9. Januar 2024 – Milch und Brot

Schreibtischtag, Eichhörnchenhirn. Meh.

Ich lerne seit wenigen Wochen mit Duolingo Hebräisch. Dort gibt es einen Reiter für die üblichen Lektionen, aber auch einen, mit dem man nur die Buchstaben üben kann, die dann für größtenteils komplett sinnfreie Übungsworte zusammengestellt werden. Am Anfang haben mich die ganzen Punkte, Striche und Dinge, die wie Ts aussehen, wahnsinnig gemacht, weil sie manchmal einen Vokal darstellen (aber nicht immer denselben) und manchmal genau das Gegenteil (nach diesem Konsonant bitte keinen Vokal dazudenken). Aber man gewöhnt sich dann doch an diese lustigen Nupsis.

In den Lektionen stehen die Worte nun aber ohne diese Auszeichnungen, denn die werden nicht mitgeschrieben – nur in Kinderbüchern, wie mir jemand auf Masto erzählte. (Ich brauche Kinderbücher.) Man muss sich einfach merken, dass dieses Wort nach A klingt und dieses nach E. Die meiste Zeit liest Duolingo einem die Worte ja auch vor, sonst wäre ich völlig verloren. Aber im Übungsreiter, wo man alle Vokabeln nochmal auffrischen kann, die einem bisher in den Lektionen untergekommen sind, gibt es nur bei wenigen die Option, sie sich noch einmal anzuhören. Was mich jetzt genauso wahnsinnig macht wie vorher die Nupsis, weil ich mir nicht sofort alles merken kann bzw. gerne mal wieder vergesse.

Also bin ich inzwischen dazu übergegangen, neben dem trendy Handy noch meine guten alten Vokabelkarten zu nutzen, auf deren Vorderseite ich jetzt sehr krakelig hebräische Buchstaben male (Bambi learning to walk) und wo auf den Rückseiten nicht nur die hoffentlich korrekte Übersetzung steht, sondern auch lautmalerisch Dinge wie „chalav“ für „חלב“ (Milch). Das klingt so. Oder „lechem“ für „לחם“, was Brot bedeutet, das ich mir immer damit merke, dass es nicht Milch heißt, was für mich vom Klang her viel logischer wäre.

Die FAZ über die erste Gesamtausgabe von Marlen Haushofer, hier ohne Paywall: „Schrei nur, meine Tochter.“

„Es beginnt mit „Eine Handvoll Leben“ (1955), ihrem Debütroman, auf den „Die Tapetentür“ (1957) folgt, in welchem die Erzählerin zwischen Verdrängen und Erinnern oszilliert und auf die verschütteten Traumata der Nachkriegsgeneration anspielt. Dann schreibt sie „Die Wand“ und schließlich, dem Spätwerk zuzuordnen, ihren Kindheitsroman „Himmel, der nirgendwo endet“ (1966), der lähmende weibliche Sozialisation, Domestikation und letztlich Mortifikation durch die Erziehungsinstanz Mutter erzählt. Haushofers letzter Roman heißt „Die Mansarde“ (1969): Eine überangepasste Ich-Erzählerin akzeptiert darin die Vergeblichkeit aller Ausbruchbewegungen.

Wie bei Adorno gibt es auch bei Haushofer kein richtiges Leben im falschen. Die Ausbruchsversuche ihrer Protagonistinnen werden nie zu Erfolgsgeschichten. Im Gegenteil: Der Aktionsradius ihrer Figuren vom ersten bis zum letzten Roman nimmt kontinuierlich ab. Am Ende bleibt nur „Die Mansarde“, direkt über der Küche, um persönliche Bedürfnisse und Eigenheiten auszuleben. […]

Die Werkausgabe ist die zweite Wiederentdeckung der Autorin. In den Achtzigerjahren wurden ihre Romane von der Frauenbewegung entdeckt und darüber hinaus mit Blick auf atomare Aufrüstung und Weltuntergangsszenarien gelesen. Selten wies man darauf hin, dass sie, insbesondere in „Die Tapetentür“, auch über die unbewältigte NS-Vergangenheit schrieb, über eine Nachkriegsgeneration, die unter den Dogmen des Schweigens und Vergessens zu innerer Leblosigkeit erstarrt.“