Montag, 18. März 2024 – Kirchner und kein Kokos
Einen netten Termin gehabt, überraschend einen Grossberg gesehen, hach, sowie einen Hofer und einen Kirchner.
Meal Prep gemacht, dafür eingekauft – und erst zuhause gemerkt, dass ich keine Kokosmilch mehr im Schrank hatte. Wie kann das bitte passieren? Daher also wieder mit eingeweichten Cashews und Nährhefe gearbeitet, was zwar okay ist, aber eine Dose Kokosmilch öffnet sich schneller.
Rest der Bohnensuppe von Sonntag verspeist, weiterhin hervorragend, auch wenn ich jetzt weiß, dass ich auf Artischockenherzen verzichten kann. Ich lerne jeden Tag etwas Neues.
Eine Verabredung getroffen, ansonsten am Schreibtisch vor mich hingepuschelt. Abends Käsebrot, weil Käsebrot großartig ist, vor allem wenn man im Schrank noch Gewürzgürkchen findet, wo man die Kokosmilch vermutet hatte.
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Igor Levit war zu Gast im Hotel Matze.
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Ich habe zu Weihnachten ein vermutlich sehr empfehlenswertes Buch bekommen, mit dem ich Schwierigkeiten habe, es durchzulesen, weil ich mich dauernd über den Inhalt aufrege. Es geht um Norbert Freis Im Namen der Deutschen. Die Bundespräsidenten und die NS-Vergangenheit 1949–1994. Jetzt gerade hänge ich auf der lausigen Seite 25 oder so fest, weil ich immer noch stinkig auf die Seiten 21/22 bin. Nicht wegen Frei, nicht wegen seines Schreibstils, sondern wegen der beschriebenen Geistesverfassung der jungen Bundesrepublik. Die mir ja klar ist, logisch, aber genau wie zur Zeit der Diss, wo mich jede NS-Quelle umgehauen hat, obwohl ich wusste, was in ihr drinsteht, hauen mich derzeit Quellen aus den Nachkriegsjahren um.
Im Buch geht es um die öffentlichen Äußerungen der Bundespräsidenten, hier muss man nicht gendern, was Frei kurz im Vorwort anspricht: „Seit dem Amtsantritt von Theodor Heuss im September 1949 ist die öffentliche Rede das zentrale politische Instrument des deutschen Staatsoberhaupts, und dabei wird es auch bleiben, wenn irgendwann eine Bundespräsidentin das Wort ergreift. Der Bundespräsident handelt, indem er spricht.“ (S. 7)
Frei lässt sein Buch mit Richard von Weizsäcker enden, „der, ebenso wie Scheel und Carstens, die Jahre des Zweiten Weltkriegs als Soldat erlebt hatte“, mit ihm „ging die Zeit der NS-Zeitgenossenschaft im Präsidialamt 1994 zu Ende; alle späteren Bundespräsidenten waren bei Kriegsende noch nicht erwachsen oder noch gar nicht geboren.“ (S. 8)
Auf S. 21/22 geht es um die Nürnberger Prozesse; Frei zitiert hier Heuss, der zur „kleinen Gruppe handverlesener Journalisten“ gehörte, die sich nach Kriegsende in Zeitungen äußern durften, nachdem der sogenannte Blackout, das vollständige Verbot deutscher Zeitungen, im Sommer 1945 von den Alliierten aufgehoben wurde.
„Zum Thema Nationalsozialismus hatte der Leitartikler Heuss erstaunlich wenig zu sagen; prinzipiell präsentierte er sich als die Stimme derer, die von sich glaubten, dem verflossenen Regime mit Distanz und Ablehnung begegnet zu sein. Entsprechend bekundete er angesichts des beginnenden Nürnberger Prozesses im Oktober 1945 ‚Enttäuschung, dass diese Abrechnung nicht von Deutschen selbst vorgenommen werden kann‘. (Ganz ähnlich dachte, ohne dass er Gelegenheit gehabt hätte, dies damals zu publizieren, der junge Richard von Weizsäcker.) Mit frappierender Direktheit nahm Heuss jene post-volksgemeinschaftliche Stimmung auf, die Besucher wie Hannah Arendt bei ihren Reisen im Nachkriegsdeutschland so empörte: ‚Hat die „Welt“ ein Interesse, ein Recht, Ruchlosigkeiten und Gesetzesverletzungen einer Bestrafung zuzuführen, wie viel mehr das deutsche Volk, das in Einzelschicksalen und Massennot das eigentliche Opfer einer verderblichen Politik geworden ist. Wir müssten die Ankläger sein, wir müssten die Richter stellen!‘ (S. 21/22)
Norbert Frei: Im Namen der Deutschen. Die Bundespräsidenten und die NS-Vergangenheit 1949–1994, München 2023.