Das Duden-Experiment
Ich mag kein Tipp-Ex. Tipp-Ex ist was für Leute, die sich beim Schreiben nicht konzentrieren wollen, für Schnelltipper, deren Buchstaben dann kaltblütig weggeext werden, ohne ihnen die Chance zu lassen, ihre sperrige Schönheit spielen zu lassen. Denn: Muss jedes Wort eigentlich richtig geschrieben werden? Sollte man nicht Tippfehler einfach stehen lassen und so dem Empfänger des Schreibens die Chance geben, die Entstehungsgeschichte eben dieses Schreibens hautnah mitzuerleben? Wäre das nicht eine völlig neue Art des Lesens, wenn nicht mehr der reine Inhalt zählen würde, sondern auch die Art, wie dieser Inhalt zustandegekommen ist?
Müssten Sprachschulen sich dieser neuen Art des Rezipierens anschließen und Sprachen anders vermitteln? Sollten wir Vokabeln nicht mehr nach Buchkapiteln lernen (erst die Gemüsesorten, dann alles, was sich in der Küche befindet, dann alles, was im Büro so rumliegt), sondern nach täglichem, ja minütlichem Gebrauch? Wir sagen einen Satz in unserer Muttersprache und übersetzen ihn dann einfach und unbefangen und ohne pädagogischen Ballast, und genau diese Vokabeln werden dann gelernt. Gerade jetzt zum Beispiel frage ich mich, was Rhesusfaktor wohl auf Englisch heißen mag. Ein Klick ins Netz … unglaublich, Rhesusfaktor heißt rhesus factor. Mal eben ein neues Wort gelernt. Die Methode funktioniert! Nieder mit Tipp-Ex!
(Jetzt atmen wir kurz durch und überlegen, was uns Frau Gröner mit diesem Schmonz sagen wollte. Also: atmen. Alle mitgemacht? Brav.)
Sie waren soeben Zeuge eines Experiments. Ich habe wahllos auf fünf Worte im Duden (Band 1 (vulgo: „der gelbe“), 21. Auflage, Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich, 1996) getippt und diese in einem Blogeintrag verwurstet. Die Worte waren mag, Tipp-Ex, Sprachschule, unbefangen, Rhesusfaktor. Falls Sie keinen Unterschied zur Qualität meiner sonstigen Blogeinträge festgestellt haben, will ich das auf keinen Fall wissen, weil ich sonst die Qualität meiner sonstigen Blogeinträge stark anzweifeln müsste.
(Ja, mir war während Big Brother sehr, sehr langweilig.)
Ein wirklich wagemutiges Experiment!
Malcolm am 21. December 2004
Ich wunderte mich sehr. Konnte ich mir doch kaum vorstellen, dass Du einen Rechtschreibfehler stehen lassen könntest, hättest Du ihn einmal gesehen.
emily am 21. December 2004
Ich liebe Tipp-Ex, ich male damit :-)
und ich fand den Gedanken der Anarchie im Sprachgebrauch sehr schön…
glenda am 21. December 2004
Ich habe mit Tipp-Ex höchstens in der Schule vor lauter Langeweile die Rückseite meines Taschenrechners angemalt. Welches sich fragmental immer noch darauf befindet. Außer in der Mitte der Rückseite. Da war nämlich mal der Live-Aid Aufkleber aus der Bravo angebracht, um den ich herumgemalt, ihn aber irgendwann später mal abgerissen habe. Und jetzt weiss man dann auch, wie lange das mit dem Tipp-Ex schon her ist… (Wo ist die nächste Botox-Spritze?)
emily am 21. December 2004
Sehr schön, in der Tat. Aber dennoch nicht als original freilaufender Gröner-Blogbeitrag tauglich, beruhigt das?
Verschärfte Version: Duden plus Wortanzahl, sagen wir, zweihundert. Das sollte reichen, oder?
Smiri am 21. December 2004
Mich hat der Inhalt etwas irritiert, aber vom Stil her, ganz normal wie alles andere von Ihnen
Clavain am 22. December 2004
Oh mein Gott !
Joey am 22. December 2004