Tagebuch Sonntag, 27. August 2023 – Traurig, aber mit Fußball und Bier

Ich hatte das Mütterchen vor Wochen gefragt, ob ich zu Papas Todestag in den Norden kommen sollte, was sie freundlich ablehnte, nein, nein, das muss nicht sein. Aber am Samstagabend war mir klar, dass diese Entscheidung eine doofe gewesen war, natürlich hatte ich fahren sollen, wieso bin ich nicht gefahren. Ich telefonierte mit dem Mütterchen und dem Schwesterherz, beide waren ähnlich drauf wie ich, latent traurig, aber auch hilflos, wie man damit umgehen soll, es ist das erste Mal, das sich Papas Todestag jährt, wir wissen noch nicht, wie das geht.

Fürs nächste Jahr weiß ich jetzt aber: hinfahren, natürlich.

Es regnete gestern passenderweise den ganzen Tag, was ich eigentlich mag, denn das ist das perfekte Wetter, um mit Tee und einem Buch auf dem Sofa zu versacken und traurig zu sein. Aber ich hatte eine Karte für das Bayernspiel gegen Augsburg, die ich angenommen hatte, ohne über den Termin nachzudenken. Ich haderte ein paar Stunden und entschloss mich dann zu fahren, vielleicht ist Ablenkung gar nicht so doof. Und außerdem: F. F. ist da und dann ist alles immer besser.

Ich trug nach Monaten wieder mal eine Maske, denn die üblich volle U-Bahn zum Stadion war mir zu risikoreich. Die einzige Atemwegserkrankung der letzten dreieinhalb Jahre hatte ich mir vor wenigen Monaten in einer U-Bahn eingefangen, daher war Maske die klare Option. Ich war die einzige, ist okay, es muss niemand mehr, passt schon.

Das Nadelöhr Einlass lief perfekt, ich war eine halbe Stunde vor Spielbeginn auf meinem Platz und konnte noch ein bisschen lesen, wie schon in der U-Bahn nicht in einem Buch, sondern auf dem Handy. Denn praktischerweise lese ich ja gerade ein gemeinfreies Buch, das beim Projekt Gutenberg zu finden ist, und daher hatte ich es dank des magischen Internets dabei. Merke ich mir für die Zukunft: immer neben den anderen Büchern noch ein gemeinfreies lesen, wer weiß, wann das Täschchen, das in Stadion oder Konzertsaal okay ist, zu klein ist für den üblichen 500-Seiten-Schmöker.

Mir gefällt „Das einfache Leben“ von Wiechert übrigens deutlich besser als erwartet. Bin selbst überrascht davon.

Als F. auftauchte, merkten wir, dass wie uns nur brüllend unterhalten konnten, anscheinend war die Lautsprecheranlage über die Spielpause nochmal um 5 Dezibel hochgejazzt worden. Ein Freund meinte nach dem Spiel: „Nee, ist wie immer, man vergisst nur im Sommer, wie laut es ist.“

Augsburg fing sich zwei Deppentore ein und ein sehr schönes vom Bayern-Neuzugang Harry Kane, das ich auch brav beklatschte. Ansonsten war das Spiel ereignislos-freundlich, die Niederlage erwartet, die Temperaturen okay und immerhin auf dem Hinweg zum Stadion machte der Regen auch mal eine Pause.

Nach dem Spiel kehrten F. und ich noch hungrig und vor allem durstig in die Stammkneipe ein. Nach dem äußerst netten Besuch musste ich leider eine Nebenwirkung des Älterwerdens feststellen, die mir neulich bei Tohru auch schon aufgefallen ist: Ich vertrage nicht mehr so viel Alkohol. Mit ungefähr 30 hatte ich rausbekommen, wo mein Level liegt, ab wann ich lieber auf Apfelschorle umsteigen sollte und was ich gar nicht gerne trinken und daher gleich freundlich ablehnen sollte. Dieser Erfahrungshorizont hat anscheinend bis 54 was getaugt, aber jetzt merke ich leider, dass ich Anpassungen vornehmen muss. Sehr doof – wir sind gerade dabei, uns das Burgund zu ertrinken und das ärgert mich jetzt schon, dass ich nun anscheinend zu den kleineren Portionen verurteilt bin. Oder halt eine eher miese Nacht mit Schwindel und Kopfschmerzen hinnehmen muss. Was ich sehr wahrscheinlich eher selten hinnehmen will, denn mein Schlaf ist mir heilig und lieb.

Andere Nebenwirkung des Älterwerdens: Ich liebe den Hashtag „Bloomscrolling“ bei Mastodon und abonniere alle Fotograf*innen mit Blümchenbildern auf Insta.