Mittwoch, 24. Januar 2024 – Wind und Hund
Gestern windete es in München ziemlich schön, weswegen ich meine Einkäufe zu Fuß erledigte, um mich mal wieder durchpusten zu lassen. Ich war die ganze Zeit damit beschäftigt, mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen, wenn ich die Hände nicht gerade ausgestreckt neben mir in den Wind hielt, um den Widerstand zu erhöhen und sich wie auf See zu fühlen. Das war sehr norddeutsch und hat sehr gut getan.
Bis auf den letzten Abschnitt, den ich dann doch, inzwischen schwer bepackt, mit dem Bus zurücklegen wollte. Ich sah an der Tür, in die ich einsteigen wollte, eine Dame mit zotteligem Hund, weswegen ich flugs zur nächsten Tür schritt – meine Tierhaarallergie weiß nie so genau, auf was sie allergisch reagiert, daher bin ich vorsichtig. Fünf Meter Abstand schienen zu reichen, aber an der nächsten Station stieg eine weitere Hundedame ein, und da merkte ich schon nach wenigen Sekunden, dass die Nase zu jucken begann. Daher stieg ich nur zwei Stationen nach dem Einstieg wieder aus, weil ich ebenfalls merkte, dass das Atmen schwerer fiel, nahm kurz einen Hub Spray und ging dann doch lieber weiter zu Fuß.
Ich ahne, dass das Leser*innen kostet, aber: Könnt ihr eure vierbeinigen Freunde bitte einfach zuhause lassen, wo ich ihnen weiträumig ausweichen kann? Bringt Schildkröten in öffentliche Räume oder Goldfische, aber nichts, was haart. Übrigens auch ein gutes Argument fürs Home Office: Bürohunde. Wann hat dieser Quatsch eigentlich so überhand genommen? Oder sind das nur Werbeagenturen und Start-ups?
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Leseempfehlung 1:
Ich fand den Artikel sehr lesenswert, auch wenn er sich ziemlich um eine Gruppe von Menschen herumdrückt: die Opfer des NS-Regimes. Ja, durch die Einbindung von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und weiteren Nazis in die staatlichen Stellen hat man ihre (imaginierte oder tatsächliche) Gefahr mindern können, aber zu welchem Preis? Dem, dass Opfer weiterhin davon ausgehen mussten, sich bei möglichen Ansprüchen an den neuen Staat den alten Kadern gegenüberzusehen.
Das bewusste Beschweigen der NS-Zeit, die schon frühe Schlussstrich-Debatte haben nicht nur dafür gesorgt, dass Nationalsozialisten sich ganz eventuell doch mit einer demokratischen Staatsform anfreunden konnten und vor allem Wirtschaft und Zeug wieder liefen, aber auch dafür, dass Opfer mitschweigen mussten, um den brüchigen Frieden nicht zu gefährden.
„Zur Erinnerung: Auch wenn wir es heute in Teilen der Polizei, aber auch des Militärs wieder mit rechten Netzwerken, unter anderem von selbsterklärten „Reichsbürgern“, zu tun haben, stellte sich seinerzeit die Frage nach der Zuverlässigkeit der Bürokratie in einem ungleich größeren Ausmaß. Die Alliierten hatten 1945 nicht weniger als 200 000 Personen, die sie als rechte Gefährder einstuften, in Sicherheitsverwahrung genommen: NSDAP-Funktionäre, Angehörige des Sicherheitsapparates, Berufssoldaten, höhere Beamte, Topmanager. Noch einmal so viele wurden entlassen – als „Nazis“, aber auch als „Militaristen“, wenn sie aus dem Sicherheits- und Militärapparat oder der Rüstungsindustrie des Reiches kamen.
Teile der SPD und der Gewerkschaften setzten angesichts dieser riesigen Herausforderung auf eine Politik, die sie in Anlehnung an das Republikschutzgesetz von 1922 „Schutz der Demokratie“ nannten. Der Demokratieschutz sollte stabilisieren durch soziale Absicherung der potenziellen Gefährder: Die meisten der von der Denazifizierung betroffenen Personen sollten ein Anrecht auf Wiedereinstellung bekommen. Allerdings sollten Spitzenpositionen weiterhin durch Nazigegner besetzt werden.
Praktiziert wurde diese Politik in Ansätzen in Hessen, wo ein einzelner mutiger und gut platzierter Staatsanwalt wie Fritz Bauer wichtige Akzente setzte – übrigens nicht nur bei der Ahndung von NS-Verbrechen, sondern auch im Kampf gegen rechte Paramilitärs. Außerdem war die SPD gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und für eine Entflechtung der Großindustrie. So sollte die Abkehr vom Militarismus sichergestellt werden.
Demgegenüber setzten die bürgerlichen Parteien, zu denen neben der CDU/CSU und der FDP auch die monarchistisch-nationalkonservative Deutsche Partei (DP) zählte, auf eine Politik, die den „Schutz des Staates“ in den Mittelpunkt stellte. Dieser Staatsschutz gab vor, sich nicht sonderlich für etwaige Gefahren von rechts zu interessieren. Mit umso größerem Nachdruck beschwor er die Existenz einer „roten Gefahr“.“
#FritzBauerUltras, wisst ihr ja. Dem Institut kann man folgen.
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Leseempfehlung 2:
245,000 Jewish Holocaust survivors are alive today. Where are they now?
Der Artikel aus der Washington Post ist ein „gift article“, wer ihn trotzdem nicht lesen kann, klickt bei archive.
„After the Holocaust, Europe’s heavily diminished Jewish population spread out across the globe. Since most countries do not systematically track survivors, it has not been clear how many were still alive — until now.
The Conference on Jewish Material Claims Against Germany published on Tuesday what is thought to be the first comprehensive, verified estimate of the size of this population, where they live and what their needs are. Known as the Claims Conference, it is an organization that secures compensation payments from the German and Austrian governments for Jewish Holocaust survivors.“
Fast die Hälfte der Überlebenden lebt heute in Israel. Falls noch jemand nach dem 7. Oktober Argumente braucht. Und warum das Ganze? Deswegen:
„When survivors die, a living piece of history dies with them. Leon Weintraub, 98, one of the living Jewish survivors, said it is more crucial than ever to share and preserve the lessons from that history in the face of Holocaust denialism and rising nationalist sentiment across Europe. Despite the troves of evidence of Nazi crimes, “there are still people who deny that this happened,” he said.“
Das im Artikel angesprochene PDF ist hier.