Donnerstag, 16. Februar 2023 – Puzzle
Abends ging es mit F. und weiterer Begleitung ins Prinzregententheater, wo Igor Levit aufspielte. Er kam sehr leger auf die Bühne und erzählte, dass er seit Tagen auf Tour ist, allerdings zwangsweise ohne Koffer – was ihn gar nicht so störe, weil sein Traum sich erfüllte, sich zum Konzert nicht mehr umziehen zu müssen. Das Theater lachte und ich dachte, was ist los, folgt ihr ihm etwa nicht auf Insta, wo das alles seit Tagen steht? Fand ich aber trotzdem nett, Laune war gut im Saal. Brahms’ „Vier ernste Gesänge“ im Arrangement von Max Reger liefen dann freundlich durch, und dann kam das Stück, was die heutige Headline inspirierte. Das Adagio von Mahlers Sinfonie Nr. 10, für Klavier arrangiert von Ronald Stevenson, dessen Passacaglia uns letztes Jahr so fertigmachen konnte (ganz runterscrollen). Es fühlte sich an, als ob ein Stück in seine Einzelteile zerlegt und dann eher freestyle wieder zusammengesetzt wurde. Mittendrin war ich etwas raus und suchte verzweifelt wieder den roten Faden, aber zum Schluss ließ ich einfach alle Teile um mich herumfallen und versuchte gar nicht mehr, sie aufzusammeln oder gar zusammenzusetzen. Die Musik war einfach da und alles war gut.
Nach der Pause gab’s noch „Drei Klavierstücke“ von Schubert, ebenso freundlich wie vorher der Brahms, und dann noch ein bisschen Akrobatik mit Prokofievs „Sonate für Klavier Nr. 7“. Das Publikum wartete mit dem Applaus immer gut erzogen, bis Levits Körperspannung nachließ und damit quasi das Zeichen für Applaus gab, aber hier ging nach den brutalen Schlussakkorden der Jubel sofort los. Die Zugabe leitete Levit mit kleiner persönlicher Ansprache ein: „Ich plane nie Zugaben.“ *Gequengel aus der ersten Reihe* „Dass ich sie nicht plane, heißt nicht, dass ich sie nicht spiele.“ *große Freude* Er meinte, er habe sich in der zweiten Hälfte des Konzerts darüber Gedanken gemacht, was Menschen einander antun und kündigte dementsprechend Paul Dessaus „Guernica“ an – nach dessen Noten er erstmal auf dem iPad suchen musste. Auch noch nie gesehen: Die erste Konzerthälfte spielte Levit nach Noten, aber nicht vom Blatt, sondern vom Screen, und die Dame, die sonst Seiten umblättert, musste hier halt klicken.
Mal eine CD von Levit auf den Wunsch- und damit Merkzettel gepackt, damit meine gute uralte Anlage demnächst was anderes abspielen darf als ewig Martinů. Alle anderen Klassik-CDs liegen noch im Norden.