Sonntag, 22. Januar 2023 – „Aus Liebe zum Spiel“
Morgens das Brot in den Ofen geschoben, an dem ich seit Freitag gearbeitet hatte (Sauerteig auffrischen, Teig ansetzen, Stockgare, Formen, ab in den Kühlschrank über Nacht). Das bestand aus Weizensauerteig, Weizenmehl 550 und ein bisschen Weizenvollkornmehl und ist fast genau so geworden wie ich es haben wollte. Die Kruste ist fest, aber zerreißt einem nicht den Gaumen, das Innere ist weich und zäh. Ich hätte es gerne noch einen Hauch zäher gehabt und muss nun googeln, wie ich das wohl hinbekomme – oder im gewohnten Blog bzw. Buch dazu nachschlagen.
Ich hatte mal wieder vergessen, das Brot einzuschneiden, daher ist es nur so halb hübsch geworden. Schmeckte aber perfekt, weswegen ich es gestern gleich halb aufaß, meist mit Hummus, einmal mit Frischkäse und Erdbeermarmelade. Ansonsten gab es den restlichen Grünkohl vom Samstag.
Ich hatte nicht viel Zeit und Lust zum Kochen, weil ich ein Buch durchlesen wollte. Eigentlich wollte ich es nur anlesen, bevor ich es mir heute abend live vorlesen lasse, aber „Aus Liebe zum Spiel. Uli Hoeneß, das Geld und der deutsche Fußball“ war so gut und spannend geschrieben, dass ich die 400 Seiten halt in zwei Tagen runterriss. Leseempfehlung, auch wer sich null für Hoeneß interessiert wie ich. Ich habe viel zur Geschichte und Entwicklung der Bundesliga gelernt, auch im Hinblick auf das Personal hinter den Kulissen wie die medizinische Abteilung bzw. das Fehlen derselben in den ersten Jahrzehnten, zu Fernsehgeldern, Sportvermarktung, zum Stand der Vereine aus der ehemaligen DDR nach 1989 (darüber möchte ich jetzt ein ganzes Buch lesen) und natürlich zum Steuerprozess, der aber netterweise nicht überwiegend viel Raum einnimmt. Ein Absatz hat mich aber doch etwas fassungslos zurückgelassen:
„‚Das war einer der größten, der wichtigsten, der medienwirksamsten Prozesse, die ich je erlebt habe‘, sagt SZ-Gerichtsreporterin Ramelsberger rückblickend, die unter anderem den NSU-Prozess ausführlich begleitet hat. Im Vergleich zu diesem seien deutlich mehr Berichterstattende vor Ort gewesen.“ (S. 337)
Auch schön, mal die Prioritäten so klar vor Augen geführt zu bekommen. Aber eigentlich wusste ich das ja schon vorher.
Was ich nicht wusste: Die Tradition der Einlaufkinder hat Willi Lemke in der Bundesliga eingeführt, „die hat er von einer Reise nach Brasilien mitgebracht.“ (S. 121) Oder wie stark Jürgen Klinsmann als Bundestrainer der Männer Dinge verändert hat:
„Mit Klinsmann verändern sich nicht nur Personal und Außendarstellung, sondern vor allem Training und Spielphilosophie der Mannschaft. Auch wenn sich einige über die Koordinationsübungen mit Gummibändern lustig machen, der Unterschied zum Training unter Rudi Völler könnte krasser nicht sein. Mit einem breit aufgestellten Team aus Experten verwissenschaftlicht Klinsmann die Einheiten und richtet seine Übungen sowohl auf die neue Taktik als auch auf Fitness aus.
Was heute banal klingt, ist damals revolutionär, wenn man zum Beispiel das liest, was Philipp Lahm in seinem Buch ‚Der feine Unterschied‘ Jahre später über das Training in der Zeit von Völler geschrieben hat. Ihm sei das vorgekommen, ‚als würden ein paar Kumpels miteinander in die Ferien fahren, um Fußball zu spielen.‘
Jenseit aller personellen Veränderungen stellt das den Kern der Revolution dar, die Klinsmann bei DFB einleitet: Er bringt Training, Analyse und Spielphilosophie auf einen modernen Stand. Hoeneß registriert das genau. Aber wie das mit Revolutionen so ist: Nicht jeder ist Fan davon. Als die Nationalmannschaft sportlich wackelt, wird Kritik an Klinsmann laut. Vermutlich auch, weil seine Arbeit viele Vereinstrainer nicht gut aussehen lässt. Bei einem Fitnesstest der Nationalspieler sollen ihre Werte hinter den Ergebnissen des Frauenfußballteams der USA gelegen haben. Klinsmann wiederum fordert die Spieler so sehr, dass sie zum Teil mit Muskelkater zu ihren Vereinen zurückreisen.“ (S. 277/278)
Oder diese Stelle, die gut zeigt, wie pointiert das ganze Buch geschrieben ist:
„Zudem gibt es [Mitte der 1980er Jahre] ein neues Feld zum Geldverdienen, das Hoeneß als erster Manager mit voller Konsequenz beackert. Markus Hörwick berichtet: ‚Er hat sich einmal für eine Woche lang verabschiedet, ist nach Amerika geflogen, kam zurück und hat gesagt: ‚Ich hab was Neues, was wir unbedingt machen müssen. Merchandising!‘ Merchandising? Wir hatten alle keine Ahnung. Und wie es bei Hoeneß üblich war: Er war am Montag in der Früh um 9 Uhr im Büro und schon um 10 Uhr hatten wir eine Merchandising-Abteilung. Er hat die Poststelle im Erdgeschoss ausräumen lassen, einen Tisch und Stuhl reingestellt mit ein paar Trikots, Schals und Mützen und hat einer seiner beiden Sekretärinnen gesagt: ‚Sie sind ab sofort da unten und verkaufen die Sachen.‘ Ich werde nie vergessen, wie sie am ersten Abend um halb fünf nachmittags hoch in den ersten Stock gekommen ist und gesagt hat: ‚Herr Hoeneß, Herr Hoeneß, wir haben verkauft! Wir haben 27,50 Mark eingenommen.‘ Das war der erste Tag des Merchandising vom FC Bayern München. Heute nimmt diese Abteilung 100 Millionen Euro ein.“ (S. 115/116)