Last Chance Harvey
Last Chance Harvey (Liebe auf den zweiten Blick) funktioniert nur deshalb, weil Harvey seinen Flug verpasst. Lustigerweise ist der Film genau einer der Güteklasse, die am besten im Flugzeug laufen sollten: Er ist fluffig-beruhigend, es gibt kein schlechtes Wetter, das Happy-End strahlt einen schon bei den ersten Klavierakkorden an, die im Vorspann erklingen, und dann haben Hauptdarsteller Emma Thompson und Dustin Hoffman auch noch diese gewisse Chemie, die selbst dünnste Storys über anderthalb Stunden trägt. Das war’s dann aber auch. Und trotzdem war’s schön.
Der Film erzählt eine recht schlichte Liebesgeschichte, die wirklich nicht der Rede wert wäre, wären da nicht die Probleme, die Menschen im Alter von Thompson und Hoffman mit sich rumschleppen. Man ist eben keine 20 mehr und glaubt, ach, wenn’s mit dem oder der nichts wird, dann wird’s eben mit dem oder der nächsten was. Ganz im Gegenteil, man ist inzwischen 40 (oder 60) und ahnt, dass man mit all dem persönlichen Ballast, der sich über die Jahre in einem ansammelt, nicht mehr ganz so formbar, fügbar und besinnungslos lustig ist wie man es einmal war. Man hat Familie, einen Job, Verpflichtungen – ein Leben, das man nicht mal eben so für einen Funken Verknalltheit über Bord schmeißen kann. Oder will. Und genau um diese Frage geht es in Last Chance Harvey: können oder wollen. Nochmal gucken, ob aus einem Flirt eine Niederlage wird oder lieber gleich mit nem Buch ins Bett? Der Film funktioniert, weil er im Grunde seines Herzens ganz fürchterlich romantisch ist, aber gleichzeitig weiß, wie man morgens unrasiert oder ohne Schminke aussieht – und weil man nie aufhören sollte, herausfinden zu wollen, wie jemand unrasiert oder ohne Schminke aussieht.