The Machinist
The Machinist hat nur auf den ersten Blick eine zusammenhängende Geschichte. Sie scheint sich um einen Mann (Christian Bale als lebendiges Skelett) zu drehen, der nicht schlafen kann und dem seltsame Dinge zustoßen: Post-its mit Botschaften, die sich ständig ändern, erscheinen in seiner Wohnung, ein unheimlicher Mann taucht stets in seiner Nähe auf und ist doch nicht zu fassen, und zwei Frauen sind Teil seines Lebens – oder etwa nicht?
Je länger man dem Film folgt, desto weniger ergibt die Geschichte einen Sinn. Details widersprechen sich, Handlungen scheinen stattzufinden und haben dann doch nicht stattgefunden, weder auf die zeitliche Abfolge noch auf die einzigen Konstanten des Films – die Personen – ist Verlass. Normalerweise mag ich Filme, die mir ein Rätsel aufgeben, die mich in eine Situation werfen, mit der ich mich abfinden und einfach dem Regisseur vertrauen muss, dass er mich da heile wieder herausholt. Das Dumme bei The Machinist ist aber, dass ich keinerlei Lösungsansätze für das Rätsel bekomme. Anstatt mir irgendwelche Brotkrumen zu streuen, denen ich folgen kann, bleibt mir hier nichts anderes übrig, als brav abzuwarten, bis mir die Lösung gnädigerweise serviert wird. Ich kann von selbst nicht auf sie kommen, und das war mein Problem mit The Machinist. Ich habe mich zu sehr dem Drehbuch ausgeliefert gefühlt, ich konnte zu wenig selbst die Geschichte verstehen.
Was mich trotzdem bewogen hat, den Film nicht vorzuskippen, waren die blässlich-grünen Bilder, die sehr stimmig waren und dem Film trotz seiner Realitätsnähe eine seltsame Unfassbarkeit verliehen haben. Und natürlich glänzt Christian Bale mal wieder, auch wenn es mir dieses Mal äußerst schwer gefallen ist, ihm zuzusehen. Er besteht wirklich nur noch aus Haut und Knochen, die auch immer sehr präsent zu sehen sind. Vor allem eine Szene ist mir im Gedächtnis geblieben: Bale beugt sich sehr tief über ein Waschbecken, über dem ein Spiegel hängt. Wir sehen seinen Rücken doppelt, bzw. die Haut, die sich über seinen Wirbeln spannt. Er sieht schon nicht mehr menschlich aus, eher wie ein Tier, das nur von seinen Instinkten, die ihm in den Knochen liegen, getrieben wird. In Laufe des Films bekommt er noch blaue Flecke und blutende Wunden zu seiner wächsernen Haut dazu, so dass ich zum Schluss wirklich gehofft habe, das Ganze möge jetzt bald ein Ende haben, bevor Bale entkräftet vom Set fällt.
Die Auflösung der Geschichte ist dann zwar halbwegs befriedigend, sie macht aber aus dem Film immer noch keinen „Film“, sondern belässt es bei dutzenden von Puzzleteilen. Und vor allem reduziert es alles auf einen Satz: Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. Mal sehen, wann ein Regisseur aus „Morgenstund hat Gold im Mund“ ein zweistündiges Rätselfilmchen macht.
Ich hoffe ja noch auf einen Regisseur, der manche Filmkritikerin nicht mehr heile aus dem Film herausholt, sondern für immer drin lässt.
Felix am 09. May 2005
You talkin’ to me?
Anke am 09. May 2005
ich dachte, jeder gute film lässt sich auf einen satz reduzieren (meine englisch lk lehrerin meinte immer, jedes grosse buch steckte komplett in seinem ersten satz…)
“morgenstund hat gold im mund” gibt’s doch auch schon einige versuche. zb:
“und ewig lockt das murmeltier”
oder diese gruselfilme mit freddy kruger
mo am 09. May 2005
@Anke: I talked to any listener here on ndr2.
Felix am 09. May 2005
Erstmal möchte ich erwähnen das es einige Filme gibt die nicht unbedingt wie Filme funktionieren. Sondern wie Bilder im Gedächtnis bleiben. Ich denke da an “It´s all about love” oder auch “The Swimmer” der im Grunde das Thema “Eigensinn” abhandelt. Und dieser Film ist großartig. Das man bei “The Machinist” keine Brotkrumen zugeworfen bekommt finde ich gar nicht so schlimm. Es gibt unzählig andere Filme in den Brotkrumen auch nerven können. Scorsese zeigt zum Beispiel in seinem Film “Bringing out the Dead” auch mehr eine Studie. Manchmal erzählt die Ästhetik allein schon die Geschichte. Beispiele hierfür wären “Alien” und “Blade Runner”, wo am Ende auch nur ein Satz übrig bleibt. Vor allem bei Blade Runner. Roboter und Gefühle. Ein großes Thema. Da ist die Handlung nicht so wichtig. Sondern viel mehr die Gesten, die Technik, das drum herum, weniger die Geschichte.
Und ich finde nicht das man den Film auf den Satz: “Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen” reduzieren kann. Das ist doch ein wenig zu einfach gedacht. Es geht um Verdrängung.Ich hatte mich selbst früher immer gefragt wie Menschen Dinge verdrängen können, obwohl sie sie doch bewußt erlebt haben. Der Film geht auf dieses Thema ein. Zeigt einen Menschen der immer mehr durch dreht, und sich selbst ein Rätsel ist. Er selbst hat nicht die Entscheidung getroffen es zu verdrängen. Es ist mehr wie eine Krankheit. Ist meine Meinung. Für mich funktioniert der Film sehr gut.
Stefan am 09. May 2005
Mir gefiel “The Machinist” ganz gut. Der erste David-Lynch-Film, der nicht von David Lynch war….
Mike am 10. May 2005
Hab mir “The Machinist” auch vor ein paar Tagen ausgeliehen. Sehr guter Film mit einem grandiosen Christian Bale.
Der erste David-Lynch-Film, der nicht von David Lynch war…
Da gäb`s noch “Pi” – hat mich stark an “Eraserhead” erinnert…
psyCKo am 10. May 2005
Hoffe, mir den Film (DVD) zum Wochenende ausleihen zu können. Bin eigentlich, nicht nur wegen Bale, sehr gespannt darauf, gerade weil ich etwas erwarte, was sich deutlich vom üblichen Einerlei abhebt und wirklich etwas in Bildern erzählt.
Darin hat mich die Rezension eben tatsächlich bestärkt.
Boris am 11. May 2005
Ich bin zwar auch der Meinung, dass man den Film auf diesen einen Satz reduzieren kann, aber das sehe ich nicht negativ. In diesem Satz steckt doch sehr viel drin. Mir ist aufgefallen, dass die Hauptfigur einen Roman von Dostojewski liest, und dadurch bin ich darauf gekommen, dass sich der Regisseur sehr an ihm orientiert hat. In einem Buch von Dostojevski – “Schuld und Sühne” wird genau die Thematik des Films behandelt. Und Dostojevski gibt sich nicht mit 2 Stunden Film zufrieden, sondern witmet dem Thema gleich 750 Buchseiten. Trotzdem ist das Buch super.
Ich stimme aber zu, dass ich mir auch ein paar Lösungshinweise gewünscht hätte.
Henrik am 17. May 2005
Ganz offensichtlich habt ihr euch den Film gar nicht richtig angesehen, bzw. nur oberflächlich betrachtet und die wesentlichen Metaphern und Schlüsselszenen nicht ‘decodieren’ können. Von Hinweisen auf die ‘Auflösung’ der Handlung ist der Film nämlich hoch schwanger. In nahezu jeder Szene werden konsequent verschiedenste Ausdruckselemente dazu genutzt, auf die untergründige Ungeklärtheit in der Seele des Protagonisten anzuspielen, auf sie hinzuarbeiten.
So tauchen immer wieder Hände und weisse Wände/Kacheln auf, die mit Bleiche gewaschen werden, und zum wiederholten Mal fährt der Protagonist mit seinem Wagen bei rot über jene Kreuzung, die später noch eine so grauenbehaftete Bedeutung bekommen wird, einmal bleibt er sogar wie hypnotisiert mitten im laufenden Verkehr auf ihr stehen.
In der ersten längeren Konversation mit der Bedienung im Flughafencafé, die man im nachhinein als reine Halluzination ansehen muss, lässt der Maschinist einen zentralen Schlüsselsatz fallen, als er etwas in der Art behauptet wie: “Ja, so ein kleines Schuldgefühl kann schon ziemlich lange anhalten…”
Immer wieder taucht der Gehängte als Symbol zugleich für die Sühne als auch für die mit ihr verbundene, vernichtende Schuld auf.
Und in der Geisterbahn, läuft sowohl ein Pappjunge vor das Auto, als auch eine Wahl zwischen dem ‘Highway To Hell’ und dem ‘Way To Salvation’ getroffen wird (genau wie auf der ohnmächtigen Flucht vom Unfallort, oder auf der Flucht vor der Polizei durch die dunkle Kanalisation).
Ich könnte jetzt Seitenweise so fortfahren, aber ich hoffe es ist klar geworden worauf ich hinaus will:
Seht euch Filme richtig an, am besten mehrmals, am besten ganz bewusst, bevor ihr einen vollkommen unausgeklügelten, von Konventionen regierten Kommentar dazu abgebt.
Und dass die Aussage des Filmes platt oder plakativ sei, kann man nur behaupten, wenn man die Filmbetrachtung auf die Erwartung eines grandiosen Showdowns, einer vor allem Unterhaltenden Auflösung reduziert, und dabei dem Prozess der Handlung, eben die Veränderungen innerhalb des ungeklärten Zustandes, den (Läuterungs-)Weg der Hauptfigur keinen Wert beimisst.
Das ist echt eine eingeschränkte und oberflächlich spassorientierte Herangehensweise an einen anspruchsvollen Film.
Mir persönlich hat er eine Menge gegeben, schade dass andere diesem (nebenbei sehr ästhetischen) Meisterwerk der Filmkunst scheinbar nicht so viel abgewinnen können…
Mario Kowajatjec am 21. May 2005
Tjaha, im Nachhinein haben natürlich die Szenen, die du aufgeführt hast, einen Sinn ergeben. Aber ich persönlich schätze immer noch Filme, die ich beim ersten Sehen erfassen kann. Nenn es von mir aus spaßorientiert. Ich nenne es „Der Film hat funktioniert“.
Anke am 21. May 2005
Hab den Film gerade gesehen und muss sagen er ist schön gemacht aber wenn man zuvor Fight Club gesehen hat wir einem schnell klar wer sein Begleiter mit dem Ledermantel ist (er erinnert schon stark an Morphoeus). Trotzdem ein sehr guter Film der durch seine Bilder und Konversationen überzeugt.
Paukart am 20. November 2005