Tagebuch KW 12 – E-Mail-Signatur geändert

Am Montag spazierte ich ein vermutlich letztes Mal ins Prüfungsamt und holte mir meine Promotionsurkunde ab. Hier im Bild mit dem BA- und dem MA-Zeugnis. Der etwas schickere blaue Ordner ist für den Doktortitel.


Im Anschluss änderte ich meine E-Mail-Signatur bzw. trug den Titel vor meinem Namen ein. Komischerweise hat sich das wichtiger und bedeutungsvoller angefühlt als ein Stück Papier aus der Uni zu tragen.

Auf Twitter stellte eine Historikerin eine gute Frage, ich zitiere den Tweet:

„Liebe #twitterstorians, kennt ihr Tipps zum Umgang mit psychisch belastenden Quellen? Wie grenzt ihr euch ab? Wir arbeiten im SoSe mit Gewaltdarstellungen. Möchte die Studis damit nicht allein lassen und würde gern auch eine Einheit “Selbstfürsorge für Historiker*innen” anbieten.“

In den Replys waren einige schlaue Dinge, von denen ich mir ein paar merken bzw. andere anwenden werde. Ich kam mir meist wie eine totale Memme vor, wenn mich NS-Quellen zum Weinen gebracht haben. Ich erinnere mich besonders an einen Tag im Bundesarchiv, eh eine gute Quelle fürs Heulen, als ich in den Unterlagen, die ich als Mikrofiche einsah, plötzlich lauter Schreiben hatte, die sich mit der Aktion „Entartete Kunst“ befassten. Die hatte ich gar nicht gesucht, aber weil das Speicherformat Mikrofiche halt mehr Platz bietet als die Originalquelle, waren die Dokumente schlicht an meine Bestellung angedockt. Ich zitiere meinen eigenen Blogeintrag:

„Und dann stolperte ich noch über die ersten Entwürfe zur staatlich legitimierten „Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“, also dem Raubzug durch deutsche Museen der heute so genannten Klassischen Moderne. Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet gewesen; ich hatte mich doch gerade nur durch Briefwechsel von einzelnen Künstlern oder Künstlergruppen gewühlt, die irgendwelche Nachlässe, Werke oder Kompositionen dem „verehrten Führer und Reichskanzler“ überlassen wollten, woraufhin die Kanzlei meist sehr höflich formulierte, dass Herr Hitler gerade echt was Besseres zu tun hätte. Allerdings nicht immer: Gerade die Münchner Künstler konnten sehr häufig auf persönliche Unterstützung oder finanzielle Hilfen hoffen. Auch deswegen wollte ich in diesen Beständen rumwühlen; die Sekundärliteratur war da gerne etwas blumig-vage geblieben, aber jetzt konnte ich einzelne Schreiben zitieren und Vorgänge nachvollziehen. Und so war ich im Kopf bei Bettelbriefen und Huldsbezeugungen und dann kamen auf dem Monitor plötzlich die ersten Unterlagen darüber, wie man am besten deutsche Kunst einzieht, aber die Ausländer nicht verprellt, die diesen Kram ja so mögen. Es fiel auch der Begriff „nicht unbeachtliche Vermögensobjekte“; den Deppen war durchaus klar, was sie da an den Wänden hatten, sie wollten es bloß nicht anschauen oder sich damit auseinandersetzen, dass es mehr als ihre beschissen eng gefasste Weltsicht gibt, sondern lieber banalste Genreszenen aus dem 19. Jahrhundert wieder aufleben lassen, weil’s da ja so schön war.

Zuerst war ich pissig und dann sehr nah am Wasser, was mich selbst überraschte. Ich weiß ja so gaaanz langsam, mit was ich mich da seit Jahren befasse, aber manchmal überwältigt es mich dann doch noch. Diese Engstirnigkeit, dieser Hass, dieser Wille zur Macht auf der einen und zur Vernichtung auf der anderen Seite. Die Sprache, das Bürokratische, die ständig neuen Regeln, die gefühlt willkürlich gemacht wurden, weil sie es konnten. Manchmal ist es zu viel und dann heult man kurz im Bundesarchiv. Weil es eben nicht nur um ein paar bunte Bilder ging. Ich bin nicht hart genug für die Kunstgeschichte.“

Das ist ein anderer Schnack als wenn man sich mit Genozidforschung befasst, schon klar. Aber ich merkte und merke es immer wieder, dass ich dünnhäutiger werde, je tiefer ich in dieses Thema einsteige. Im den letzten beiden Semestern hörte ich einer Vorlesung von Michael Wildt an der Humbold-Uni zu, die tollerweise per Zoom stattfand. Im Sommersemester ging es um die Entwicklung der Vernichtungspolitik im „Dritten Reich“, angefangen mit der Aktion T4 über die Wannseekonferenz nach Auschwitz. Im letzten Semester ging es um populärwissenschaftliche Bücher (oder Werke von Ruth Klüger und Anne Frank), die unser Bild vom Nationalsozialismus prägten. Nach jeder der 90 Minuten war ich fertig, obwohl ich nur zuhörte und nicht selbst durch Akten blätterte. Dieser ganze Hass frisst sich irgendwann in einen hinein, und ich ahne langsam, dass meine Witze über meine Fassungslosigkeit darüber eine völlig angemessene Reaktion der Überforderung und Hilflosigkeit waren. Gut zu wissen, dass ich mit dieser Hilflosigkeit nicht allein bin und dass es in Ordnung ist, nach einer konzentrierten wissenschaftlichen Arbeit, bei der man sich um Distanz und Emotionslosigkeit bemüht, zu weinen, mit Dingen zu werfen oder viel Kuchen backen zu müssen.

(Hat sich seltsam angefühlt, Anne Franks Wikipedia-Artikel zu verlinken, denn eigentlich weiß man ja, wer das ist.)

The Art of Working in Social at a Museum

Dieses Interview mit JiaJia Fei fand ich recht spannend. Danke an @simply_hande für den Link.

„RK: Why do you love working in social within the arts?

JF: I used to joke that following me on Instagram could give you an honorary degree in art history. By design, the art world is built on exclusion and hierarchy. Objects that end up in museums and galleries have cultural (and financial) value because they pass through a vigorous selection process that basically declare other objects do not hold such value. The power that social media provides in the possibility of opening up the art world and bringing art to more people beyond these structures is what’s motivated me to do this work over the last 15 years. […]

RK: I’ve noticed a lot of Link in Bio readers work at museums. What are a few tips you have for social media professionals who work in this field?

JF: The most important thing to know when managing social media for a museum is the museum itself. More important than the latest trends or optimal times to post, it is critical to internalize the mission, collection, and program of your institution first, in order to properly interpret that story (in an engaging way) to a broader public online. For this reason, it’s often a mistake to delegate social media to the most inexperienced person (which often happens) at your organization. Think about it: you are handing over the most publicly visible channels to the person who understands your institution the least. For that reason, anyone working in this role should do the work of getting to know every aspect (and person) at the museum first. […]

We are living in a time of unprecedented access to information and images, and art should be at the forefront, as long as we can make it more accessible to more people. People are often intimidated by art because they think it requires so much prior knowledge and experience to appreciate, but I like to compare it to developing one’s taste for music or movies. The more you see, the more you can decide for yourself what you like (or dislike). Art is a reflection of our world, and the more people (of all backgrounds) participate in the discourse of art, the more it will be truly reflective of the world we actually live in.“

Ich höre gerade Herrn Krömer beim Spazierengehen zu. Gibt’s zum Beispiel auf Spotify.

Choose Enjoyment Over Pleasure

An manchen Tagen leichter gesagt als getan, aber: im Prinzip ja.

„This creates a puzzle for the happiness seeker, who must navigate between the twin perils of puritanism and indulgence, leading to the much-dreaded rule of moderation, which is more or less the philosophy of leaving any party as soon as it gets really good. Fortunately, there is a better way to solve the puzzle: To stay at the party without letting it get out of control, choose enjoyment instead.

Enjoyment and pleasure are terms often used interchangeably, but they are not the same thing. Pleasure happens to you; enjoyment is something that you create through your own effort. Pleasure is the lightheadedness you get from a bit of grain alcohol; enjoyment is the satisfaction of a good wine, properly understood. Pleasure is addictive and animal; enjoyment is elective and human. […]

Enjoyment is better than pleasure because it is more conscious and permanent. […] everyone gets pleasure from eating when they’re hungry, but it takes some knowledge and cultivation to enjoy food. After you finish lunch, the pleasure is gone, and in fact, the idea of eating is no longer appealing because your physical need has been satisfied. Meanwhile, the memory of a meal enjoyed with friends transcends the immediate experience and can bring good feelings long after it is over.“

Ich habe mir ein bisschen Enjoyment selbst gebastelt und gekocht. Zum Beispiel Rote Bete à la Bourguignonne mit Kartoffelbrei (nur echt mit Brocken) oder Confit Byaldi. Und generell erfreut mich meine Biokiste weiterhin, aber das ist ja nichts Neues. (Trotzdem aufschreibenswert.)