Sonntag, 2. Juni 2024 – Fuppes und Politik
Ein neues Dossier auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung: „Extrem rechte Fußballfans und die Nationalmannschaft des DFB“.
Das Dossier zeichnet die politische Entwicklung von verschiedenen Fangruppierungen nach. Der Untertitel lautet „Tendenzen einer Entfremdung“, was mich hoffnungsfroh stimmt. Der DFB, über den man dauernd und themenvielfältig meckern kann, versucht immerhin seit einiger Zeit, sich unter anderem gegen Rassismus in den Stadien zu positionieren. Wie konsequent das ist, lässt sich an einem Zitat vom damaligen Vorsitzenden Meyer-Vorfelder ahnen, der noch 2001 meinte: „Was wird aus der Bundesliga, wenn die Blonden über die Alpen ziehen und stattdessen die Polen, diese Lesniaks und Furtoks, spielen?“
Die Fans sind größtenteils schon weiter:
„So standen viele Ultragruppen in den 2000er-Jahren deutlich weniger weit rechts als die zuvor dominierenden Jahrgänge an Hooligans. In einigen Orten führte dies zu gewaltvoll ausgetragenen politischen Konflikten. In Bremen ging die linke Ultraszene als Sieger daraus hervor (Fellmer, Krüger 2019), in Aachen wiederum verlor sie die Auseinandersetzung (Schwickerath 2013; Nölke 2024). Bis heute sind die Szenen sehr ausdifferenziert. So existieren a) mehrheitlich eher linke Fanszenen, b) politisch umkämpfte Kurven und c) Stadien, in denen das Gewaltmonopol innerhalb der Fanszene nach wie vor weit rechts außen liegt. Der Rassismus ist aus den Fanszenen des Profifußballs nicht verschwunden, aber der Protest dagegen über die Jahrzehnte stark gewachsen.“
—
Was mich persönlich gefreut hat, war die Bebilderung des Artikels mit dem neuen pinkfarbenen Auswärtstrikot der (Herren?-)Nationalmannschaft. (Spielen die Frauen noch in Grün?)
Die NYT hatte gerade ein olles Listicle mit den ihrer Meinung nach schönsten und hässlichsten Euro-Fußballtrikots der letzten Jahrzehnte, wo dieses Jersey in der Negativliste landete. (Link ohne Paywall, leider kein Gift Link möglich.)
Die Kommentare waren anderer Meinung: „it’s gorgeous for me“, „Germany’s away kit is an absolute banger that stands out“, „If the kit is so bad then why are they sold out so quick of the pink kit… every kid I know here in Germany only wants the pink kit and I have seen almost none of the home kits on the street.“ Das schreibt auch die FAZ: Das rosafarbene Shirt legte laut Adidas, „den besten Verkaufsstart für ein deutsches Auswärtstrikot jemals hin“.
—
Zum Thema passen die 45 Minuten der Sportschau, in der sich der Journalist und Fotograf Philipp Awounou über nicht-weiße Nationalspieler*innen Gedanken macht: „Einigkeit und Recht und Vielfalt – Die Nationalmannschaft zwischen Rassismus und Identifikation“.
In dieser Doku wird auch eine Umfrage des WRD erwähnt, über die der Sender schreibt:
„Zwei Drittel der Befragten äußern sich darin positiv über die Zusammensetzung der Nationalmannschaft: 66 Prozent finden es gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben. In der gleichen Umfrage geben jedoch auch 21 Prozent der Befragten an, dass sie es besser fänden, wenn wieder mehr Spieler mit weißer Hautfarbe in der deutschen Nationalmannschaft spielen würden. Die Mehrheit der Befragten (65 Prozent) stimmt dieser Aussage eher nicht oder überhaupt nicht zu.“
In der Nachberichterstattung wird nun die Umfrage kritisiert, was man meiner Meinung nach machen kann. Man könnte natürlich auch klar und deutlich die 21 Prozent der Befragten kritisieren, die diese rassistische Scheiße von sich geben, sich den Ursachen widmen anstatt Vertreter dieser Ansichten in Talkshows zu hofieren und Parteien verbieten, die ähnliche Scheiße propagieren. Aber Sport und Politik haben ja bekanntlich nichts miteinander zu tun.
—
Nachtrag: Sozialwissenschaftler Laing: „Wir sollten diese Fragen stellen“. Lorenz Narku Laing im Gespräch mit Maximilian Rieger im DLF.
„Kimmich habe auf der Pressekonferenz am Samstag viel Richtiges gesagt, sagt Lorenz Narku Laing. Er ist Professor für Sozialwissenschaften und Rassismusforschung an der Evangelischen Hochschule Bochum und zertifizierter Diversitytrainer. Nichtsdestotrotz müsse man die Fragen stellen.
„Diesen Wunsch, Rassismus unsichtbar zu machen, kann ich nachvollziehen. Das Thema ist schwer, es ist unangenehm, und es ist auch konfliktreich. Aber wenn wir Rassismus wirklich überwinden wollen, müssen wir ihn bearbeiten. Das kostet viel Energie und Zeit und die wollen die Leute vielleicht nicht immer reinstecken“, sagt Laing.“
(via @Frau Nora auf Bsky)