Tagebuchbloggen 29.01.2010
Trotz Müdigkeit und dem drohendem iPhone-Gepiepse um 7 Uhr habe ich Krieg und Frieden bis ein Uhr nachts ausgelesen. Ich hör doch bei 1.600 Seiten nicht bei den letzten 30 auf. Ts.
Jetzt fühle ich mich plötzlich vereinsamt. Wo sind die ganzen Horden von Adligen hin mit ihrem Herzschmerz? Wo die französische Armee? Wo die Plünderer und Brandstifter in Moskau? Mir geht’s gerade ähnlich wie nach Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – die Bücher sind so dicht und viel und vollgepackt; wenn man sie weglegt, bleibt eine kleine, einsame Leere. Und die Frage „Was les ich denn jetzt?“ fühlt sich sehr unhöflich an, als ob man die Werke noch etwas nachhallen lassen müsste, ihnen noch ein bisschen mehr Raum und Zeit in Kopf und Bauch geben müsste, bevor man den nächsten Comic oder das Buch über die amerikanische Autoindustrie anfängt. Mach’s gut, Pierre, du warst ein toller Charakter. Mach’s gut, Natascha, mein Täubchen. Und mach’s gut, Tolstoi, dem ich 150 Jahre später noch eine reinhauen möchte für Teile von Absätzen wie diesem hier:
„Pierre erzählte seine Erlebnisse so, wie er sie selbst in der Rückerinnerung noch nie gesehen hatte. In allem Erlebten gaubte er jetzt einen Sinn zu sehen, der ihm bisher noch gar nicht aufgegangen war. Jetzt, während er all dieses Natascha erzählte, empfand er jene seltene Freude, die Frauen einem Manne mit ihrem Zuhören machen können, nicht die sogenannten klugen Frauen, die beim Zuhören nur danach trachten, entweder das Gehörte ihrem Gedächtnis einzuverleiben, um damit ihren inneren Besitz zu vermehren und es gelegentlich wieder von sich geben zu können, oder ihre eigenen Gedanken dagegenzusetzen und so schnell wie möglich einige kluge Redensarten vorzubringen, die sie sich in der winzigen Werkstätte ihres Verstandes hergestellt haben, sondern die Frauen, die diesen Namen wirklich verdienen, weil sie die echt weibliche Fähigkeit haben, aus allem, was der Mann vorbringt, das Beste herauszufühlen und in sich zu saugen.“
(Seite 1476)
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Donnerstag abend kehrten so langsam die Lebensgeister wieder. So richtig Lust auf zwei Stunden Kochen hatte ich dann doch nicht, und so gab’s „nur“ unsere geliebte und fürchterlich simple Karotten-Kartoffel-Suppe mit einem Bund Petersilie und herzhafter Wurst. Wärmt.
Davor habe ich noch ein Blech Apfel-Buttermilch-Muffins gebacken, weil vom Brotbacken noch Buttermilch da war und die Äpfel auch schon etwas länger in der Speisekammer rumlagen. Dabei gemerkt: Reste verarbeiten macht komische Laune, weil ich mich wie eine 50er-Jahre-Hausfrau fühle. Demnächst abonniere ich die Gartenlaube und fange an, Jeans zu bügeln und täglich die Bettwäsche zu wechseln. (Shoot me.)
Und da mir bei Tastespotting natürlich wieder viel zu viel leckeres Zeug über den Weg gelaufen ist, habe ich noch eine Vanillebuttercreme gemacht und sie stilecht mit Spritztüte als Frosting auf den Muffins verteilt. Ja, ich habe eine Spritztüte in meiner Backkiste, mit vier verschiedenen Aufsätzen, und jetzt wird sie endlich benutzt. Allerdings eher nicht wieder für diese Buttercreme – oder wenn, dann nicht, um sie auf duftig-frischen Apfelmuffins zu verteilen und damit aus ihnen fiese Zuckerbomben zu machen. Die Creme war toll, und die Muffins waren auch toll, aber beides zusammen fand ich doof. Wenn Omi noch lebte, früge ich sie jetzt nach ihrem Rezept für Frankfurter Kranz. (Ich hätte dann auch gerne mal ein pdf mit sämtlichen deutschen Konjunktiven, wenn’s keine Umstände macht.)
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Und falls Sie das beste Kochblog Deutschlands noch nicht kannten, wird’s Zeit. Auch ich vertraue Frau Schwadroneuse bei allen kulinarischen Problemen.