Tagebuch Dienstag, 26. September 2023 – Alles gesagt
Mely Kiyak reißt in ihrer Kolumne fürs Gorki-Theater so viele Themen an, dass ich mich kaum für eins entscheiden kann. Das hier war beim Posten auf Masto mein Favorit:
„Gegen Radikalisierung von Rechts in diesem Stadium hilft nur Radikalisierung von Links. Man muss den Faschisten das Leben so schwer machen, dass sie die ganze Zeit damit beschäftigt sind, sich anzubiedern und Naziforderungen in demokratische Programmatik umzuwandeln. Es funktioniert aber genau andersherum. Die demokratischen Parteien suchen die parteipolitische Anschlussfähigkeit an die Faschisten.“
Gestern (?) meinte jemand dort drüben, dass wir schon wieder damit beschäftigt seien, uns selbst in die Depression zu schreiben. Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen, weil ich beim Beginn auf Masto erstmal alles abonniert hatte, was nach guter Laune aussah: die Hashtags mastoart und bloomscrolling, zum Beispiel. Mastoart ist inzwischen wieder de-abonnniert, weil mir da zu viele, äh, Heimarbeiten ankamen, die aussehen wie meine eigenen halbgaren Versuche mit Wasserfarben und von denen muss ich nicht mehr anschauen als die, die vor mir auf dem Block ineinanderlaufen. Blümchen gehen gerade saisonbedingt irgendwie zur Neige, und daher fiel es mir gestern auch erstmals deutlich auf: Meine Timeline ist schon wieder arg schlecht gelaunt und zynisch. Ich versuche, das wenigstens an meinen Posts mal wieder zu ändern, aber gleichzeitig macht mir das politische Klima halt große Sorgen. Können die bitte mal von der Politik ernstgenommen werden?
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Ansonsten war gestern Schreibtisch- und Bratkartoffeltag. Aber: Mich erreichte eine äußerst unerwartete Mail von jemandem, den ich seit über 30 Jahre nicht gesehen habe. Er saß gerade im Zug und hatte, warum auch immer, meinen Namen ergoogelt und mir das gleich mal gemailt. Das war nett.
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In der Datenbank der Hamburger Kunsthalle die Sammlung für ausgesonderte („vergangene“) Werke entdeckt. Nachdem ich mich über die latent unkomfortable Sortierung aufgeregt hatte (jedes Jahr einzeln anklickbar anstatt vielleicht erstmal Jahrhunderte oder Dekaden), lungerte ich bei den Werken rum und klickte durch die Gegend. Dabei gefiel mir eine Bildbeschreibung besonders: „Eine Jungfrau mit Diadem auf einem Einhorn sitzend kommt aus der Tiefe des Tannenwaldes nach vorn. Rechts Blick in die Ferne.“ Natürlich.