Montag, 12. Februar 2024 – Fragen und Antworten

Das Buch, das ich gestern im Blog erwähnte, las ich gestern abend noch durch, das ging schnell. Ich wusste doch mehr, als ich dachte, aber ich weiß immer noch nicht genug, weswegen das Buch netterweise weitere Literaturtipps hat. Zum Beispiel beim Zentralrat der Juden als Liste. Ich mochte an dem schmalen Bändchen die beiden persönlichen Stimmen sehr gerne, die sich sehr oft nicht einig waren; auch die beiden erzählen den Witz, dass zwei jüdische Menschen gerne drei Meinungen haben.

Länger nachgedacht habe ich über das kurze Kapitel zum Antisemitismus, wo Weisband versucht, Gründe aufzuzählen bzw. historische Begebenheiten wiederzugeben, die möglicherweise dafür sorgen, dass jüdische Menschen gehasst werden, sie beginnt beim christlichen Anti-Judaismus und hört beim Anti-Zionismus auf. Aber alleine diesen Satz zu schreiben, fühlt sich bescheuert an. Havemann argumentiert ähnlich.

Das Kapitel beginnt mit einer Frage:

„Warum hasst man Juden?

Eliyah: Warum hasst man Radfahrer?“

Ich musste an einen Thread von Igor Levit denken, der ja gerne mal jüdische Witze postet. Ich habe ihn ergoogelt:

„After the assassination of Tsar Alexander II of Russia, a government official in Ukraine menacingly addressed the local rabbi. “I suppose you know in full detail who was behind it.”

“Ach,” the rabbi replied, “I have no idea, but the government’s conclusion will be the same as always: they will blame the Jews and the chimneysweeps.”

“Why the chimneysweeps?” asked the befuddled official.

“Why the Jews?” responded the rabbi.“

Havemann wird noch etwas ausführlicher:

„Eliyah: Marina, ich finde es problematisch, die Frage überhaupt zu beantworten.

Marina: Warum?

Eliyah: Weil es für Hass keinen Grund gibt und man ihn auch nicht argumentativ erklären kann. Alles, was du gesagt hast, ist natürlich richtig. Das sind alles Bestandteile, die Antisemit:innen benutzen, um uns zu hassen. Aber sie würden uns auch hassen, wenn das nicht so wäre. Und sie hassen andere nicht, die genau dasselbe machen. Und deswegen ist die Frage zu beantworten, warum werden Juden gehasst, eigentlich falsch, weil die Frage bereits falsch ist. Warum wird gehasst? Hass braucht keinen Grund.“

Was ich auch wichtig fand: dass Jüd*innen nicht immer nur als Opfer wahrgenommen werden. Im Kapitel zu jüdischen Festen oder Feiertagen wird auch Jom HaShoa erklärt.

„Marina: Ich bekomme in Deutschland in der Tat mehr vom Holocaust-Gedenktag im Januar mit, allerdings ist mir der Beiklang des Jom HaShoa näher. Mir ist, als gehe er mit mehr Gedenken auch an den Widerstand einher. Immerhin ist es der Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto. Folgt man deutscher Erinnerungskultur, waren Jüd:innen schwache, ausgemergelte Opfer, die getrieben wurden wie Vieh. Und das war gewiss ein Teil der Wahrheit. Aber ein anderer Teil war eben auch, dass es Held:innen gab, dass es Widerstand gab. Dessen sollten wir vielleicht auch in Deutschland stärker gedenken.“

Und neben all den anderen wichtigen und aufschlussreichen Dingen im Buch lohnt es sich auch nur für diesen einen Satz im selben Kapitel:

„Purim ist wieder einer dieser »Sie wollten uns töten, sie haben es nicht geschafft, lasst uns essen«-Feiertage.“

Marina Weisband, Eliyah Havemann: Frag uns doch! Eine Jüdin und ein Jude erzählen aus ihrem Leben, Frankfurt am Main 2021, S. 160/162, 130 und 120.