Tagebuch KW 11 – Dunkelgrau, Schokotorte und E-Mail vom Prüfungsamt

Mit meiner Bibliothek (aka dem Wohnzimmer) war ich seit Längerem unzufrieden. Die Wände waren hellgrau, die sechs Billys mit Aufsätzen sind aus Buche und haben einen ähnlich orangefarbenen Ton wie der Holzfußboden, den ich sehr mag. Nur nicht in Kombi mit den Regalen und der Wandfarbe. Seit Wochen überlegte ich hin und her, ob es sinnvoller wäre, die Regale zu streichen oder die Wände und entschied mich schließlich für die Wände, weil ich noch nie beschichtete Ikea-Regale gestrichen hatte und bei meinen DIY-Fähigkeiten davon ausgehen kann, dass es ein Desaster werden würde. Und eigentlich möchte ich keine weiteren Regale mehr kaufen, wenn ich die hier versaue; die sechs quellen über, immer wenn ich ein neues Buch kaufe oder geschenkt bekomme, bemühe ich mich, ein, zwei alte rauszuwerfen. Aber ganz auf Papierbücher werde ich nicht verzichten, ich wohne einfach sehr gerne mit und zwischen ihnen.


Ich schob mein weißes Ecksofa in die Zimmermitte, zerrte den grauen Sessel und das halbe weiße Kallax nach nebenan und räumte von den sechs Regalen, die haargenau eine Wand bedecken, das erste und das sechste leer, damit ich mit der Farbe in die Ecken kommen konnte. Elf Bücherkisten wurden voll, mit denen ich in den Flur vollstapelte. Dann schob ich die beiden leeren Regale vor die anderen vier vollen und bedeckte die Seitenfläche an der Wand, an die Grau sollte, halbwegs ordentlich mit Malerplane, weil ich ja weiß, dass es beim Farbeauftragen gerne mal spritzt. Die Plane wurde von einem Buch am Platz gehalten, wie sich das gehört. Am Samstag abend schaffte ich es noch, die Kanten von Decke und Fußleisten abzukleben und weiß vorzustreichen, am Sonntag kam dann dunkelgraue Farbe an die Wand.

Schon am Sonntag abend wurden die Regale wieder eingeräumt. Zunächst schob ich eins der leeren Regale wieder an seinen Platz (Nummer 6), dann räumte ich alles aus Regal Nummer 5 (das links daneben) in die 6, dann alles aus der 4 in die 5 und zerrte dann die nun leere 4 aus der Reihe. Die schob ich nun ans Fußende des Sofas, die bisher ungerührt rumstehende 1 ans Kopfende, und so standen nun vier Regale an der Wand mit einer Lücke zwischen der neuen Nummer 2 und Nummer 3, in die ich den Sessel schieben wollte. Das tat ich auch, aber das ging mir alles Sonntag schon auf die Nerven. Montag früh räumte ich erneut das Regal am Sofakopfende aus, schob es in die Lücke, schloss damit die Bücherwand wieder, räumte es erneut ein (seufz) und sortierte dabei ungefähr 15 Bücher aus.

Am Kopfende steht jetzt das kleine Kallax statt des großen Billy, ich habe wieder eine Wand – zwar nur aus fünf Regalen, aber immerhin –, am Donnerstag kam noch ein cremeweißer Teppich, neben dem Sessel auf dem Fußboden steht gerade eine Vase mit weißen Tulpen, für die ich noch einen winzigen Tisch erwerben werde, aber jetzt mag ich das Zimmer wieder sehr. Die Buchenregale knacken jetzt so richtig schön im Kontrast, auch weil das Grau, Verzeihung, die Kunst der Linie bei Tageslicht sehr blaustichig ist.

Über dem Fenster wurde die Wand weiß, weil die Wand hinter den sechs Regalen auch weiß geblieben war, die hatte ich nie gestrichen, und auch jetzt wollte ich sie nicht streichen. Neben dem Fenster ist noch ein weiterer schmaler Streifen Wand, den hatte ich, genau wie die Fläche über dem Fenster, beim Einzug hellgrau gestrichen, aber das sah beknackt aus, sobald ich das erste Regal vom Fenster wegzog. Und da nun kein Regal mehr steht, strich ich diese beiden Flächen halt weiß wie die Wand. In der Lücke des ersten Regals am Fenster steht nun eine Lampe, die dort mehr reflektiert als bisher vor dem matschigen Grau, und jetzt ist der Raum wirklich hübsch und ich freue mich jedesmal über ihn, wenn ich auf dem Sofa liege.

Die Küche hatte ich schon davor umgeräumt und endlich mal sinnvoll angeordnet. Ich weiß nicht, warum das dreieinhalb Jahre gedauert hat, bis ich die geniale Idee hatte, einfach alles links und rechts an die Wand zu stellen, aber so steht es jetzt und auch darüber freue ich mich momentan jedesmal, wenn ich morgens reinkomme, um Kaffee zu machen oder tagsüber fürs Mittagsmüsli oder die abendliche Gemüseschlacht.

Links sind endlich die Arbeitsflächen fast frei. Das einzige, was noch auf ihnen steht, ist ganz links, nicht im Bild, ein kleines Tablett mit zweimal Essig (die Flaschen sind zu hoch für das Schrankfach, in dem alle anderen Essige und Öle stehen) sowie Salz- und Pfeffermühle und das Salztöpfchen, in das ich mit den Fingern greife. Daneben noch ein Gefäß mit den üblichen Utensilien wie Pfannenwender, Schaumlöffel etc. Ganz rechts stehen Wasserkocher (brauche ich jeden Tag), Messerblock und Bretter (dito) und ein Besteckkasten. Ich erwähnte bereits, dass meine einzige Besteckschublade ganz links unter der Arbeitsfläche ist, ich aber immer ganz rechts stehe beim Vorbereiten, weil da halt Platz ist (und gutes Fotolicht). Da ich aber gerne, gerade beim Backen, 10 Teelöffel griffbereit habe, steht die Hälfte des Bestecks halt da. Vorher hatte ich drei Gläser, jetzt ist es nur noch ein Kasten, und schon ist alles ordentlicher. Und wo bisher am Waschbecken eine Flasche mit Spülmittel, ein Seifenspender und eine Box für Schwämme und Bürsten standen, steht letztere jetzt unter der Spüle im Schrank, und Spülmittel und Seife habe ich in zwei Spender umgefüllt. Zweck = Hübschizität.

Rechts neben dem Kühlschrank steht mein komisches Ikea-Buffet, in dem fast alle meine Töpfe und Pfannen sind sowie die ganzen Dinge wie Teigschaber, Korkenzieher, große Kellen, Pürierstab, Saftpresse, Reibe, Gemüsehobel, der ganze Kram halt, der nicht in die normale Besteckschublade passt. Auf den Regalen stehen in Boxen Nudeln, Kaffee, Tee und Servietten. Glaube ich jedenfalls, die habe ich neulich gesucht und mir fiel nicht ein, wohin ich sie geräumt habe. Auf dem Brett darunter sind meine Lieblingsteller sowie alles an Hülsenfrüchten, Reis, Chilis etc. in Gläsern.

Die hellgraue Wandfarbe ist übrigens genau die, die ich in der Bibliothek überstrichen habe. Hier bei Licht aus Süden sieht sie elegant und unaufdringlich aus, gegenüber bei Nordlicht einfach nur matschig und doof.

Das Bild an der Wand im schwarzen Rahmen ist auch neu. Ich wollte ja eigentlich nur noch echte Kunst kaufen und keine Drucke mehr, aber „Nach dem Ball“ mag ich so gerne. Eine Frau mit Buch auf dem Sofa ist genau meins.

Im Kallax steht in Körben das ganze Geschirr, das sonst nirgends hinpasst und das ich kaum verwende: Omas Goldrand, die ganzen Sammeltassen, etc. Was ich dauernd nutze, steht offen im Regal. Außerdem im Kallax und nebenan auf der Heizung: die ganzen Gewürze, die mich bisher auch wahnsinnig gemacht habe, weil sie immer fürchterlich aussehen, außer man füllt alle in Dosen oder Gläschen, wozu ich keine Lust habe. Jetzt sind sie halbwegs thematisch in leere Mövenpick-Plastikdosen geordnet, die wiederum in den grauen Körben stehen: Ich habe eine Packung „Italien“ (Oregano, Thymian, Fenchel etc.), eine „Scharf“ (Chili, Knoblauch, Zwiebeln, Cayennepfeffer etc.) und eine „Ottolenghi“ (Kurkuma, Kreuzkümmel, Koriander etc.). Alles andere ist ungeordnet, aber das kann ich jetzt überblicken. Im offenen schwarzen Korb stehen die ganzen asiatischen Saucen, die philippinischen Silver-Swan-Produkte vorne, weil ich die Labels gerne mag.

Ich hatte über ein weiteres Regal über der Heizung nachgedacht, wollte aber nicht noch mehr einkaufen, und da ich die Heizung eh nie andrehe, kann auf ihr auch Zeug stehen.

Themenwechsel. Am Mittwoch stellte ich meinen ersten Wikipedia-Artikel online, am Freitag meinen zweiten. Einer liegt hier noch auf Halde, und zusätzlich ergänzte und korrigierte ich mehrere weitere Artikel zu Künstlern der NS-Zeit. Das ist ein noch ungewohntes Arbeiten, aber gerade bei diesen Künstlern (ich gendere hier bewusst nicht) ist der Wissensstand so unterirdisch, dass ich einfach alles anlege, was mir in den letzten Jahren untergekommen ist.

Da diese Artikel meist nur von sehr wenigen Menschen aufgerufen werden, weil es nur sehr wenige Menschen gibt, die sich für diese Ecke der Kunstgeschichte interessieren, hoffe ich, dass mir Edit Wars erspart bleiben.

Ich buk diese Woche eine kleine Geburtstagstorte, in deren Inneren sich Zuckerstreusel befanden. Der Kuchen war beim Backen so fies in der Mitte eingesunken, dass ich ihn einfach teilte, die eine Hälfte (ohne Loch) als Deckplatte nahm, einen dritten Boden als, genau, Boden, und das löcherige Ding kam in die Mitte. Alles wurde mit Schokoganache verbunden, die auch noch um den Kuchen herum aufgetragen wurde. Dabei merkte ich, dass ich mittig ruhig hätte großzügiger sein können, aber mei. Ich wünschte mir beim Kerzenauspusten in Corona- und Kriegszeiten naheliegende Dinge und bekam ein schönes Buch geschenkt.


Ich verbrachte den Geburtstag bis auf abends alleine und wanderte eigentlich nur schokokuchensatt durch meine Wohnung und erfreute mich an Bibliothek und Küche.

Einen Tag später meldete sich das Prüfungsamt der Uni per Mail: „Sehr geehrte Frau Dr. Gröner, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihre Doktorurkunde fertiggestellt wurde und Sie jetzt berechtigt sind, den akademischen Grad Dr. phil. zu führen.“

Das hätten sie jetzt echt ein bisschen besser timen können! Ich hole die Urkunde am Montag ab, aber ihr dürft schon jetzt ENDLICH OFFIZIELL Doktor Anke zu mir sagen. Puh.

Ein Werbejob wurde anscheinend so nett von mir erledigt, dass ich eine sehr begeisterte Mail bekam. Das hat mich gefreut.

Freitag führte mich F. ins Sparkling Bistro aus, in dem wir bereits einmal waren und von wo F. vor einem Jahr mein Geburtstagsmenü außer Haus geholt hatte. Das war erneut herrlich und ich fühlte mich sehr umsorgt. Nichts fotografiert, nichts notiert, nur genossen.

Ein Gang bestand unter anderem aus Foie gras, Brioche und schwarzen Trüffeln. Ich war etwas skeptisch, weil ich Trüffel nicht mag, woraufhin F. meinte, vielleicht hätte ich nur noch keine guten gegessen. Ich probierte – und war schockverliebt in den Teller (wie in so ziemlich alle anderen auch). Ich mag anscheinend Trüffel.

Und heute morgen musste ich mir ernsthaft einen Wecker stellen, was ich Sonntags sonst natürlich nie mache. Denn um 11 Uhr arbeitete sich Igor Levit an Ronald Stevensons Passacaglia on DSCH (1960/62) ab. Das gut 75 Minuten lange Stück überforderte mich streckenweise total und mittendrin fand ich es kurz ernsthaft körperlich unangenehm. Innerlich quengelte ich in Richtung Bühne, dass ich jetzt wirklich dringend gerne mal einen Akkord hätte, den ich kenne, aber niemand hörte auf mich. Macht aber nichts. Das war Gehirntraining der besten Sorte. Standing ovations, und ich war danach erstmal 20 Minuten platt und sprachlos.

Hier eine Version mit Noten, Levit spielt.