Gut essen, Tag 3 – der Käseigel ohne Igel
Nie wieder Bionade. Denn ich weiß jetzt, wie man Ingwerlimonade herstellt.
Unser Tagesausflug heute ging ins Mercado in Altona. Lu hatte mich gefragt, ob ich Läden habe, die mich inspirieren, auch wenn ich meist nur nichtskaufend durch die Gegend irre. Also Orte, an denen ich Essen optisch und olfaktorisch toll dargeboten kriege. Meine Antwort: Mercado. Mal abgesehen davon, dass ich dort immer im Bodyshop für Nachschub an Bodylotions und Shampoos sorge oder im Buchladen nur mal rumgucke und nie was kaufe *hust*, mag ich das Mercado, weil da nicht nur mein Lieblingsblumenladen ist, sondern weil es dort immer unglaublich gut riecht und alles wahnwitzig lecker aussieht. So bummelten wir (ICH BIN WIRKLICH EIN BUMMLER! ES GEHT NICHT MEHR WEG!) zunächst zur Käsetheke, um zu gucken, dann zum Bioladen, um zu gucken, zum Türken, um zu gucken, zum Italiener, um zu gucken, zum Gemüsestand, um zu gucken, zum Weinhändler, um zu gucken und zum Blumenstand, um zu gucken. Gekauft haben wir überall was, bis auf den armen Blumenstand, obwohl ich dort am liebsten zugeschlagen hätte. Aber in unserer Küche steht ja bereits ein Armvoll Sommerblumen, daher habe ich die übliche „Was Buntes mit viel Rot für um die 20 Euro“-Ansage auf nächste Woche verschoben.
Einkaufen geht zurzeit so: Lu fragt mich, was ich mag, was ich mir vorstellen könnte zu probieren, welche Geschmacksrichtungen mir liegen und erzählt mir dann, was es da noch außerhalb meines schmalen Esshorizonts gibt. Im Mercado haben wir vor so ziemlich jedem Stand rumgelungert und Lu hat mir die komplette Auslage erklärt: welches Lebensmittel ist gut, welches weniger. Wobei „gut“ nicht bedeutet „keine Kalorien“, sondern „gut für mich, gut für meinen Körper, gut für meine Seele“. Und „weniger gut“ bedeutet nicht „niemals essen“, sondern „in Maßen ist alles gut“. Die Verkäufer an den Ständen haben sich sicherlich gewundert, warum da eine Frau eine andere eine Viertelstunde lang bequatscht und auf die Waren deutet, weswegen ich gerade das Gefühl habe, ich müsste ein Schild um den Hals hängen haben: „Ich lerne gerade essen. Bitte haben Sie etwas Geduld, während mein Coach mir Ihre Produkte erklärt. Wir melden uns schon, wenn wir wirklich etwas kaufen wollen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und guten Appetit.“
In unseren Tüten landeten Paprika, Gurken, Tomaten, ein Topf Rosmarin, ein Topf Basilikum, theoretisch ein Topf Schnittlauch und Petersilie, wenn wir uns eine Liste gemacht hätten, aber nein, ich sollte mich ja inspirieren lassen, das hab ich jetzt davon, KEINEN SCHNITTLAUCH UND KEINE PETERSILIE, aber dafür dreierlei Oliven, Schafskäse, Ziegenkäse, Parmesan, Scamorza, Feta mit roten Zwiebeln, Feta mit Paprika, Feta mit Jogurt und Basilikum, Milch, Rotwein, Cidre (pour le Kerl), Bündnerfleisch, ein leeres Portemonnaie und ein Zentner Vorfreude.
Aber bevor wir diese ganzen Schätze in ein Abendessen verwandelt haben, gab’s erstmal Mittag. Dafür habe ich zum ersten Mal den Mörser benutzt, und zwar, um aus Olivenöl, Basilikumblättern, Meersalz, buntem Pfeffer, Parmesan, Knoblauch und Pinienkernen das leckerste Pesto der Welt zuzubereiten. Ich habe den Teller ausgeleckt, so großartig war das Pesto. Was ich so spannend fand: Ich konnte jede einzelne Komponente rausschmecken und gleichzeitig das Gesamtwerk genießen. Unser bisheriges Fertigpesto hat mir auch geschmeckt, aber da hätte ich beim besten Willen nicht sagen können, was drin ist. (Und wenn man auf die Packung guckt und sieht, was drin ist, will man auch gar nicht mehr die Einzelteile schmecken.)
Zum Nachtisch gab’s frische Ananas, für die ich den Zitronenmelissetopf geplündert habe. Die Kombination von süßestem Ananas und spritzig-zitronigem Grünzeug ist umwerfend. (Ich brauche neue Fressadjektive. Ich kann nur Autoadjektive.)
Nachdem ich schwungvoll das Fertigpesto aus dem Kühlschrank in den Mülleimer umgesiedelt hatte, haben wir dieses Thema noch vertieft: in unserer Speisekammer. Der Kerl und ich wohnen seit knapp drei Jahren zusammen, aber wir haben es nie geschafft, unsere Vorräte zu vereinheitlichen. Das liegt zum Teil an unseren kruden und sehr voneinander abweichenden Essvorlieben, das liegt aber auch daran, dass wir manchmal beknackterweise an unseren „eigenen“ Sachen hängen. So stehen bei uns zwei Sets Geschirr im Schrank, weil ich meins lieber mag und der Kerl seins, wir haben zwei Sorten Besteck, und irgendwie haben sich im Laufe der Zeit zwei Lager in der Speisekammer gebildet. Ihre Stunde hatte gestern geschlagen, denn nun ist alles fein säuberlich sortiert in „Geht immer“ (Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse), „Geht nur, wenn’s schnell gehen, aber immer noch gesund sein soll“ (Gemüse im Glas), „Geht bitte nicht abends und generell eher in Maßen“ (Nudeln, Kartoffeln, Reis, Brot) und „Geht ausnahmsweise, ehe wir verhungern, uns gegenseitig essen oder einen Kiosk überfallen“ (Schokolade, Fertigprodukte). Dazu noch ein paar Gewürze, eine Ecke für Wein und genug Platz für kistenweise Wasser. Die böse Coke und Sprite Zero stehen jetzt im Flur und werden demnächst von unserem Getränkelieferanten gegen Wasserkisten getauscht.
Nach einer Runde Wii Sports (I rule!) hat Lu aus unserer Fensterbank einen Kräutergarten gemacht. Da stehen jetzt Rosmarin, Liebstöckel, Basilikum, Oregano, Salbei und Zitronenmelisse. Und demnächst noch Schnittlauch und Petersilie. Dafür musste mein wild wuchernder Kaktus, den mir der Kerl zu irgendeinem Valentinstag geschenkt hat (he, Kaktus ist besser als Slime. Ja, das hat er mir auch schon geschenkt), umziehen, denn für ihn war einfach kein Platz mehr. Didier (he, Kakteen haben auch ein Recht auf Namen. Ja, er ist nach Didier Drogba benannt) wohnt jetzt im Schlafzimmer.
Abends gab’s dann für Kerl und mich die Riesenprobierplatte (siehe unten; auf dem Foto fehlen die drei Feta-Cremes und kurz angebratene, gelbe Zucchini), während Lu sich mal von uns Freizeit gönnte. Unsere Anweisung: Zeit nehmen, alles alleine probieren, alles in allen Kombinationen probieren, mal nen Schluck Wein oder Cidre dazu, dann wieder Wasser, Wein mit allen Kombinationen probieren und vor allem: genießen. Hat wunderbar funktioniert. Käse und Wein geht ja immer, sowohl der 30 Monate gereifte Parmesan als auch der rauchige, milchige Scamorza haben aus dem Erdbeerrosé einen Wilderdbeerbusch gemacht. Der Ziegenkäse hat die Paprika mehr veredelt als die Tomaten, die gelben Zucchini haben einen Hauch von Hühnchennachgeschmack, die grünen Oliven haben im Vergleich zu den schwarzen fast industriell geschmeckt. Auf meinem Teller vermischten sich Feta mit Olivenöl und unserem selbstgemachten Rosmarinsalz, die Kräuter der schwarzen Oliven mit dem Innenleben einer aufgeschnittenen Strauchtomate. Ich habe mich wie im Urlaub gefühlt, nur dass unser Buffett drei Millionen weniger Kalorien hatte und nach Mittelmeer duftete ohne nach Hund zu stinken.
Und jetzt sitze ich gerade satt und zufrieden auf dem Sofa und klebe massenweise Post-Its in Lus Weinbuch, weil ich mal durchgucken sollte, welche Aromen mir denn gefallen könnten. Morgen steht die Weinprobe an. Und die Mutprobe: der Fischhändler.