Sonntag, 24. März 2024 – Bild und Ton
Noch kurz vor Schluss endlich die Ausstellung „Günter Fruhtrunk. Die Pariser Jahre (1954–1967)“ im Lenbachhaus gesehen. Sie läuft nur noch bis zum 7. April, schnell hin, lohnt sich. Mein Liebling war das hier:
Günter Fruhtrunk: Weiße Positionen, 1957–59, 125 x 185 cm, Lorenzelli Arte, Mailand.
Generell fand ich die 1950er Jahre einen winzigen Hauch spannender als die 1960er, weil ich dem Künstler gefühlt dabei zuschauen konnte, seine Sprache zu finden. Sprache war überhaupt ein Thema, das ich im Hinterkopf hatte. Mir fehlte früher etwas der Zugang zur konkreten Kunst, weil ich immer versuchte, die Farben und Formen in irgendwas zu übersetzen, zu dem ich eben Zugang habe: in Worte. So sprachen F. und ich gestern viel über einzelne Kreise, Linien und Raumempfindungen, aber was mir das Bild sagt, um mal diese einfache Formulierung zu nutzen, weiß ich nie. Das fand ich früher schwer auszuhalten, inzwischen ist es für mich befreiend. Dieses Werk will überhaupt nichts von mir, es ist einfach da.
Ich musste an den Podcast Hotel Matze denken, in dem letzte Woche Igor Levit zu Gast war. Der Gastgeber gibt irgendwann im Gespräch zu, keinen Zugang zu klassischer Musik zu haben – weil ihm der Text fehlt. Es fehlt ihm also etwas, das er, sorry, doofes Wort bei Kunst, versteht, mit dem er etwas anfangen, an dem er sich festhalten kann. Und auch hier merkte ich, wie sich mein Hören von klassischer Musik verändert hat. Ich komme aus der Oper, wo ich Text habe, wo ich ein Libretto nachlesen kann, wo es im besten Fall eine sinnvolle Geschichte gibt, der ich folge. Seit einigen Jahren bin ich aber eher bei Orchesterwerken oder Klavierstücken, wo ich zwar meine rudimentären Kenntnisse aus zwei Semestern Musikwissenschaft ausbuddeln und bei Igors Beethoven-CD den Sonatensatz aufspüren kann. Will ich aber gar nicht. Ich möchte im Konzertsaal sitzen und einfach nur zuhören, so wie ich ins Museum gehe, um einfach nur zu schauen.
Dass ich sowohl bei bildender Kunst als auch bei Musik irgendwann anfange, nach Schemen zu suchen, nach Haltegriffen, nach Wiederholungen, nach Strukturen, ja, logisch, so funktioniert mein Gehirn nun mal. Aber meist komme ich davon schnell wieder weg und denke einfach in der Gegend rum. Ich habe noch nie ernsthaft meditiert, aber so stelle ich mir das vor: den Geist einfach wandern lassen und gucken, wo er mich hinführt. Und notfalls aushalten müssen, dass ich in Sackgassen lande. Aber sehr oft lande ich auf weiten Anhöhen, von denen ich die halbe Welt überblicken kann. Wie großartig.
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Zu Fruhtrunk hat die Kuratorin der Ausstellung einen sehr lesenswerten Blogbeitrag geschrieben:
„Ausgehend von seiner frühen Naturbeobachtung und dem Aquarellieren von Landschaften, einer Praxis, die er interessanterweise im Privaten immer beibehielt, gelangte Fruhtrunk von der gegenständlichen zur gegenstandslosen, zur konstruktiven und schließlich zur konkreten Malerei. Er nahm diese (Fort)Schritte von Anfang der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre im Eiltempo. Von Anfang an haftet seinen Bildschöpfungen etwas Elementares an, selbst kleine Formate wirken nie “kleinlich”, sondern eher monumental. Das zeigt sich am besten vor den Bildern selbst, vor verwandten Motiven, die er in unterschiedlichen Größen ausführte.
Mit großer Präzision und Geduld malte er Bilder, die von allem Persönlichen befreit, nur Formen und Farben wirken lassen, jedes Element beeinflusst das nächstliegende – ein Prozess, den die Bilder festhalten. Ein Film von 1962 am Anfang der Ausstellung zeigt das besser als man es mit Worten beschreiben könnte.
Inzwischen gelang es Fruhtrunk, einen in der Bewegung des Auges auf der Bildfläche entstehenden Licht-Raum zu schaffen. Das klingt erst mal paradox. Doch gerade durch die Überforderung des Auges, das versucht, in dem übersteigerten Zusammenwirken von Formen und Farben ein Prinzip zu erkennen, entsteht die Illusion eines Lichtraums. Dieser Lichtraum ermöglicht, ja fordert, freies, aber intensives Schauen.“
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Der Film „No Fear“ über Igor Levit ist seit gestern auf arte.tv zu sehen (bis 21. Juni). Mir hat der Film 2022 im Kino gut gefallen.