Mittwoch, 28. Februar 2024 – Pling und Snooze
F. und ich saßen ohne Pause in der Isarphilharmonie und lauschten Mahlers 7. Sinfonie. Das hat bei mir ein bisschen gedauert, aber spätestens im zweiten Satz war ich Auge und Ohr und danach im positiven Sinn total platt, obwohl ich ja nur rumgesessen hatte. Ich weiß nicht, welche Einspielung empfehlenswert ist, ich habe mich hier für Bernstein und die Wiener Philharmoniker entschieden, falls ihr reinhören wollt. Oder anderthalb Stunden zuhören. Wer mehr über gestern lesen will, hier ist das Programmheft.
Ich fand es nett zu sehen, dass bei einer siebten Sinfonie auch sieben Menschen an den Schlagwerkzeugen beschäftigt waren. Ich freue mich ja immer über eine Batterie an lustigen Percussionsdingen, von denen ich meist nicht mal weiß wie sie heißen, wenn sie nicht gerade Pauken, Becken, Glocken oder Xylophon sind. Auch neu für mich: eine goldene Triangel. Ich habe mich in den vergangen Jahren ja so langsam an goldene Querflöten gewöhnt, aber eine Triangel kannte ich in der Farbe noch nicht. Gibt es die eigentlich in unterschiedlichen Stimmungen? *googelt „Triangel“* Hm. Dazu sagt die Wikipedia nichts, aber ich habe mich jetzt beim Begriff „Ideophon“ festgelesen.
Außerdem schön für Mahler, weniger schön für die Musizierenden: Es waren eine Gitarre und eine Mandoline mit auf der Bühne, die aber nur für wenige Takte im vierten Satz was zu tun hatten. Das stelle ich mir ja auch seltsam vor, 70 Minuten rumzusitzen, dann drei Minuten zu spielen, wenn überhaupt, und dann wieder rumzusitzen. Früher, als ich in der Oper noch im Rang saß, beobachtete ich gerne die Harfenistinnen, die Bücher lasen, wenn sie nichts zu tun hatten, oder andere Musiker*innen, die den Graben komplett verließen, bis sie wieder dran waren mit ihrem Exoteninstrument. Inzwischen sitze ich lieber im Parkett, um mich genau von sowas nicht mehr ablenken zu lassen. Ich muss gerade an einen uralten Strip von Loriot denken, der genau das abbildete: ein Triangelspieler im Orchester, der einmal „Pling“ macht, dann spazierengeht, auf einer Parkbank ein Buch liest, die Tauben füttert, wieder ins Konzerthaus stapft und ein weiteres mal plingt.
Gestern war auch das Publikum unterhaltsam. Zwei Reihen schräg vor mir saß ein älterer Herr, dessen rechter Nebenplatz frei war, was er dazu nutzte, sehr engagiert zur Musik mitzugehen; er dirigierte fast mit, nickte rhythmisch und hibbelte einfach begeistert rum. Ich guckte ab und zu rüber und freute mich, dass Klassik so mitreißt, aber die Dame direkt hinter ihm hatte im dritten Satz genug, tippte ihn an und bat ihn offensichtlich, so steif und leise rumzusitzen wie alle anderen auch. Er schaute seitdem nur noch nach unten, was mich etwas traurig machte. Ich hätte nichts gegen ein bisschen mehr Party im Konzert, glaube ich. Muss ja nicht gleich Stagediving sein.
Man kann Konzerte natürlich auch anders nutzen: Der junge Herr vor mir legte im ersten Satz seinen Kopf auf die Schulter seiner Begleiterin und ich dachte, aww, public display of affection, I like, aber der Kopf blieb dort verdächtig lang liegen und er atmete sehr ruhig. Ich konnte nicht sehen, ob er schlief, aber ich gehe davon aus. Erst kurz vor Schluss hob er den Kopf und rieb sich erstmal die Augen. Ist okay, Hase. Ich bin auch schon in der Oper eingeschlafen und auch einmal in einer Vorlesung. Wir sind alle müde.
Gestern war ich allerdings hellwach. Die Sinfonie hat mich gut über- und gefordert, so dass ich dauernd was zum Nachdenken hatte. Gerade aus dem fünften Satz hätte man vermutlich nochmal drei Sinfonien schnitzen können; das Programmheft schreibt was von „kleinteilig“ und „auf- und abtauchenden Motiven“, was für mich passt. Gleich nochmal hören, wenn ich aus dem Bällebad wieder zuhause bin.