vorher ausgefüllt, musste aber trotzdem nochmal alle Fragen beantworten. Ich wurde natürlich auch gefragt, warum ich jetzt schon hier sei, ich erklärte, der freundliche junge Mann meinte, er könne das nicht entscheiden, würde mich aber zu den Impfkabinen durchschicken, wenn der Arzt oder die Ärztin das abnicke, könnte ich geimpft werden. Deal.
Hinter der Anmeldung kam die nächste Schlange, dieses Mal zu den Impfstoffen, es gab nur noch die Mittel von Biontech und Moderna. Das konnte ich mir nicht aussuchen, versuchte es aber auch nicht, ich wollte nur irgendwas in den Arm. Laut irgendeiner Studie ist Moderna sogar einen Hauch besser nach zweimal Biontech als ein drittes Mal Comirnaty, aber egal, gib Impf. Ich stand also in der Biontech-Schlange, als mich ein weiterer Mitarbeiter ansprach, ob schon jemand meine Dokumente gecheckt hätte, ich verneinte, zeigte alles vor, und da fehlte doch tatsächlich der Aufklärungsbogen, den ich mir nicht ausgedruckt hatte. Der gute Mann besorgte einen, ich unterschrieb und durfte weiter in der Schlange bleiben. Er freute sich aber, dass ich den Anamnesebogen schon mitgebracht hätte, woraufhin ich meinte, ich sei ja nicht zum ersten Mal hier. Er so: „Und vermutlich nicht zum letzten.“
Dann kam auch schon die Kabine, wo eine weitere Mitarbeiterin auf mich wartete, die üblichen Dinge fragte und dann, warum ich schon hier sei und nicht erst in zwei Wochen. Ich erklärte, sie nickte, füllte alles aus, was ausgefüllt werden musste, klebte das Comirnaty-Schildchen in meinen Impfpass und meinte, der impfende Arzt käme gleich. Und dann musste ich doch heulen, worauf ich eigentlich seit der Erstimpfung gewartet hatte. Sie fragte, ob alles in Ordnung ist, ich meinte nur, dass ich Angst gehabt hätte, wieder weggeschickt zu werden, worauf sie schon den Kopf schüttelte. Ich bedankte mich für die vorgezogene Impfung, und sie meinte, das sei ja wohl selbstverständlich. Die SZ schrieb gestern ähnlich, dass niemand weggeschickt wird, der sich impfen lassen will, und im Nachhinein denke ich auch, dass meine Angst unbegründet gewesen ist, aber man weiß ja nie.
Tränchen getrocknet, da waren auch schon der Arzt und ein weiterer Mensch, der Arzt erklärte nochmal, der andere impfte, ich nickte zu allem, und dann war ich drittgeimpft und ruhte mich die üblichen 15 Minuten in der Wartehalle aus, die auch deutlich verkleinert wurde im Vergleich zu den beiden vorherigen Impfungen.
Die Kraft reichte noch dafür, ein paar Bücher aus der Stabi zu holen, wo ich noch mein Zweitimpfungszertifikat herzeigte, das für die neue scannte ich erst zuhause in die Corona-App ein. Auch hier wurde nicht gescannt, sonder nur draufgeguckt, kein Ausweis verlangt, und ich bin immer mehr genervt davon, wie egal die Schutzvorrichtungen zu sein scheinen, wird schon irgendwie gut gehen, nee, geht es eben nicht.
Heute morgen ziept die Einstichstelle etwas, ansonsten geht’s mir gut, ich habe tief und gut geschlafen. Die Erstimpfung war bei mir überhaupt kein Problem, die zweite legte mich für einen halben Tag mit Kopfschmerzen und Grippesymptomen flach, und jetzt gucke ich mal, was die dritte Dosis so mit mir macht. Auf jeden Fall fühle ich mich deutlich wohler als noch gestern morgen und kann mich nun endlich ein bisschen auf die Woche im Norden vorfreuen. Danke, Impfzentrum, wie immer ein angenehmer Aufenthalt. Ihr rockt.